SoZ - Sozialistische Zeitung |
In der Zeit vom 19. bis 22.Mai werden die Beschäftigten der Berliner
Verkehrsbetriebe in einer zweiten Urabstimmung darüber entscheiden, ob das Verhandlungsergebnis
angenommen wird. Wenn das Quorum von 25% erreicht wird, ist damit der längste Streik in der Geschichte
der BVG zu Ende. Er dauerte vom 1.Februar bis zum 5.Mai. Am 2.Mai hatte die Verhandlungskommission einem
Abschluss zugestimmt.
Die Vereinbarung hat ein Volumen von 28,3
Mio. Euro, was einer durchschnittlichen Einkommenserhöhung von 4,6% entspricht. Sie setzt sich zusammen
aus einer Einmalzahlung von 500 Euro bis zum 1.August, und einer nach Entgeltgruppen gestaffelten
Gehaltssteigerung ab dem 1.8.2008. Für die 2000 seit 2005 Neueingestellten bedeutet dies eine
Bruttoerhöhung von 100 Euro. Die 10000 Alt-Beschäftigten müssen sich mit 60 Euro
begnügen. Am 1.8.2009 werden die Tarife erneut um 1% erhöht. Zur Anrechnung kommt ferner eine
Zeitgutschrift von 36,5 Stunden, die nur an Ver.di-Mitglieder gezahlt wird.
Eine Erhöhung von 4,6% gibt es nur
bezogen auf zwei Jahre; auf ein Jahr bezogen steigt der Bruttolohn nur um 2,3%. Damit wird im besten Fall
die Preissteigerung ausgeglichen und das aktuelle Nettoeinkommen gesichert. Ziel der Tarifrunde war jedoch,
auch einen Teil der Reallohnverluste der letzten Jahre auszugleichen. Ver.di war deshalb mit einer Forderung
von 12%, mindestens aber 250 Euro über eine Laufzeit von 12 Monaten angetreten.
Schon der Auftakt des Streiks demonstrierte,
dass die Beschäftigten der BVG es diesmal wissen wollten. Das erste Angebot der öffentlichen
Arbeitgeber, den Neueingestellten etwa 3%, der großen Mehrheit der Alt-BVGler hingegen gar nichts
anzubieten, wurde mit einem Vollstreik beantwortet, der nur wenige Stunden zuvor angekündigt worden
war.
Der anfängliche Schwung ging jedoch mit
der Zeit verloren. Entweder hatten die Verhandlungsführer von Ver.di nicht mit dem zähen
Widerstand des „rot-roten” Senats gerechnet, der mit dem Finanzsenator an der Spitze versuchte,
die Streikenden zu zermürben, oder sie verspürten wieder einmal das Bedürfnis, „die
eigenen Leute in der Regierung” nicht zu gefährden und sich deshalb selbst zu beschränken.
Einmal bevorzugten Wowereit und Sarrazin lieber schönere Auftritte außerhalb Berlins, ein andermal
weigerte sich der Verwalter der Landeskasse schlicht, das Geld für ein bereits mit der BVG-
Geschäftsleitung ausgehandeltes Ergebnis herauszurücken. In der Folge wurde der Streik immer
wieder ausgesetzt bzw. nur in Teilbereichen weiter geführt.
Erst sehr spät hat Ver.di begriffen,
dass es in einem Streik, der von der öffentlichen Meinung entschieden wird, nicht ausreicht, die
Streikaktiven in den Betriebshöfen kleine Demorunden drehen zu lassen. Erst sehr spät wurde eine
Publik-Extra an die Fahrgäste verteilt. Am Ende war jedoch die Differenz zwischen dem, was Ver.di
forderte und dem, was der Senat zu zahlen bereit war, zu gering um noch eine deutliche Mobilisierungswirkung
zu erzielen. Die spontane Arbeitsniederlegung der Trambahnfahrer blieb ein hilfloser Ausbruchsversuch. Eine
Rolle spielte auch, dass die gewerkschaftlich aktiven Teile der BVG, die das Dilemma begriffen und daran
etwas ändern wollten, personell und organisatorisch zu schwach vernetzt waren, um das Ruder noch einmal
herumzureißen.
Spätestens wenn alle Streikenden genau
wissen, was ihnen im Portemonnaie bleibt, wird sich zeigen, wie viele der im Streik neu eingetretenen
tausend Mitglieder und wie viele der alte Gewerkschafter es sich noch mal anders überlegen.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |