SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2008, Seite 08

Nur recht und billig?

Wissenswertes aus der Welt von Lidl, Aldi, Schlecker & Co

von JOCHEN GESTER

Der Marktanteil der Discounter am Einzelhandel hat sich in Europa den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Die Zahl der Filialen stieg von 20000 auf 30000. Ihr Marktanteil in Deutschland liegt über 40%. Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens ACNielsen sind sie der einzige Geschäftstyp, der dauerhaft Umsatzzuwächse erzielt.
Das Geheimnis ihres Erfolgs liegt jedoch nicht in der Einzigartigkeit der Qualität ihrer Produkte, sondern in ihrem Preis. Und den zahlen nicht nur die Kunden, sondern erst einmal die Beschäftigten, die in einer weltweiten Wertschöpfungskette diese Produkte herstellen, und die Beschäftigten in den Filialen der Einzelhandelsketten, die sie verkaufen. Sie zahlen ihn mit Löhnen, die oft nicht zum Leben reichen, mit flexibilisierten Arbeitsverträgen, mit einem gesundheitsgefährdenden Arbeitsdruck und mit Einschüchterungen, die ihnen möglichst jeden Versuch der Gegenwehr austreiben sollen.
Zu einer gewissen Bekanntheit hat es vor allem der Lidl-Konzern gebracht, der mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Bildung von Betriebsräten unterdrückt und dabei ein stasiähnliches Bespitzelungssystem entwickelt hat. Doch ist dies nur die Spitze des berühmten Eisbergs. Dessen wichtigste Konturen sichtbar zu machen ist das Verdienst einer Reihe von Publikationen, die in den letzten Jahren von NGOs und Gewerkschaften erstellt worden sind.
Von Südwind gibt es eine Broschüre, die sich mit den Arbeitsbedingungen von Aldi-Zulieferern in China und Indonesien befasst. Dokumentiert wird ein massiver Verstoß gegen Menschenrechte und ILO-Normen. Im Schlussteil wird ein Konzept für eine „Globale soziale Rechenschaftspflicht” von Unternehmen entwickelt, das Verbrauchern und Gewerkschaftern nutzen können, um den Konzern zur Beendigung dieser menschenunwürdigen Praxis zu zwingen.
In der Nachfolge des „Lidl- Schwarzbuchs” hat Ver.di das Schwarz-Buch Lidl Europa herausgegeben. Es folgt dem Konzern, der heute mit 6000 Filialen in 24 europäischen Ländern vertreten ist und dort mittlerweile 50% des Umsatzes macht. Das Heft enthält Interviews mit Verkäuferinnen und Erfahrungsberichte von Gewerkschaftern. Gerade die grenzüberschreitende Kooperation der beteiligten Gewerkschafter ist ein wichtiger Schritt, um voneinander zu lernen und gewerkschaftliche Antworten auf europäischer Ebene zu finden.
Eine weitere Publikation beschäftigt sich mit dem Drogeriediscounter Schlecker. Sarah Bormann gelingt, es das perfide System der Mehrwertsteigerung im „größten Drogerieunternehmen der Welt” vorzustellen. Die persönlich haftende Familie hat sich ein Imperium mit 50000 Beschäftigten aufgebaut, dessen rasante Entwicklung — so die Autorin — „nicht zuletzt durch eine Personal- und Beschäftigungspolitik ermöglicht wurde, die bewusst gesetzliche Bestimmungen und tarifliche Standards verletzte, die Würde der Mitarbeiterinnen ignorierte und gezielt auf eine Schwächung und Behinderung der Interessenvertretung der Beschäftigten aus war”
Schließlich sei noch die Broschüre erwähnt, die gemeinsam von Inkota, Netz Bangladesh, Terre des Femmes und der Ver.di-Bundesverwaltung erstellt wurde. Die Studie untersucht u.a. Arbeitsrechtsverletzungen bei den Lieferanten von Lidl und Kik in Bangladesh, argumentiert für die Einführung verbindlicher, staatlich gesicherter Sozialstandards und fordert von der EU konkrete Schritte für ein „verbindliches Rahmenwerk für unternehmerische Verantwortlichkeit”
Einen anderen Ansatz zur gewerkschaftlichen Vernetzung von unten verfolgt das Projekt ExChains des Bildungswerks TIE. Es zielt darauf ab, Verbindungen zwischen Arbeiterinnen im Einzelhandel und in der Textil- und Bekleidungsindustrie aus Europa und Asien herzustellen, die entlang der globalen Zulieferkette arbeiten. Weitere Infos dazu erhält man unter www.labournet.de/branchen .


Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang