SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2008, Seite 15

Buchempfehlung

Erik Orsenna: Weiße Plantagen. Eine Reise durch unsere globalisierte Welt, München: Beck, 2007

Wenn es den Egon-Erwin-Kisch-Gedächtnispreis (noch) gäbe, würde ich ihn Erik Orsenna für sein Buch Weiße Plantagen geben.
Orsenna ist Autor vieler Bücher und Mitglied der Académie Française. Er unternimmt eine Weltreise zu den Gebieten, wo Baumwolle angebaut, gehandelt, veredelt und vermarktet wird. Er geht auf die Suche nach den Menschen und der Ökonomie rund um ein Produkt, das jeder "kennt" und benutzt — von Baumwolle leben mehrere hundert Millionen Menschen.
Aber was "weiß" man schon, wo alle die T-Shirts, Socken, Wäsche und Klamotten herkommen, die in unseren Geschäften und Schränken liegen? Was machen die Produzenten, die Märkte, die Politik daraus? Welche Werte werden geschaffen und wo enden sie?
Das ist nicht eine touristische Reise, das ist ein kleines Team auf der Suche nach Fakten und Geschichte(n), in Begegnung mit Pflanzern, Farmern, Veredlern, Labors, Lokalpolitikern, Lobbyisten, Museumsdirektoren auf vier Kontinenten: Mali und Ägypten in Afrika, USA und Brasilien in Amerika, Usbekistan und China in Asien, schließlich Frankreich in Europa — und es ist ein erstklassiges literarisches Vergnügen!
Das Buch spiegelt wider, was auch Kisch auszeichnete: die Neugier auf Tatsachen, auf Menschen, auf Hintergründe, verbunden mit der Hartnäckigkeit, verbotene Türen zu öffnen — dabei auch mal ohne "Ergebnis" rauskomplimentiert zu werden — "nichts ist erregender als die Wahrheit!"
Erik Orsenna sucht in Mali die Folgen der Privatisierung in einem eher kooperativ angelegten Produktionssektor. Er spürt der Lobbyarbeit der US- Baumwollindustrie und ihren Folgen für die Farmer nach. Er versucht, in China die Stadt der Strümpfe zu entschlüsseln — "kommunistischer Kapitalismus" — und wird nach zu vielen Nachfragen "gebeten" abzureisen!
Er besucht den Direktor des Baumwollmuseums in Alexandria, geschichtsträchtige Fährten, Genforscher und neureiche Profiteure in Brasilien, entschlüsselt in Etappen die Wirkungsweise des globalisierten Baumwollmarkts und legt damit beispielhaft frei, wie heute der Wohlstand der Reichen auf der Arbeit und Armut der Produzenten aufbaut. Die "Weichheit der Baumwolle", für die seit zweitausend Jahren gegraben, gepflanzt, geerntet, geforscht, gewebt und geflochten wird: sie ist ein "seltenes und teuer bezahltes Gut", ist sein Schluss. Lesen!

Rolf Euler


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