SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2008, Seite 05

Norbert Hansens Zug nach oben

Arbeitsdirektor ist nicht gleich Arbeitsdirektor

von JOCHEN GESTER

Norbert Hansen hat einen neuen Job. Er wird Arbeitsdirektor bei der Bahn AG. Der Job wurde extra für ihn geschaffen. Er wird in Zukunft etwa das Zehnfache dessen verdienen, was er als Transnet-Vorsitzender nach Hause tragen konnte.
Hansens „Verbesserung” hat hohe Wellen geschlagen, viele nehmen dran Anstoß. Was ist das Besondere an seinem Jobwechsel? Der Wechsel aus einer gewerkschaftlichen Führungsposition in einen Unternehmensvorstand kann es nicht sein. Solche Karrieren gibt es in allen Branchen, auch schon bei der Bahn. 1991 wurde der damalige Chef der GDBA, Klaus- Dieter Hommel, Personalvorstand. Davor hatten sich führende Mitglieder der GdED in diesem Sinne verändert.
Unisono gibt es so gut wie keine Stellungnahme aus Medien und Verbänden, die nicht betonte, Hansens Schritt sei nichts Anrüchiges. Trotzdem ist in denselben Artikeln oft die Rede vom besonderen „Gschmäckle” des Vorgangs, wenn nicht gar von „Verrat” die Rede ist. Dies ist richtig und falsch zugleich. Denn es darum, dass der Transnet-Vorsitzende beim Prozess der Bahnprivatisierung eine Schlüsselrolle spielte. Bereits vor der Entscheidung des Bundestags über den Börsengang war er behilflich beim sog. „sozialverträglichen” Personalabbau, massiver Reallohnsenkung und Arbeitsverdichtung, um die Attraktivität des neuen Börsenkandidaten zu erhöhen. Und er hat es geschafft, diese Politik durch die Gremien von Transnet zu bringen. Diese eint die Hoffnung, als Kerntruppe eines globalen Logistikkonzerns zu überleben — in dieser Politik unterscheidet sie sich kaum vom gewerkschaftlichen Mainstream, z.B. in der Autoindustrie.
Hansens „Verdienst” war es, die Gefahren, die ein einheitlicher gewerkschaftlicher Widerstand gegen die Bahnprivatisierung bedeutet hätte, zu bannen. Zuletzt hat er als Mitglied der SPD-Verkehrskommission die Gegner der Bahnprivatisierung ausgetrickst. Er hat die dort festgelegte Vereinbarung, die Obergrenze der Privatisierung von 24,9% durch einen Tarifvertrag abzusichern, einfach ignoriert. In einer Situation, in der Befürworter der Bahnprivatisierung mit der Lupe zu suchen sind, diente Beck die offizielle Zustimmung der Transnet zum Börsengang als Alibi.
Beck und der damalige SPD-Minister Müller sollen zusammen mit Mehdorn den Jobwechsel eingefädelt haben. Er steht also nicht im Zeichen des Bruchs sondern der Kontinuität, weshalb der Vorwurf des Verrats diesbezüglich wenig überzeugend ist. Und doch haben die vielen Bezirksverbände und Ausschüsse der Transnet, die sich hier empören, recht. Ihre Reaktionen bringen zum Ausdruck, dass sich der Inhalt der sog. „Mitbestimmungskultur”, in der dieses Pendeln über die Klassenfronten hinweg irgendwie normal war, sozusagen als Krönung der Kultur der Sozialpartnerschaft, verändert hat. Arbeitsdirektoren im Zeitalter des Neoliberalismus sind eingebunden in massive Angriffe auf die Belegschaft. Und sie sind dann besonders wertvoll, wenn sie wissen, wo die Schwächen der Gegenseite liegen.
Hansen hat durch seine Ankündigung, es werde auch in Zukunft Rationalisierungen geben, und den lobenden Verweis auf die Praxis von Regionalbahnen, die den Tarif unterlaufen, klargestellt: Ich habe verstanden. Nicht ganz verstanden scheint er nur zu haben, dass nicht er, sondern der Bahnchef die Hosen anhat. Letzterer hat den Neueinsteiger auch schon mal als Pudel bezeichnet. Für die Förderung solche Tiernummern sollten wirklich keine Mitgliedsbeträge verschwendet werden.


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