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Korruptionsprozesse, an denen Personen aus
dem Topmanagement oder dem politischen Herrschaftspersonal beteiligt sind, beginnen zumeist mit einem
moralisch aufgeladenen Trommelwirbel. Der befriedigt Skandalbedürfnisse und vermittelt das
Gefühl, hier würden die Tatverdächtigen ohne Ansehen der Person gerichtlich zur
Verantwortung gezogen. Das Theater endet zumeist mit Nebelkerzen. Die Prominenz rettet sich mit Deals oder
flüchtet in die Verjährung. Ab und zu sind Bauernopfer erforderlich.
So war oder ist das auch beim VW-Prozess.
In Erinnerung bleiben die Lustreisen des Betriebsrats und die Demontage eines Personalmanagers, der es vom
Facharbeiter zum Namensgeber einer Sozialstaatsdemontage und in die VIP-Lounge gebracht hat. Das
korrumpierende Unternehmen hat sich prima aus der Affäre gezogen. Piëch, dem man nachsagt, es
gäbe im Konzern fast nichts, über das er nicht informiert ist, gab die Alzheimernummer. Hartz als
Herr über das Konto „1860 und diverses” bekam mildernde Umstände, weil er der
Staatsanwaltschaft wichtige Akten anvertraute. Unerwartet hart traf es nur den Betriebsratsvorsitzenden
Folkert, dessen jäher Sturz aus der Managementliga in die JVA auch eine kleine Demonstration
dafür ist, dass das alte VW-Modell eine Neujustierung erfährt. Juristisch ging es in diesem
Prozess vor allem um Untreue, also um den Missbrauch der eigenen Stellung zuungunsten des Unternehmens.
Doch das stellt die Sache auf den Kopf.
Das Geld, das die VW-AG in den
Betriebsratsvorsitzenden investiert hat, war gut angelegt. Die 2,63 Millionen Euro, die Folkert außer
der Reihe bezog, verfolgten den Zweck, den Betriebsrat in die Konzernstrategie einzubinden und
Entscheidungen durchzusetzen, die seine Mitwirkung erforderten. Allein im Jahr 2002 kassierte Volkert neben
einem Gehalt in Höhe von 152893 Euro weitere 250000 Euro Bonus, 290000 Euro Sonderbonus sowie
Vertrauensspesen in sechsstelliger Höhe.
Einkommen in dieser Höhe sieht das
Betriebsverfassungsgesetz nicht vor. Volkert forderte, wie ein Markenvorstand bezahlt zu werden. Er wusste,
was er wert war, wenn er dafür sorgte, dass die atmende Fabrik keine Atemnot bekam. Der Konzern wusste
es auch und zahlte. Honoriert wurde nicht nur seine Mitwirkung an der vertraglichen Anpassung von
Sozialstandards nach unten, sondern auch die Bearbeitung der Belegschaft im Geist der Konkurrenz und der
Unterordnung unter Marktzwänge. Noch vor kurzem warb Volkert-Nachfolger Bernd Osterloh in der
Belegschaft für „notwendige Veränderungsprozesse”, da sich der Konzern „im
globalen Krieg der Autobauer” befände.
Ein Blick auf die Konzernbilanz zeigt die
Absurdität des Untreuevorwurfs. Er erzürnt auch die Angeklagten. Die Süddeutsche Zeitung
schreibt: „Peter Hartz beschreibt den Umgang zwischen Betriebsrat und Konzernleitung exakt so, wie
die linksradikale Kritik die Mitbestimmung immer beschrieben hat: Für Hartz sind Betriebsräte und
die Gewerkschafter in den Betrieben die unverzichtbaren Transmissionsriemen zwischen Werksleitung und
Belegschaft. Hartz wird nicht müde klarzumachen, dass ohne die Mobilisierung der gewählten
Arbeitnehmervertreter Geschäftsleitungen in großen Unternehmen keine Chance haben, ihre
Pläne umzusetzen. Hartz ist somit ein energischer Befürworter der Mitbestimmung."
Deshalb fragt auch die FAZ: „Ist es
wirklich strafbare Untreue, wenn der Vorstand einer Aktiengesellschaft seine Belegschaftsvertreter
korrumpiert und durch solche Klimapflege beispielsweise Arbeitsniederlegungen entgegenwirkt?
Oder ist dies nicht lediglich ein Verstoß gegen das Begünstigungsverbot für
Mandatsträger im Betriebsverfassungsgesetz und damit ein Spezialdelikt, das mit einem deutlich
niedrigeren Strafmaß geahndet wird?"
Den neoliberalen Wirtschaftseliten aber
sind Unternehmen, in denen Gewerkschaften oder Regierungen noch über rechtliche Mittel verfügen,
die Freiheit des Eigentümers zu begrenzen, nur schwer erträglich. Das zeigt die
Auseinandersetzung um das VW-Gesetz. Ermutigt durch das EU-Urteil, das eine Sperrminorität des Landes
Niedersachsen am Aktienbesitz für unvereinbar mit der neoliberalen Lehre erklärt, möchten
die neuen Herren aus dem Hause Porsche die Gelegenheit nutzen, um Volkswagen zu „einem ganz normalen
Unternehmen” zu machen.
Nichts soll mehr daran erinnern, dass der
Volkswagenkonzern einmal ein Staatsunternehmen war, weil er unter außergewöhnlichen
Umständen geboren wurde. Das Grundkapital kam nicht von der Börse oder vermögenden Familien,
sondern stammte aus dem von den Nazis enteigneten Gewerkschaftsvermögen, geplünderten
Sparbüchern und der fast kostenlosen Arbeit von Tausenden Zwangsarbeitern.
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