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"Wenn wir das Frühstück sind, dann seid ihr das Mittagessen." Das soll ein Armenier im Jahre 1915 zu seinem kurdischen
Nachbarn gesagt haben, als im damaligen Osmanischen Reich auf Befehl der ultranationalistischen "jungtürkischen" Regierung das
Gemetzel an den Armeniern begann, dem schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Diese und ähnliche Warnungen
verhallten ungehört. Viele Kurden beteiligten sich an den Massakern. Etwa 10 Jahre später waren sie dann tatsächlich das
"Mittagessen". In den 20er Jahren begannen die Kriege des türkischen Staates gegen das kurdische Volk, dessen Existenz
geleugnet wurde, offiziell waren sie "Bergtürken".
Mit der blutigen Unterdrückung des Aufstands von Dersim 1938 erreichten
die Aktionen gegen die Kurden ihren vorläufigen Höhepunkt in der noch jungen türkischen Republik. 1984 nahm die 1978
gegründete PKK den bewaffneten Kampf gegen die türkische Armee auf. 1999 wurde ihr Vorsitzender Öcalan verhaftet und der
bewaffnete Kampf beendet. Die Auseinandersetzungen halten aber bis heute an und eskalierten jüngst wieder, als türkische Truppen
auf irakischem Gebiet gegen die Guerilla vorgingen.
Das Eingangszitat stammt aus dem Film Close up Kurdistan des 1964 geborenen
Regisseurs Yüksel Yavuz. Er wuchs in Türkisch-Kurdistan auf und lebt seit 1980 in der BRD. In seinem Film versucht er, seine
persönliche Geschichte mit der Geschichte der Kurden in der Türkei zu verknüpfen. Der Film lässt zunächst die
Familie des Regisseurs zu Wort kommen. Weitere Protagonisten repräsentieren ein breites Spektrum der türkischen Gesellschaft, die
in unterschiedlicher Art und Weise von dem Konflikt betroffen sind.
Dr. Ismail Besikci ist ein Intellektueller, der wegen seiner
wissenschaftlichen Arbeit, die die Kurdenpolitik der Regierung kritisiert, insgesamt 17 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht hat.
Beriwan ist eine Guerillakämpferin, die sich nach 10 Jahren Kampf in Europa abgesetzt hat. Abdulkadir Aygan lief von der PKK zu den
staatlichen Kräften über und war in der Spezialeinheit JITEM tätig, die für viele politische Morde verantwortlich ist.
Heute lebt er in Schweden. Uli Cekdar ist ein Deutscher, der sich für zwei Jahre der PKK anschloss. Ali Yildirim war als wehrpflichtiger
einfacher Soldat in Kurdistan eingesetzt. Orhan Miroglu, Lehrer, war nach dem Militärputsch 1980 sechs Jahre inhaftiert und wurde bei
einem Anschlag der JITEM, der nicht ihm galt, schwer verletzt. Eyse Sipendarik lebt als Flüchtling im Irak. Ihre Söhne sind in der
Türkei inhaftiert, ihre Tochter ist in der Guerilla.
Die Aussagen all dieser Menschen, die in sehr unterschiedlicher Art und Weise
vom türkisch-kurdischen Konflikt direkt betroffen sind, ergeben wie ein Mosaik ein Bild dieser Auseinandersetzungen, das durch
historische Rückblicke ergänzt wird.
Der Regisseur sagt dazu: "Es ging mir darum, ein Panorama der Menschen
zu zeigen, die unter diesem Konflikt zu leiden hatten und haben. Ich habe während der Recherche zu dem Film viele Menschen
kennengelernt. Schon während des Drehs stellte ich fest, wie stark, überzeugend und wahrhaftig die Erzählungen meiner
Interviewpartner sind."
Er beklagt auch die weitgehende Unwissenheit der Menschen in der BRD
über den Konflikt. Dabei sind viele "türkische" Migranten hierzulande Kurden, die BRD liefert Militärmaterial an den
NATO-Partner Türkei, das auch in Kurdistan eingesetzt wird und es leben viele Menschen in der BRD, die vor genau diesem Konflikt
geflohen sind. Der Film leistet einen wichtigen Beitrag dazu, diese Unwissenheit zu verkleinern
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