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Die Kontrolle von Schwarzarbeit ist zu teuer und wenig effektiv, sagt der
Bundesrechnungshof in einer Studie vom 11.Januar 2008. Deshalb will er sie abschaffen. Die Vorgänge
auf den Baustellen aber zeigen: Was da passiert, ist kriminell.
Die Kontrollen, welche die
Zollbehörden seit vier Jahren zur Verhinderung von Schwarzarbeit auf Baustellen durchführen,
haben die erwarteten Einnahmen von einer Milliarde Euro für Steuern und Sozialkassen nicht gebracht,
klagt der Rechnungshof. Er wirft den Mitarbeitern der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) vor, zu wenig
Zeit im Außendienst zu verbringen, um die erwartete Summe einzutreiben. Kunststück: Die Stelle
ist personell unterbesetzt; die Kollegen werden auch in anderen Bereichen der Zollbehörde eingesetzt.
Das erwähnt der Rechnungshof jedoch nicht.
Zwischen Juni 2005 und Juni 2006 wurden
nach Kontrolle auf den Baustellen Strafgelder in Höhe von 46,4 Millionen Euro verhängt. Kassiert
hat das Finanzamt davon nur 9,7 Millionen schlappe 21%. Zusätzlich sind den Behörden 167
Millionen Euro Steuergelder und 402 Millionen Euro Sozialabgaben entgangen. Kassieren konnten sie nur
zwischen 5 und 10% davon. Der Schaden, der durch Schlupflöcher in den Gesetzen allein in diesem
Zeitraum entstanden ist, beläuft sich also auf 615,4 Millionen Euro, davon konnten nur 66,6 Millionen
wieder eingetrieben werden. Wer ist Schuld? Die Zollbehörde oder Gesetze, die diese Schlupflöcher
zulassen?
Nicht allein dem Staat entgehen durch Schwarzarbeit (nicht nur) auf dem Bau riesige Summen. Auch
Bauarbeiter werden um ihren Lohn geprellt; nur mit Mühe und schon gar nicht flächendeckend kann
er mit Hilfe von Gewerkschaften und der FKS eingetrieben werden. Tricks, die Kollegen zu betrügen und
ihnen nicht einmal den Mindestlohn zu zahlen, gibt es viele. Zum Beispiel kann man sie 60 Stunden arbeiten
lassen, ihnen aber auf dem Lohnzettel nur 30 Stunden zu 12,50 Euro Stundenlohn anrechnen.
Eine alte Masche, das Entsendegesetz
auszuhebeln und den Mindestlohn zu umgehen, ist die sog. „selbstständige
Beschäftigung” Bei Baugesellschaften und ihren Subunternehmern ist sie sehr beliebt. Ein Bauer,
Künstler, Buchautor oder Schuster kann ohne fremde Hilfe säen, malen, schreiben, Schuhe besohlen
sie können selbstständig arbeiten. Ein Bauarbeiter kann ohne fremde Hilfe nicht einmal ein
Einfamilienhaus bauen, geschweige denn ein Hochhaus.
Kollegen aus osteuropäischen
Ländern, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, die von Subunternehmern und ihren
Schleppern angeworben und mit hohen Löhnen in Euro geködert werden, unterschreiben einen
offiziellen Antrag auf selbstständige Beschäftigung in der Annahme, es sei eine
Aufenthaltsbescheinigung. So ein Papierchen ist für den Subunternehmer Gold wert. Er kann sie jetzt
wie Selbstständige behandeln, die auf eigene Rechnung arbeiten. Da die Kollegen aber keine Rechnung in
deutscher Sprache ausstellen können, zahlt der Subunternehmer, wie er will, kassiert das Geld beim
Generalunternehmer und steckt es in die eigene Tasche.
Generalunternehmer machen bei diesem
Betrugsgeschäft den größten Deal. Sie kaufen die Arbeitskraft beim Menschenhändler
für kleines Geld im Kaufpreis ist alles inklusive: Steuern, Sozialversicherungen, Urlaub,
Feiertage, Auslösung, Heimfahrt. Sie haften zwar für alle unkorrekten Zahlungen , aber nach
dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Für einen Selbstständigen
müssen sie weder Steuern noch Sozialabgaben abführen der Kollege aus Osteuropa aber, der
hierher arbeiten kommt, weiß nicht, dass er als Selbstständiger arbeitet. Er weiß nicht, was
er unterschrieben hat.
Drei Fälle sind in den letzten Monaten in NRW aufgeflogen, wo solche Methoden auf dem Bau
praktiziert wurden. Limbeckerplatz in Essen: Hier entsteht für 300 Millionen Euro einer der
größten Konsumtempel Europas. Über Monate wurden polnische und rumänische Bauarbeiter
mit einem Sklavenlohn von 1,48 Euro die Stunde abgefunden. Dann hatten sie die Schnauze voll, legten die
Arbeit nieder und demonstrierten vor dem Rohbau.
Marienkrankenhaus in Ratingen: Auf dem
Krankenhausgrundstück wird ein Ärztehaus gebaut. Die Bauarbeiter aus Rumänien sahen
wochenlang keinen roten Heller. Sie protestierten, besetzten und marschierten durch das Krankenhaus.
