SoZ - Sozialistische Zeitung |
Europa hat einen zukünftigen neuen Mitgliedstaat,
der nicht von der ganzen EU anerkannt wird.
Am besten brachte es
die gute alte BBC auf den Punkt: To recognise or not to recognise? (Anerkennen oder
nicht anerkennen?) gepaart mit dem spitzen Hinweis, dass die USA, die ja selbst im
Jahr 1776 unilateral ihre Unabhängigkeit erklärten, „lead the
way”, also zeigen, wo es lang geht.
Eine Weile wurde schon
spekuliert, wann es denn so weit sein würde; am Sonntag, 17.Februar war es dann
so weit. In einer knapp einstündigen Zeremonie deklarierte Hashim Thaci, nunmehr
Premierminister, die Existenz eines neuen, friedliebenden, multikulturellen Staates
Kosova, wie er in der Landessprache heißt. Besonders bemüht war er zu
betonen, dass Kosova ein Sonderfall ist und ein ganz besonders multikulturelles Land.
Nahezu postwendend kam
die Antwort aus Belgrad, dass diese Deklaration null und nichtig ist und von Serbien
nicht anerkannt wird. Gleichzeitig betonten sie, dass sie nicht mit Gewalt, sondern
mit einem Paket von Sanktionen reagieren werden. Zu diesem Zeitpunkt und auch schon
davor, wurde auf den Straßen Pristinas gefeiert. Da die neuen staatlichen Symbole
nicht rechtzeitig zur Unabhängigkeit fertig geworden sind, begnügt man sich
bislang mit der albanischen Fahne, ein schwarzer Doppeladler auf rotem Grund.
Vereinzelt war diese Fahne sonntags auch in Deutschland zu sehen, als Exilkosovaren
ihren neuen Staat feierten.
Die erste offizielle
Anerkennung kam dann aus weiter Ferne, aus Afghanistan. Kurze Zeit später folgten
die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, nach ihnen die Mehrzahl der EU-
Mitglieder, der letzte Stand war rund 17 Mitgliedstaaten dafür, der Rest dagegen.
Der Rest ist u.a. Rumänien, Griechenland, Spanien und Zypern. Spanien sprach sich
wohl am vehementesten dagegen aus. Sogar die Türkei ist unter den
Befürwortern. Wie zu erwarten sprach sich Russland vehement dagegen aus, brachte
aber in einem Atemzug auch die beiden georgischen Regionen Südossetien und
Abchasien ins Spiel, die beiden Regionen Georgiens, die zurück nach Russland
wollen. Die Bereitschaft, Kosova anzuerkennen, scheint weniger mit den Gegebenheiten
am Balkan abgestimmt zu sein, als mit der jeweiligen Innenpolitik.
Das Kosovo war eine autonome Region der Föderation von Jugoslawien, eine, die
die Serben stets als ihr „Herzland” bezeichneten, nicht zuletzt wegen der
für die Serben mythischen Schlacht auf dem Amselfeld (in der Gegend des heutigen
Pristina) gegen die Osmanen. Der genaue Ausgang der Schlacht ist unbekannt. Die 600-
Jahr-Feier dieser Schlacht 1989 markiert den Anfang des Zerfalls Jugoslawiens. In
diesem Jahr hob Milosevic die Autonomie der Region auf. Seither blieb kein Stein auf
dem anderen in der ehemaligen jugoslawischen Föderation. Die Kämpfe der 90er
Jahre fanden ihr Ende im Eingreifen der NATO-Truppen 1999. Viele Serben flohen aus
Angst vor Racheakten, eine UN-Resolution beendete den Krieg und verfügte, dass
Kosova noch Teil von Jugoslawien ist, das nunmehr nur mehr aus Serbien bestand.
Seither gab es eine stete Präsenz von NATO-Truppen.
Schon seit etwa einem
Jahr existiert ein Plan der UNO, in dem u.a. eine Denzentralisierung vorgesehen wird,
d.h. es sollten neue Verwaltungseinheiten mit mehrheitlich serbischer Bevölkerung
geschaffen werden. Diese sollten weitgehend selbstverwaltet sein und direkte
Verbindung zu Serbien haben. In der Zentralregierung sollte es eine Quotenregelung
für die Minderheiten geben, Kosova sollte multiethnisch werden. Als die
Verhandlungen des UN-Vertreters Ahtisaari mit den Kosovaren und Serben auf der Basis
dieses Plans zu keinerlei Resultaten führten und die UNO sich zu keiner neuen
Deklaration zum Status von Kosova durchringen konnte, war es klar, dass eine
unilaterale Unabhängigkeitserklärung imminent ist.
Bis dato gibt es nur wenige Dinge, die sich voraussagen lassen. Wie hoch die
Anerkennungsquote sein wird ist vermutlich wesentlich weniger wichtig als andere
Faktoren. Derzeit sind rund die Hälfte der Bewohner arbeitslos. Das
Durchschnittseinkommen beträgt etwa 220 Euro. Noch sind 17000 NATO-Truppen im
Land, darunter 2400 Deutsche. Auch wenn sich die EU uneinig ist, ob Kosova nun ein
Staat ist oder nicht, hat sie doch einen Operationsplan beschlossen,
„Eulex” 2200 Personen, unter ihnen Polizisten, Gefängnisaufseher,
Richter, Zollbeamter sollen Aufbauhilfe leisten. Dass noch viel zu tun ist, war nach
den Feierlichkeiten besonders sichtbar. Überall lag Müll herum, die
Müllentsorgung ist einer der Bereiche neben der Stromversorgung die
noch gar nicht gut funktionieren. Die Jahre der UN-Verwaltung haben wohl am ehesten
das organisierte Verbrechen und die Korruption erblühen lassen.
Unabhängigkeit hin oder her, alles nicht so wichtig. Der französische Außenminister Bernard Kouchner sieht frohgemut in die Zukunft: „Ich weiß zwar nicht an welchem Datum, in welchem Jahr, Kosova und Serbien werden irgendwann beide Mitglieder der EU werden.” Bleibt nur zu hoffen, dass das gleichzeitig passiert, denn sonst könnte ja der eine gegen die Mitgliedschaft des anderen ein Veto einlegen. Doch zunächst bleibt zu hoffen, dass keine nennenswerte Gewalt ausbricht kleinere Zwischenfälle gab es bereits.
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