SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2008, Seite 15

Frankreich

Für eine neue antikapitalistische Partei

Aufruf der Ligue Communiste Révolutionnaire

Auf ihrem Kongress Ende Januar hat die Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR, französische Sektion der IV.Internationale) mit großer Mehrheit beschlossen, den Aufbau einer breiten antikapitalistischen Partei in Angriff zu nehmen. Sollte dies gelingen, würde dies die Auflösung der LCR als eigenständige Organisation bedeuten und weit über Frankreich hinaus Wellen schlagen. Wir dokumentieren den Aufruf „Für eine neue antikapitalistische Partei”, für den 81% der 313 Delegierten stimmten.
Am 6.Mai 2007 wurde durch das Scheitern der Regierungslinken das Feld der reaktionärsten Rechten überlassen, die von Sarkozy, dem Freund der Unternehmer und der Milliardäre, verkörpert wird. Der soziale Krieg, den sie führen, besteht in alltäglicher Gewalt und Repression. Er ist Bestandteil der kapitalistischen Globalisierung, die Arbeiterinnen und Arbeiter auf der ganzen Welt gegeneinander ausspielt, um sie besser auszubeuten. Die wahnsinnige Jagd der Herren der Welt nach dem Profit plündert und zerstört den Planeten und bedroht dadurch unser Überleben. Dieses System produziert regelmäßig Krisen, und es ist stets die Masse der Bevölkerung, die die Rechnung bezahlt. Zu den sozialen und ökologischen Kriegen kommen die imperialistischen Kriege noch hinzu.
Die Politik der Regierungslinken ist ohnmächtig, weil sie die Logik des Profits, der Konkurrenz und den Abbau des öffentlichen Dienstes akzeptiert. Bei seiner radikalen Offensive gegen die Mehrheit der Bevölkerung stützt sich Sarkozy auf den politischen Apparat, die Unternehmer und [den Unternehmerverband] Medef. Auf was stützen wir uns, um die Bedürfnisse der Bevölkerung angemessen politisch zum Ausdruck zu bringen? Welches Instrument haben wir, um die gesellschaftliche Mobilisierung zu erreichen, die in der Lage wäre, eine andere Verteilung des Reichtums durchzusetzen?
Wir müssen dringend die Initiative ergreifen. In den letzten Jahren haben wir Unzufriedenheit, Revolte, einen neuen Willen, Widerstand zu leisten, erlebt. Die Hoffnung kommt durch die großen Mobilisierungen, die Kämpfe der Lohnabhängigen, der Schülerinnen und Schüler, der Wohnviertel, der Menschen ohne Papiere, ohne Arbeit, ohne Obdach... Aber diese bleiben zu oft unfruchtbar, weil eine Gewerkschaftspolitik, die sich als Co-Management versteht, den Vorrang hat vor einer klassenkämpferischen und auf soziale Veränderung gerichteten Politik.
Es mangelt schmerzlich an einem Werkzeug, das hilft, die Kämpfe zu einer gemeinsamen Bewegung zusammenzuführen, die die Mächtigen zum Rückzug zwingt und das Kräfteverhältnis umkehrt. Die Hoffnung braucht auch die Vorstellungskraft, dass eine andere Welt möglich ist. Wir sind viele, die ein solches Werkzeug wollen: eine Partei, die für die Kämpfe von heute nützlich ist; eine Partei, die den radikalen, revolutionären Wandel der Gesellschaft vorbereitet, d.i. das Ende des Kapitalismus, des Privateigentums an den großen Produktionsmitteln, der Plünderung des Planeten und der Zerstörung der Natur.
Wir wollen eine Gesellschaft, die fähig ist, die sozialen Bedürfnisse zu befriedigen, frei von allen Formen der Ausbeutung und Unterdrückung von Klasse, Geschlecht, Alter, Herkunft. Eine Gesellschaft, in der die Demokratie nicht beim Wahlrecht aufhört und die allen Teilhabe ermöglicht.