Rheinauehafen in Köln: Gut betuchten
Bürgern werden hier 68 exklusive Wohnungen gebaut. Trotz eiskalter Witterung kletterten fünf
hungrige Bauarbeiter, denen selbst das Geld für Lebensmittel fehlte, auf einen 52 Meter hohen Kran.
Einer kletterte in seiner Verzweiflung bis auf die äußerste Spitze des Kranauslegers, eine
lebensgefährliche Aktion. Erst als ihm versprochen wurde, den ausstehenden Lohn zu zahlen, ließ
er sich von Helfern bergen.
Solche Protestaktionen, die von der IG BAU
und der Europäischen Wanderarbeitergewerkschaft unterstützt werden, mobilisieren die Presse. Mit
Aufmachern wie „Moderne Sklaverei”, Ausbeutung statt Arbeit”, „Nichts zu
beißen” wurde die Öffentlichkeit informiert. Bilfinger & Berger, der Generalunternehmer
der Großbaustelle in Essen, kam in die Schlagzeilen. Das haben die großen Firmen und ihre
Aktionäre nicht so gern, dass die Öffentlichkeit erfährt, wer der Gewinner im
Konkurrenzkampf unter den Arbeitern um Lohn und Brot ist.
Holger Vermeer, Sekretär der IG BAU,
konnte nach dieser Aktion mit Hilfe der FKS 65000 Euro unterschlagenen Lohn kassieren und an die Kollegen
auszahlen. Diese Summer ging dem Menschenhändler aus Berlin durch die Lappen, er drohte den Arbeitern
mit Gewalt. Die trauten sich nach der Lohnauszahlung nicht mehr in ihre Unterkünfte und wurden auf
ihrer Heimreise im Bus bis zur Stadtgrenze von der Polizei eskortiert.
Der Generalunternehmer auf der Baustelle in
Ratingen, ein Herr Schmitz vom linken Niederrhein, ist ein paar Nummern kleiner. Mit ihm dauerte das
Gespräch länger, aber auch er musste 35000 Euro rausrücken; die restlichen Lohnforderungen
der 19 rumänischen Kollegen werden derzeit noch vor dem Arbeitsgericht Siegburg eingeklagt.
Alle Anträge der Maurer, Betonbauer
und Eisenflechter aus Osteuropa auf selbstständige Beschäftigung wurden in Siegburg ausgestellt.
Ein Zufall? In Lohmar, einem Nachbarort, ist der Subunternehmer Exacta-Bau zu Hause. Er arbeitet für
Wolf & Müller, den Generalunternehmer der Kölner Baustellen. Die unterschlagenen Löhne
konnten die Kölner Gewerkschaftskollegen auch hier eintreiben. Herr Weinert, der
Geschäftsführer von Exacta-Bau, wurde im Januar 2008 von der Zollbehörde verhaftet
nicht wegen Menschenhandel, sondern wegen Steuerhinterziehung. Wenn es läuft wie bisher und wie
der Bundesrechnungshof moniert hat, siehe oben , kommt er nach einem Einspruch mit einem Ordnungsgeld
davon. Daraus schließt der Rechnungshof, dass die Kontrollen abgeschafft gehören!
Widerstand zahlt sich aus, das haben die Aktionen der Kollegen aus Polen und Rumänien bewiesen.
Kolleginnen und Kollegen der IG BAU und der Wanderarbeitergewerkschaft haben solidarische Hilfe geleistet,
Nahrungsmittel und Geld gespendet. Die Kontrollen der FKS waren nötig, um das kriminelle Treiben der
Unternehmer auf den drei Baustellen zu beenden.
In der Bundesrepublik darf es zumal
vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte Sklavenlöhne nicht mehr geben. Es liegen zu viele
Zwangsarbeiter auf den Friedhöfen dieses Landes. Sklavenhandel und Sklavenlöhne im 21.Jahrhundert
sind eine Schande. Der Sklavenhandel wurde vor 200 Jahren in England abgeschafft, in Amerika am Ende des
Sezessionskriegs 1865 formell beendet. Weltweit ist Sklaverei geächtet doch die Wirklichkeit
sieht anders aus. Auf 27 Millionen wird die Zahl der in Sklaverei gehaltenen Menschen auf der Welt heute
geschätzt es soll nur die Spitze des Eisbergs sein. Kinderarbeiter zählen dazu,
Zwangsprostituierte, Sklavenarbeiter auf den großen Plantagen, Dienstmädchen in wohlhabenden
Haushalten und irreguläre Arbeiter auf dem Bau in Deutschland.
Wir müssen das umgekehrte Fazit vom
Bundesrechnungshof ziehen: Die Kontrollen müssen ausgeweitet, die bestehenden Gesetze besser genutzt,
und die verantwortlichen Unternehmen korrekt bestraft werden. Sie dürfen nicht mit kleinen
Bußgeldern davon kommen können. Man kann die Sache auch nicht den staatlichen Behörden
überlassen, die damit überfordert sind. Auf den Baustellen müssen auch gewerkschaftliche
Vertrauensleute als Kontrolleure eingesetzt werden; und die Informationen über Tarifrecht und
Arbeitsrecht müssen in die Landessprache der Beschäftigten übersetzt werden. So kann man
verhindern, dass Gesetze mit faulen Tricks ausgehebelt werden.
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