SoZ - Sozialistische Zeitung |
"Wenn die Regierung die Lebenshaltungskosten nicht senken kann, muss sie
abdanken. Und wenn die Polizei und die UN-Truppen auf uns schießen wollen, ist das nicht so wichtig,
denn wenn uns die Kugeln nicht töten, sterben wir vor Hunger.” Diese Worte, aufgeschnappt in
Port-au-Prince (Haiti), könnten sehr gut auch von einem Demonstranten in Mexiko, Usbekistan, Burkina
Faso, der Elfenbeinküste, Ägypten, Indien oder Thailand stammen, um nur einige der 35 Länder
zu nennen, die von „Hungerrevolten” gebeutelt wurden.
Laut UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon
droht diese Krise „zu einem komplexen Problem zu werden, das das Wirtschaftswachstum, den sozialen
Fortschritt und sogar die politische Sicherheit auf der ganzen Welt beeinträchtigt” Dennoch
veröffentlichen dieselben Medien, die solche Zitate wiedergeben, Werbungen wie diese: „Der
Rohstoffsektor kann euer Kapital retten und es sogar verzehnfachen! Die Rohstoffkurse heben ab: Profitiert
vom größten Boom des 21.Jahrhunderts!"
"Rettet euer Kapital” steht
es doch wegen der „Subprimekrise” schlecht da. Kapitaleigner mussten sich deshalb auf die Suche
nach einem neuen Spekulationssektor begeben. Ähnlich wie im Jahr 2001, als sich die Investoren, nachdem
die Internetblase geplatzt war, auf Immobilien stürzten, werfen sich nun im Jahr 2007 nach dem Platzen
der Immobilienblase die Spekulanten weltweit auf die Rohstoffe. So funktioniert der Kapitalismus unter der
Hegemonie des Finanzkapitals: Auf eine Krise folgen neue Profitmöglichkeiten stets zum Schaden
der Ärmsten. Die Krise der Subprimes hat mit voller Wucht die einfache Bevölkerung in den USA
getroffen vor allem Schwarze und Latinos, Hunderttausende Familien landeten dadurch auf der
Straße und wurden ihres Grundrechts auf Obdach beraubt. Jetzt bedroht der Boom der Preise für
Grundnahrungsmittel sogar das Überleben von Millionen Menschen, denen der Hungertod droht.
Zur Finanzspekulation gesellt sich eine
neuer produktivistischer Wahn: die Agrotreibstoffe. Sie absorbieren jetzt schon 10% der Weltproduktion von
Mais und werden von den reichen Ländern verschlungen, um einer anderen Krise zu begegnen: der
Ölkrise. Rechnet man dann noch die Trockenheit hinzu, die aus dem Klimawandel folgt, und die Explosion
des weltweiten Fleischkonsums (für 1 kg Rindfleisch benötigt man die gleiche Menge an urbarem
Boden wie für 8 kg Weizen), hat man alle Faktoren der Preissteigerungen zusammen, die auf den
Allerärmsten lasten.
Der Preis für Weizen ist von März
2007 bis März 2008 um 130% gestiegen. Auf Druck der Welthandelsorganisation (WTO) verzichten die
Länder des Südens schon lange auf ihre Ernährungssouveränität und sind deshalb
immer stärker von den Exporten der USA, der EU, Australiens, Argentiniens und Kanadas abhängig
geworden. Die Länder des Südens sind auf die entwickelten Länder angewiesen, um ihre
Bevölkerung zu ernähren. Laut einem Bericht der UNO haben sich die Lebensmittelimporte der
afrikanischen Länder im Zeitraum 20002007 um 90% erhöht!
Es sind aber nicht nur die Verlierer der
Preissteigerungen bekannt, sondern auch ihre Gewinner: Die Kornproduzenten der USA und der EU haben ihre
Einnahmen im Jahr 2007 fast verdoppelt. Eine Handvoll Firmen, die den weltweiten Getreidemarkt
kontrollieren, erzielen fantastische Preise. Genf ist die Drehscheibe dieses Warenverkehrs, hier spielen
sich 30% der weltweiten Transaktionen ab. In der Geneva Trading and Shipping Association (GTSA), die 2006
gegründet wurde, sammeln sich die Giganten der Branche, der Finanzplatz Genf bietet ihnen höchst
raffinierte Werkzeuge und sehr günstige Steuerbedingungen.
Die entwickelten Länder haben in
wohlfeilen Erklärungen ihrer Regierungen höhere Nothilfen angekündigt. Aber sie weigern sich,
die zusätzlichen 500 Millionen Dollar zu zahlen, die das Welternährungsprogramm fordert, das 70
Millionen Menschen mit Nahrung versorgt. Dafür brachten sie viele Milliarden auf, um die
Finanzunternehmen zu retten, die von der Krise der Subprimes bedroht sind. Serge Halimi, Autor von Le monde
diplomatique, macht uns darauf aufmerksam: Diese 500 Millionen sind nicht einmal „13,5% dessen, was
allein John Paulson, Leiter eines Spekulationsfonds, im letzten Jahr verdient hat, der schlau genug war
vorauszusehen, dass mehrere hunderttausend Amerikaner demnächst vor der Immobilienpleite stehen
würden”
Die derzeitige Nahrungsmittelkrise und die
daraus resultierende Hungersnot zeigen wie notwendig es ist, eine neue antiimperialistische internationale
Solidarität zu schaffen, die die Regierungen zwingen kann, die Grundbedürfnisse der Menschen zu
befriedigen auf Kosten der privaten Profite einer Minderheit.
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