Der Kongress der LCR wendet sich an alle, die sich — als Individuen, aktive Gruppen, politische Strömungen — in einem organisierten, aktiven, landesweiten und demokratischen politischen Rahmen zusammenschließen wollen, in einer Partei, die internationale Verbindungen mit Kräften knüpft, die auch eine solche Perspektive vertreten.
Wir wenden uns an die Frauen und Männer jeden Ursprungs, ob mit oder ohne Papiere, die der Meinung sind, dass ihr Leben mehr wert ist als der Profit; an die Jugend, die „Widerstand!” ruft gegen die Verunsicherung ihrer Existenz; an die Aktiven in Initiativen und Gewerkschaften, die sich tagtäglich in ihren Wohnvierteln und Betrieben zur Wehr setzen; an die sozialistischen, antiliberalen, kommunistischen, grünen Aktivisten, die keine falschen Kompromisse, ideologischen Kniefälle und Halbheiten akzeptieren; an die antikapitalistischen, revolutionären Aktivisten, an alle landesweiten und lokalen politischen Strömungen, die meinen, dass es an der Zeit ist, sich jenseits der alten Spaltungen zusammenzutun; und all jene, die bislang keine Partei gefunden haben, die ihnen so gut gefällt, dass sie sich engagieren.
Geben wir uns eine Partei, die sich den Erfahrungen der Kämpfe von gestern und heute stellt — der antirassistischen, feministischen, ökologischen, internationalistischen, Antiglobalisierungs- und Arbeiterbewegung. Eine Partei, die gegen die Ausbeutung, gegen jede Unterdrückung und Diskriminierung und für menschliche, individuelle und kollektive, Emanzipation kämpft. Bauen wir eine internationalistische Partei auf, die Nein sagt zur Ausplünderung der Länder des Südens und zur Kriegslogik Frankreichs, der Europäischen Union und der USA. Eine unabhängige Partei, die sich, anders als vor allem die Sozialistische Partei, weigert, dieses System mitzuverwalten. Eine Partei, die mit dem Kapitalismus und den Institutionen der herrschenden Klasse bricht. Eine demokratische Partei, deren Projekt der Bevölkerung erlaubt, ihren Kampf selbst in die Hand zu nehmen, damit sie morgen in der Lage ist, den Gang der Gesellschaft und der Wirtschaft zu bestimmen. Geben wir uns eine Partei, die den Sozialismus des 21.Jahrhunderts erfindet.
Mit diesem Aufruf wollen wir ohne zu zögern einen konstituierenden Prozess einleiten, der in die Gründung einer neuen antikapitalistischen Partei münden soll.
In den Betrieben, am Arbeits- und Studienplatz, in den Wohnvierteln, auf allen lokalen, regionalen, nationalen Ebenen ist jetzt die Stunde, sich gemeinsam in Initiativkomitees zu organisieren, um dieses kollektive Werkzeug aufzubauen. Diese Komitees müssen sich auf allen Ebenen zusammenschließen, in der Gemeinde, dem Département, nach Wirtschaftszweigen und landesweit. Zu ihren Aufgaben gehören politische Aktivitäten und Interventionen wie auch Diskussionen und Initiativen, die eine reale kollektive Dynamik schaffen sollen.
Ausgehend von ersten Erfahrungen werden lokale Foren und landesweite Versammlungen eine demokratische Funktionsweise ausarbeiten, die die Vielfalt der Meinungen und Sichtweisen respektiert, um Vorbereitungen für den Gründungskongress der neuen Partei einzuleiten.
Diese Partei wird allen gehören, die sich in ihr engagieren. Das sind jetzt jene, die „Partei ergreifen” wollen, um gemeinsam zu entscheiden und aufzubauen!

(Übersetzung: Hans-Günter Mull; weitere Informationen unter )






Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang