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Das Jahr 2008
wurde von der Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) zum Jahr der Mathematik ausgerufen. Wie
praktisch Mathematik für Politiker sein kann, erleben wir gerade durch die Kultusminister, die mit
mathematischen Tricks ihre nicht eingelösten Versprechungen schönreden wollen.
Es geht um die Jugendlichen ohne jeden
Schulabschluss. Im vergangenen Jahr haben bundesweit 76249 Jugendliche die Schule ohne Hauptschulabschluss
verlassen. Das sind nach der Statistik der Kultusminister 7,9% des Altersjahrgangs. Zehn Jahre zuvor waren
es 8,8%. Der Rückgang entspricht nicht einmal einem Prozentpunkt. Trotzdem fragen wir uns, wie sie es
mit ihrem kostenneutralen Maßnahmenkatalog unverbindlicher Versprechungen geschafft haben, diesen Wert
unter 10% zu halten ganz zu schweigen von dem Ziel der Kultusministerkonferenz (KMK) vom Oktober
2007, die Zahl der Schulabgänger ohne jeden Schulabschluss bis zum Jahr 2012 ohne
Qualitätsverlust "nach Möglichkeit" zu halbieren. Doch wie soll dies bei einem solchen
Schneckentempo möglich sein?
Nun, die Kultusminister befinden sich
bereits auf der Erfolgsspur, denn sie haben beschlossen, das Problem mathematisch "kreativ" zu
lösen. Prozentwerte müssen ja bekanntlich zu einer Bezugsgröße gesetzt werden, und je
größer die Bezugsgröße ist, umso geringer wird der Prozentwert. Das ist die Grundlage
für den Taschenspielertrick der KMK. Sie haben also die 76249 Jugendlichen, die im Schuljahr 2006/07
nach der Vollzeitschulpflicht die Hauptschulen ohne Abschluss verließen, in Beziehung zu allen
Absolventen und Abgängern gesetzt, also auch zu denjenigen, die die Hochschul- oder Fachhochschulreife
erreichten. So kam es zu der sagenhaften "Verbesserung" von 8,8% auf 7,9%. Werden dagegen die
Schulabgänger ohne Schulabschluss nur in Beziehung gesetzt zu den Abgängern am Ende der
Pflichtschulzeit, schnellt die Quote der Schulabgänger ohne Abschluss auf 10,8% hoch. Bei den
Migranten kommt sie auf fast 20%.
Noch näher an ihr Ziel kommen die
Kultusminister, wenn sie die Schulabgänger aus den Sonderschulen nicht mehr berücksichtigen oder
den Sonderschulabschluss zum "irgendwie normalen" Hauptschulabschluss hochstilisieren so
geschehen in Sachsen-Anhalt. Und gerade dort gibt es einiges zu verstecken, denn 2006 kamen dort 51,5% der
Schüler ohne Hauptschulabschluss aus den Sonderschulen. Da bietet es sich an, diesen Skandal einfach
herauszurechen, und siehe da: das KMK-Ziel wäre in Sichtweite.
Doch welche Rechenkünste die KMK auch
anwendet, sie wird von der Realität eingeholt. So verließen bspw. in Hamburg 18,2% der
Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Hauptschulabschluss, nicht viel besser sieht es in
Schleswig Holstein, Sachsen-Anhalt, NRW, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg aus.
Die Eltern, die Kollegien und nicht zuletzt
die Schülerinnen und Schüler wollen aber eine Schule, in der alle im gemeinsamen Lernen die
gleichen Chancen erhalten, und sie wollen nicht mit fragwürdigen Tricks in Rosstäuschermanier
übers Ohr gehauen werden.
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