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Wie durch einen Paukenschlag wurde die Berliner
Bevölkerung am 31.Januar darauf gestoßen, dass der Öffentliche Dienst
in Tarifauseinandersetzungen steht. Auf die Pauke gehauen hatten die
Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG).
Im gewohnten
Tarifdrehbuch ist es üblich, dass einige Stunden oder ein Tag lang gestreikt wird
und die betroffene Öffentlichkeit dies einige Tage vorher erfährt. Frei nach
dem Motto, dass ungewöhnliche Situationen ungewöhnliche Maßnahmen
erfordern, wehte diesmal ein anderer Wind. Die Message kam am Donnerstagabend
übers Radio und die Abendschau: Ab Mitternacht steht der Bus- und U-Bahn-Verkehr
in der Stadt lahm, und dies bis Samstag um 15 Uhr, also 39 Stunden lang. Springers BZ,
das hauptstädtische Leitmedium beim Spiel mit der Angst, titelte: „BVG-
Schock-Streik” Was war passiert?
Die große
Tarifkommission von Ver.di hatte die Arbeitsniederlegung beschlossen, weil den
Beschäftigten die Galle übergelaufen ist, nachdem sie über das
„Angebot” der öffentlichen Arbeitgeber informiert wurden. Ver.di war
mit einer Forderung von 12%, mindestens 250 Euro, in die Verhandlungen gegangen. Der
Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) ignorierte die Forderung völlig und legte ein
Angebot auf den Tisch, das 95% der Beschäftigten von Lohnerhöhungen
ausschloss.
Die Empörung der
Beschäftigten erklärt sich nicht nur aus dieser Reaktion, sondern auch aus
der Einkommensentwicklung der letzten Jahre. 2005 hat Ver.di einem Tarifvertrag bei
der BVG zugestimmt, der wie überall zu einer Senkung der Löhne
und Gehälter führen sollte, die angeblich im Vergleich zur privaten
Konkurrenz mindestens 30% zu hoch wären. Im Fall einer Ablehnung sollte die
Vergabe der öffentlichen Verkehrsdienstleistungen bundes- oder europaweit
ausgeschrieben und die BVG so aus dem Rennen gestoßen werden. Ver.di hatte ein
Tarifmodell unterschrieben (den TV-N), das für alle Neueingestellten 20% weniger
Lohn vorsah. Die Altmitarbeiter mussten eine kürzere Arbeitszeit mit
entsprechender Lohnkürzung sowie Einbußen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld
hinnehmen. Eine Absenkung ihrer tariflichen Einstufung wird bis jetzt noch durch eine
Sicherungsreserve verhindert. Im Ergebnis ist eine neue Tarifstruktur von
Beschäftigten erster und zweiter Klasse entstanden. Die ersteren gehen
einschließlich Zulagen mit durchschnittlich 2979 Euro nach Hause. Die anderen
müssen sich mit 1936 Euro begnügen.
Das jetzt vorliegende
Angebot des KAV will den 1150 neu eingestellten Kollegen neben einer Einmalzahlung von
200 Euro 4% mehr Lohn ab dem 1.Juli 2008 und 2% mehr ab 2010 gewähren. Für
5% der Beschäftigten verringert sich damit die Gehaltsschere geringfügig.
Damit wollen die Arbeitgeber das Thema Lohnerhöhung bis Anfang 2011 vom Tisch
haben. Obendrein möchten sie gerne die Sicherungsreserve verringern.
Der Vorschlag wurde
als Provokation aufgefasst. Nach Auskunft von Ver.di-Pressesprecher Andreas Splanemann
diskutierten die Mitglieder der Großen Tarifkommission nicht darüber, ob,
sondern nur wie lange gestreikt werden soll. Das Arbeitgeberangebot lehnte die alten
wie die neuen BVG-Beschäftigten einstimmig ab.
Ver.di hat den KAV
aufgefordert, bis zum 8.2. ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen, das
für alle Beschäftigten eine Einkommensverbesserung vorsieht. Die Arbeitgeber
haben darauf die Suckale-Nummer (Personalchefin der Deutsche Bahn AG) abgezogen.
Gegenüber den Medien bekundeten sie Verhandlungsbereitschaft, ein neues Angebot
gibt es bis Redaktionsschluss nicht.
Bleibt die Frage, ob
die BVG-Beschäftigten nun in die Fußstapfen ihrer GdL-Kollegen treten und
wir einen neuen Akt im Stück „Lohnverzicht war gestern” sehen. Oder
ob der Senat sich mit ein wenig zusätzlichem Kleingeld aus der Affäre ziehen
kann z.B. durch einen Inflationsausgleich für die bisher leer ausgehenden
95% der Beschäftigten. Auf den Abschluss haben natürlich auch die zentral
geführten Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst einen nicht
unwesentlichen Einfluss.
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