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#34;Jede Volksmusik ist schön, aber von der jüdischen muss ich
sagen, sie ist einzigartig! Sie ist so facettenreich, kann fröhlich erscheinen und in Wirklichkeit
tief tragisch sein. Fast immer ist es ein Lachen durch Tränen” (Dmitri Schostakowitsch).
Aus Kiel kommen Di Chuzpenics, die mit
ihrer Musik dieser Anmerkung von Schostakowitsch alle Ehre machen. Sie spielen Klezmer. Diese musikalische
Nische zwischen Jazz und Folkmusik erfreut immer wieder durch eine Verbindung traditioneller und moderner
Einflüsse. Landläufig wird Klezmer als die Musik der ost- und mitteleuropäischen Juden
verstanden. Die Wurzeln dieser Tanzmusik liegen in der jüdischen Liturgie und der Volksmusik der
Ashkenazim im Rheinland des ausgehenden Mittelalters. Damals musizierten jüdische Wandermusiker
(Letsonim) bei jüdischen wie auch bei nichtjüdischen Festen. Sie spielten aber auch in Kneipen,
und dort alles, was die Gäste hören wollten. Darin ist vielleicht die Offenheit der Musik
begründet. Die jüdischen Spielleute traten sowohl als Hofmusiker bei christlichen und
moslemischen Fürsten auf, wie sie auch immer wieder vor allem im Rheinland Ziel antijüdischer
Übergriffe wurden. Das war auch der Grund, warum viele in das damals tolerantere Polen auswanderten.
Gesungen wurde auf Jiddisch. Als diese
Sprache im Zuge der Aufklärung gegen Ende des 18.Jahrhunderts in Westeuropa ihre Bedeutung verlor, zog
sich mit der Sprache die Musik, die nun Klezmermusik genannt wurde, nach Mittel und Osteuropa zurück.
Aber mit der Auswanderung vieler Ashkenazim nach Amerika verbreitete sich diese Musik auch in Nord- und
Südamerika. Vor allem in New York veränderte sich die Musik. Die Tanzfeste bis zum Morgen waren
in den beengten Wohnräumen der Metropole nicht mehr möglich. Mit der aufkommenden
Schallplattenindustrie kam die Idee des einzelnen Stücks auf. Währenddessen vernichtete der
deutsche Faschismus auch das osteuropäische Judentum, zerstörte dessen Lebenswelt und Kultur und
tat alles, um auch dessen Spuren aus der Landschaft und dem kollektiven Gedächtnis zu tilgen. Was an
jüdischem Leben in den Großstädten und an kultureller Vielfalt in Mittel- und Osteuropa bis
dahin gelebt hatte, war nach Kriegsende vernichtet.
Aus den USA kam in den 80er Jahren der
Klezmer wieder zurück nach Deutschland. Seit Zehn Jahren gibt es Di Chuzpenics in Kiel. Klezmer, das
ist bei ihnen genau die Mischung von Liebe, Armut und so manchem Tunichtgut. Tänze voll schwelgender
Wehmut und schelmischem Übermut, die auf die lange Tradition dieser Musik zurückblicken. Glik
heißt die neue CD der fünf Nordlichter, nach einem Lied des US-amerikanischen Komponisten
Alexander Olshanetsky mit dem Text von Bella Meisell, das selbstredend auf der CD zu finden ist.
Christine von Bülow an der Oboe, Jule
Schwarz an der Geige, Martin Quetsche am Akkordeon, Kay Krügel am Kontrabass und der Sologesang von
Martin W. Luth ergänzen sich zu einem Ganzen, das, auch wenn die 19 Stücke auf dem Longplayer
verklungen sind, nach mehr verlangt. Traditionelle Lieder wechseln mit Eigenkompositionen. Tanzbare jazzige
Klänge wechseln sich ab mit Balladen, und die CD ist im Grunde wieder als Ganzes jenseits des
Liedformats zu hören. Also vergesst die Single-Mentalität, hier gibt es eine gute Stunde Musik,
die den Alltag behandelt, ihn vergessen macht und eben Freude und Trauer mit einem wunderbaren Humor
verbindet, der nichts von den Flachwitzen hat, die wir uns täglich anhören müssen.
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