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Barack Obama ist der erste Afroamerikaner, der Aussichten hat, im November
dieses Jahres zum Präsidenten der USA gewählt zu werden. Wer ist dieser Mann, auf den sich so
viele Hoffnungen richten?Obama und seine Kampagne haben in der amerikanischen Gesellschaft etwas
ausgelöst. Sogar eine unabhängige linke Persönlichkeit wie die Sängerin Joan Baez, die
sich noch nie in ihrer beinahe fünfzigjährigen Karriere für einen
Präsidentschaftskandidaten ausgesprochen hat, ruft nun begeistert dazu auf, Barack Obama zu
unterstützen. „Er kann Licht bringen in die dunklen Ecken dieser Nation und Amerika eine positive
Rolle in der Welt verschaffen."
"Change we can believe in”
„der Wandel, an den wir glauben können”, so lautet Obamas Wahlslogan, und es ist exakt
dieser Glaube an Veränderung, der Zehntausende Menschen mobilisiert. Obama ist außerordentlich
populär unter jungen Amerikanern, der sog. „Generation O” Zehntausende weiße und
schwarze junge Menschen glauben an den Wandel. Die vollen Säle, die Obama bewirkt, und die Tatsache,
dass er Menschen, die jahrzehntelang nicht gewählt haben, in die Wahllokale lockt, zeigen, dass Obamas
Kampagne auf einer massiven Mobilisierung basiert. Obama will Präsident einer verwaisten Nation werden,
der es seit dem 11.September an inspirierender Führung mangelt; eines Landes, das von kalten,
neoliberalen, militaristischen Profitmachern in eine ökonomische und politische Krise gestürzt
wurde; eines Imperiums, das in einen aussichtslosen Krieg verstrickt ist.
Obama ist ein schwarzer Kandidat, der
für viele Weiße akzeptabel ist. Er beruhigt die Weißen, macht die traditionelle
Benachteiligung der Schwarzen nicht zum Thema und präsentiert sich ausdrücklich als farbenblind
eine Position, die unter weißen wie schwarzen Angehörigen der Mittelschicht populär
ist. Für die schwarze Unterschicht, die täglich mit dem Rassismus in der US-Gesellschaft
konfrontiert ist, ist dies weniger selbstverständlich.
Obama mag schwarz sein, sicher ist er nicht
links und auch nicht allzu progressiv. Wer sich Obamas Abstimmungsverhalten und seine Pläne genauer
anschaut, stellt fest, dass er die grundlegenden Veränderungen, die er verspricht, nicht
durchführen kann. Obama mag einer Friedenstaube ähneln, er wird sich jedoch, sollte er wirklich
Präsident werden, schnell zu einem Falken mit scharfem Schnabel und blutigen Klauen entwickeln. Er
wendet sich zwar jetzt gegen den Krieg im Irak. Aber noch im Jahr 2004 erklärte Obama öffentlich,
dass es in Bezug auf den Irak zwischen seinen Auffassungen und denen von Präsident Bush nur geringe
Unterschiede gebe.
Seit Januar 2005 hat Obama für
Kriegskredite von über 300 Milliarden Dollar gestimmt. Außerdem verschweigt Obama in seiner
Kampagne, dass er beabsichtigt, im Irak 60000 Soldaten zu belassen, „um den Terrorismus zu
bekämpfen” Der Unterschied zwischen Obama und McCain in dieser Frage ist also letztendlich so
groß nicht. So unterstützte Obama auch die Wiedereinführung des Patriot Act, des
gravierendsten Angriffs auf die Bürgerrechte in den USA seit fünfzig Jahren.
Auch wenn es um Israel geht, läuft
Obama den Rechten hinterher. So sprach Obama im vergangenen Jahr auf einer Versammlung der Pro-Israel-Lobby
in den USA, auf der er brav verkündete, was von ihm erwartet wurde. Er lieferte eine einseitige
Darstellung der Geschichte der Region und versprach dem Land, das die Bewohner von Gaza aushungert und
bombardiert, militärische Unterstützung.
Obama mag sich als Verfechter der Armen und
der Mittelschichten präsentieren, zum großen Teil ist das Rhetorik und nicht die Realität. In
der Vergangenheit unterstützte Obama mehr als einmal Gestze, die die Lage der Werktätigen
verschlechterten. Sogar jemand wie Clinton, die bestimmt nicht als links bezeichnet werden kann, hat mehr
Unterstützung unter der weißen Arbeiterklasse als Obama. Auch arme und schlecht ausgebildete
Schwarze fühlen sich kaum durch Obama vertreten. Er wird dagegen von gut ausgebildeten, erfolgreichen
Schwarzen unterstützt, die in Obama einen Schicksalsgefährten erkennen, der als Schwarzer den
amerikanischen Traum verwirklicht hat.
Als Obama Anfang 2007 in San Francisco war,
weigerte er sich, sich gemeinsam mit dem Bürgermeister dieser Stadt fotografieren zu lassen. Der Grund:
Bürgermeister Gavin Newsom ergreift seit Jahren Partei für die Schwulen und ist ein
Befürworter der Schwulenehe. Ein Foto, auf dem beide Personen zusammenstehen, hätte wohl den
Eindruck erwecken können, dass Obama auch für die Schwulenehe ist. Ist dieser Obama die Hoffnung
des progressiven Amerika?
Natürlich sind auch Nuancen wichtig.
Natürlich ist es ekelhaft, dass die extreme Rechte die „Rassenkarte” ausspielt.
Natürlich ist Obama ein besserer Kandidat als McCain, der nicht nur neoliberal und kriegslüstern
ist, sondern z.B. auch ein Abtreibungsgegner. Natürlich ist Obama weniger als Clinton ein Kandidat des
Parteiestablishments der Demokraten. Aber Obama wird den Wandel, den er verspricht, nicht wahrmachen.
Vielleicht geht es den linken Menschen, die für ihn stimmen, auch gar nicht darum. Es geht wohl
vielmehr darum, dass Obama wirklich siegen kann und dass dies ein Schlag ins Gesicht der rednecks und der
religiösen Rechten wäre.
Aus: Grenzeloos (Rotterdam), Nr.96,
März 2008 (www.grenzeloos.org) (Übersetzung: Hans-Günter Mull).
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