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SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2008, Seite 16

Gewaltfantasien und Heuchelei

Israels Ministerpräsident Olmert auf Deutschlandreise

von Harald Etzbach

Der Besuch im Berliner Jüdischen Museum war unter Public-relations-Gesichtspunkten ein kluger Schachzug. So konnte Ehud Olmert im Kreuzberger Libeskindbau vor den Bildern aus dem Konzentrationslager Bergen- Belsen medienwirksam sein angebliches Mitgefühl für die Menschen in Sderot, Kiryat Shmona und in Jerusalem demonstrieren, die unter den Raketenangriffen der Hamas leiden.
Kurz zuvor hatte sich Olmert jedoch noch öffentlich seinen Gewaltfantasien gegenüber den Palästinensern im belagerten Gaza hingegeben. Bei der „gezielten Liquidierung” führender Palästinenser müsse „methodisch und organisiert” vorgegangen werden, erklärte er.
Ähnliches war auch von anderen Vertretern der israelischen Regierung zu hören. Israels Innenminister Meir Shitrit forderte, ein Teil Gazas solle „von der Landkarte getilgt” werden. Die Einwohner sollten zuvor zum Verlassen ihrer Häuser aufgefordert werden, und dann „sollten wir alles in dieser Gegend zerstören” Der stellvertretende Ministerpräsident Haim Ramon sprach sich alternativ dazu für eine vollständige Einstellung der Stromlieferungen in den Gazastreifen aus.
Dabei ist die Lage der Menschen dort bereits jetzt „grauenvoll und elend”, wie UNO-Nothilfekoordinator John Holmes bei einem Besuch in Gaza kurz nach Olmerts Deutschlandtrip erklärte. 80% der Bevölkerung seien auf Lebensmittelhilfe durch internationale Organisationen angewiesen. Und nur 10% der Waren, die vor einem Jahr nach Gaza kamen, dürften heute noch eingeführt werden.
All dies war für Kanzlerin Merkel kein Anlass für Kritik an Olmert. Stattdessen gab es nur ein paar allgemeine Phrasen über die Unterstützung des Nahostfriedensprozesses durch Deutschland und die EU sowie Andeutungen über eine deutsche Vermittlerrolle im Konflikt mit dem Iran. Hier taktiert die Bundesregierung mit Vorsicht, um deutsche Wirtschaftsinteressen nicht zu gefährden. Schließlich war der Energiekonzern RWE gerade Anfang Februar einem Konsortium beigetreten, das künftig iranisches Gas in die EU transportieren will.
Klar geworden ist nach Olmerts Deutschlandreise wieder einmal, dass die gegenwärtige israelische Regierung niemandem etwas zu bieten hat, weder den Palästinensern noch der eigenen Bevölkerung. Daran ändert auch die heuchlerische Funktionalisierung der Ermordeten von Bergen-Belsen nichts. Es ist die brutale Belagerungs- und Aushungerungspolitik Israels, die die Gewalt in Gaza hervorruft.
Man muss die Hamas nicht sympathisch finden. Ihre Aktionen gegen die israelische Zivilbevölkerung sind zu verurteilen. Trotzdem führt für Israel kein Weg daran vorbei, sich mit Hamas-Vertretern an einen Tisch zu setzen und offen und ehrlich zu verhandeln. Dies wäre ein Ausdruck wirklichen Mitgefühls für die Bewohner von Sderot und anderen israelischen Dörfern und Städten, die genau wie ihre palästinensischen Nachbarn zunehmend zu Opfern einer immer unkontrollierbareren Logik der Gewalt werden.


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