SoZ - Sozialistische Zeitung |
In letzter Zeit nimmt die Zusammenarbeit von Polizei und Neo-Nazis zu. Die
Anti-Antifa bedient sich aus polizeiliche Ermittlungsakten.
Dass polizeiliches Agieren in der
Auseinandersetzung zwischen Antifaschisten und Naziszene vor allem den Nazis in die Hände spielt, ist
seit langem bekannt. Die nunmehr aufgeflogene Zusammenarbeit von Polizei und militanten Neonazis bei der
Verfolgung von Antifa-Aktiven stellt jedoch eine neue Qualität dar und überrascht in ihrer
Direktheit.
Die Anti-Antifa-Aktivitäten der
Neonaziszene wurden offenkundig von einigen Landeskriminalämtern (LKA) unterstützt. Dies geschah
in Dresden und Berlin. Hier gehört es zur Taktik der Anti-Antifa, Antifas mit Anzeigen zu
überziehen und sich dann die polizeilichen Ermittlungsunterlagen zusenden zu lassen.
In einem Büro der Dresdener Anti-
Antifa fanden sich reihenweise Ordner mit Kopien polizeilicher Ermittlungsakten mit den
entsprechenden persönlichen Daten der Angeklagten.
Dass die Neonazis diese Informationen zum
Aufbauen bzw. Aufrechterhalten einer Drohkulisse nutzen, und dass ihre politischen Gegner durch die
Schützenhilfe der Polizei unmittelbar in ihrem Leben und ihrer Gesundheit bedroht sind, scheint die
LKAs nicht weiter zu kümmern. Ebensowenig kümmern sie die Gegenstände der
Ermittlungsverfahren: oftmals unhaltbare Anschuldigungen und Bagatelldelikte.
In Berlin weitete das LKA diese Praxis
sogar noch aus. Es übersandte Rechtsextremen Fotos und Namen von Antifas und forderte sie auf, gegen
die bezeichneten Personen Anzeige zu erstatten, damit man Ermittlungen aufnehmen könne. Staatliches
Repressionsinteresse gegen Antifas und Anti-Antifa-Aktivitäten militanter Neonazis gingen also Hand in
Hand.
Vor dem Hintergrund von Sozialabbau und
aufkommenden sozialen Bewegungen verstärkte sich während der letzten Jahre die staatliche
Repression der Antifas. Im Bereich des antifaschistischen Engagements kommen linksradikale Kräfte und
„normale Bürger” zusammen. Antifaschismus ist in letzter Konsequenz stets
antikapitalistisch. Aus diesen beiden Faktoren erwächst sein revolutionäres Potenzial.
Die Antifa-Szene mit ihren losen
Zusammenschlüssen ist für den Staat jedoch schwer zu greifen. Durch polizeiliche Ermittlungen
können Strukturen ausspioniert werden, man kann sich ein „aktuelles Lagebild” erstellen.
Die Betroffenen werden eingeschüchtert und gezwungen, ihr politisches Engagement zumindest zeitweise
einzuschränken. Die Anzeigenpraxis der Anti-Antifa kommt den Polizeibehörden daher sehr gelegen.
Wie gering das staatliche Verfolgungsinteresse im umgekehrten Fall ist, wird an einem Beispiel aus
Berlin deutlich. Auf Aufklebern drohten Neonazis abgebildeten Jugendantifas mit der Anwendung
körperlicher Gewalt. Ein betroffenes Mädchen wollte daraufhin Anzeige erstatten. Der
diensthabende Polizist weigerte sich, die Anzeige aufzunehmen. Nach Einschaltung einer NGO und des LKAs kam
er schließlich seiner Verpflichtung nach, allerdings beschuldigte er das Mädchen nun, es habe die
Drohung vermutlich selbst zu verantworten. Obwohl die Jugendliche darum bat, anonym zu bleiben und
kooperativ war, suchten sie Polizeibeamte in ihrer Schule auf und führten dort in der großen
Pause eine Vernehmung durch.
Wenngleich es falsch ist, der Mehrheit der
Exekutive rechtsextreme Einstellungen vorzuwerfen, kann man jedoch konstatieren, dass viele Rechtsextreme
eine große Affinität zu Uniformen und staatlichen Sicherheitsbehörden hegen. Daraus
resultieren personelle Überschneidungen: immer wieder sprachen Dresdener Anti-Antifa-Aktivisten von
„unserem Mann beim LKA”, in Berlin wurde eine ganze Einheit der Bundespolizei wegen der
Zugehörigkeit ihrer Beamten zur rechten Szene entlassen. Auch auf informellem Wege dürften
folglich Informationen und Vorurteile ausgetauscht werden.
Dies bedeutet freilich nicht, dass der
Staat kein Interesse an der Repression von Nazistrukturen hätte. Noch bedarf es des Faschismus nicht,
um den Kapitalismus am Leben zu erhalten. Die Polizei agiert also im Spannungsverhältnis zwischen dem
Schutz der bürgerlichen Demokratie vor rechtsradikalen Bestrebungen und der Duldung neofaschistischer
Umtriebe mit Blick auf zukünftige „Notwendigkeiten” Die Widersprüche verlaufen quer
durch die Behörden. Als der Vorsitzende des LKA Sachsen-Anhalt seine Beamten anwies, einmal mehr an
der Statistik zu rechtsextremen Gewaltdelikten zu drehen, langte es drei Polizisten, sie spielten die
Dienstanweisung der bürgerlichen Presse zu.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |