SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2008, Seite 06

GDL-Abschluss — eine Nachbetrachtung

Das Fahrpersonal wurde geopfert

von Uwe Krug

Der Tarifvertrag ist unterschrieben, aber mit dem „Blut” der Zugbegleiter, der Rangierlokführer und der Lokrangierführer. So positiv die gewonnene Eigenständigkeit für die GDL ist, so traurig ist der Preis dafür.
In den letzten Stunden vor dem angedrohten unbefristeten Streik wurden viel schwerwiegendere Kompromisse gemacht als in dem ganzen Arbeitskampf davor. Es wird als Erfolg verkauft, dass eine Gewerkschaft das Recht zugesprochen bekommen hat, Arbeitnehmer in einem Unternehmen zu vertreten. Die Lokführer von DB Service (Tochterunternehmen von DB Zeitarbeit) können sich freuen, dass sie zukünftig von einer Gewerkschaft vertreten werden. Doch in den „Genuss” des Lokführertarifvertrags (LfTV) kommen sie nicht.
Die persönliche Zusage des (noch) GDL- Vorsitzenden, dass in den nächsten Tarifverhandlungen wieder um die Zugbegleiter gekämpft wird, war leider nur eine Seifenblase. Ebenso die Aussage vom zukünftigen GDL-Vorsitzenden, die Zugbegleiter noch stärker zu umwerben. Dass die GDL in den Kompromissverhandlungen selber auf die Vertretung anderer Berufsbereiche bis 2014 verzichtet hat, zeugt von keinem großen Interesse an den Zugbegleitern. Nicht dass diese Fahrpersonale schon einmal im Arbeitskampf geopfert wurden, nein sie wurden ein zweites Mal geopfert. Bis 2014 wird kein Zugbegleiter auf die Interessenvertretung durch die GDL warten. Dieser Kuhhandel mit der GDL wird sich nicht wiederholen.
Dank des Einsatzes der Transnet am letzten Verhandlungswochenende bekommen alle Lokführer einen Lohnzuwachs von 1600 Euro bis zum 31.1.09 zugesichert. Diese Regelung wurde aus dem Tarifvertrag der Tarifgemeinschaft 1:1 übernommen. Diese Kollegen werden sich keine Gedanken darüber machen, dass es keine einzige Verbesserung der Arbeitsbedingungen geben wird. Alles bleibt beim Alten. Allein die für Februar 2009 zugesagte Senkung der Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche lässt etwas Positives erkennen. Tatsächlich arbeiten sehr viele Lokführer über 50 Stunden in der Woche.
Es bleibt nur ein Fazit übrig: Die Stärke der GDL liegt in der geschickten Lenkung der Mitglieder. Alle Fahrpersonale haben eine deutliche Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen gefordert, viele Fahrpersonale wurden damit gelockt. Sehr viele Fahrpersonale sind auf diesen Geisterzug aufgesprungen und haben geschlossen für ihre Interessen gekämpft. Die Eigenständigkeit war für fast alle genauso wichtig wie Verbesserungen im Arbeitsalltag.
Nun bleiben viele Fahrpersonale außen vor und die verbliebenen Lokführer können sich bei der Transnet bedanken, dass sie wenigstens einen Lohnzuwachs von 1600 Euro bis zum Januar 2009 garantiert bekommen, wenn es schon keine verbesserten Arbeitsbedingungen geben wird.
Die Eigenständigkeit steht nur auf dem Papier — das war für die GDL-Spitzen entscheidend. Fakt ist, in den nächsten Tarifrunden darf die GDL Forderungen aufstellen, wenn die konzerneigene Gewerkschaft Transnet dem zustimmt. Die GDL darf für diese gemeinsam mit Transnet aufgestellten Forderungen auch kämpfen. Bevor sie jedoch einen Tarifvertrag abschließen kann, braucht sie wieder die Unterschriften von Transnet und GDBA.
Für diesen Kompromiss haben die Fahrpersonale nicht gekämpft, gelitten und geblutet!

Uwe Krug ist Lokführer und Mitglied der GDL. (Aus: www.labournet.de.)


Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang