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Die Geschäftsleitung des Berliner Werks von Visteon, eine 100%ige
Fordtochter mit weltweit 43000 Beschäftigten in 24 Ländern, hat der Belegschaft erklärt, dass
300 Mitarbeiter, etwa die Hälfte der Beschäftigten, zu viel an Bord sind. Obwohl mit der
Ausgründung des ehemaligen Fordwerks das Gehaltsniveau gedrückt wurde, ist es Ford angesichts der
neuen lockenden Niedriglohnstandorte vor der Haustür immer noch zu hoch. Die Berliner Standortleitung
hat deshalb in stiller Diplomatie versucht, Belegschaftsabbau und unbezahlte Mehrarbeit (39,5 Stundenwoche
ohne Lohnausgleich) mit einem recht billigen Sozialplan schnell in trockene Tücher zu wickeln.
Ende Januar kam es zu einer Vereinbarung
zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat über einen Sozialtarifvertrag, der spätestens bis
zum 30.April von der IG Metall und dem Verband der Metall- und Elektroindustrie unterschrieben werden
sollte. Auch die IG Metall war unterschriftsbereit. Doch als die Sache betriebsöffentlich wurde, kam
der Zeitplan kräftig durcheinander. Zum einen waren viele dagegen, so schnell jeden zweiten Kollegen
abzuschreiben, zum anderen gab es Misstrauen gegenüber der betrieblichen Tarifkommission, die von der
IG Metall aus Mitgliedern der fünf im Betrieb bestehenden Betriebsratslisten zusammengesetzt wurde. Der
Betriebsrat hatte sich selbst in einer Abstimmung mit 5:4 für die Annahme der Vereinbarung
ausgesprochen.
Viele IG-Metall-Mitglieder sahen sich jedoch
durch Kommission nicht vertreten und forderten eine Mitgliederversammlung. Dort sprach sich die große
Mehrheit dafür aus, die Kommission direkt von den Mitgliedern wählen zu lassen. Der
zuständige IGM-Sekretär für Tarifpolitik, Klaus Helmerichs, lehnte dies ab und
begründete das gegenüber den Kollegen mit den schlechten Erfahrungen, die die IG Metall im BSH-
Konflikt erlebt habe. Bei BSH hatten zwei Drittel der Mitglieder in der 2.Urabstimmung das
Verhandlungsergebnis abgelehnt.
Bei einem Sozialtarifvertrag schließen
die Gewerkschaft für ihre Mitglieder und der zuständige Unternehmensverband für seine
Mitgliedsfirmen eine Vereinbarung. Es ist schon sehr merkwürdig, wenn eine Gewerkschaft ihre direkt
betroffenen Mitglieder dann daran hindern will, die Vertreter ihres Vertrauens zu wählen. Die
Bevormundeten sind entsprechend sauer und wollen sich damit nicht abfinden. Zweimal haben etwa 80 Kollegen
das Gewerkschaftshaus besucht und die Einsetzung einer neuen Kommission gefordert. Über deren
Zusammensetzung haben sie vor Ort direkt abgestimmt. Auch haben sie beim nächsten Verhandlungstermin
die Arbeitgeber davon in Kenntnis gesetzt, wer ihr Vertrauen besitzt und wer nicht.
Die Aktionen der Kollegen waren nicht
vergebens. Die Verhandlungen wurden bis Ende Mai unterbrochen. Das Konsenspapier liegt auf Eis. Vieles
deutet darauf hin, dass die Entlassungen nur der erste Schritt zur Schließung sind. Jetzt ist der
Fordkonzern noch auf die produzierten Teile angewiesen, weil sie nur in Berlin gefertigt werden. Das soll
sich in Zukunft ändern. Dann wird eine auf eine kaum mehr produktionstaugliche Größe
reduzierte Belegschaft ihr Druckmittel verloren haben. Die Kollegen wollen deshalb jetzt versuchen, den
Betriebsrat zur Ablehnung aller weiteren Überstunden zu bewegen und die Gewerkschaft auf die
Verpflichtung festzunageln, dass nur ein Ergebnis unterschrieben wird, für das die
Gewerkschaftsmitglieder mit Mehrheit gestimmt haben.
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