SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2008, Seite 04

Christa Müller und das Familiengehalt

Dein Kind will dich

von Gisela Notz

"Denn in der Familie stecken die Frauen. Sie sollen wirken für das öffentliche Leben, aber man soll ihrer dabei nicht ansichtig werden, denn sie sollen zu Hause bleiben”, schrieb der erste Familiensoziologe W.H.Riehl 1866 in seinem Buch Die Familie. Das war deutlich und es war und ist eine Position die immer wieder und in allen Kreisen Anhänger fand. Der Wunsch der Arbeitsmänner, „so viel zu verdienen, dass wir unsere Familien ehrlich und ordentlich ernähren können”, so geäußert von dem Wortführer des großen Bergarbeiterstreiks im Mai 1889, August Siegel, ging genau in diese Richtung.
Spätestens seit Louise Otto und Clara Zetkin gibt es allerdings auch Frauen, die unruhig werden, wenn sie solche Töne hören. „Kaum zu zügelnde Unruhe ... beim Familiengehalt”, das ist kein Bericht vom ersten Parteitag der LINKEN vom 23. bis 25.Mai 2008 in Cottbus, sondern von einer Veranstaltung der CDU aus dem Wahlkampfjahr 2002. Diese Partei hat dann davon Abstand genommen, das Familiengehalt ähnlich wie 1998 noch einmal zum Wahlkampfthema zu machen.
Zehn Jahre später fordert Christa Müller, familienpolitische Sprecherin der LINKEN im Saarland und Autorin von Dein Kind will dich ein langjährig an Familien gezahltes Familiengehalt nach eben diesem Konzept und mit dem CDU/CSU-Argument der „Wahlfreiheit” Hausarbeit soll demnach mit 1600 Euro (nach drei Jahren 1000 Euro) zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gemacht werden, wenn Kinder in der Familie angekommen sind. In ihrem Buch Dein Kind will dich bezeichnet sie Frauen, die nach der Geburt eines Kindes „ohne ökonomische Notwendigkeit” in den Beruf zurück wollen, als verantwortungslos und selbstsüchtig.
Freilich war es unfair, dass viele Genossinnen die Genossin Müller auspfiffen. Schließlich hatte sie 200 Unterstützerinnen und bekam starken Beifall für ihre Thesen, und zudem birgt auch das von Parteivize Katja Kipping und ihren Mitstreitern bevorzugte Konzept für ein „bedingungsloses Grundeinkommen” die Gefahr, dass (vor allem) Frauen zu Langzeithausfrauen werden. Müllers Behauptung: „Kinder fühlen sich in Familien am besten aufgehoben” wird auch von manchen bGE-Vertretern verfochten.
Verabschiedet wurde auf dem Parteitag ein Antrag der LISA (Linke Sozialistische Arbeitsgemeinschaft der Frauen in der LINKEN), der den massiven Ausbau elternbeitragsfreier Ganztagsangebote in öffentlichen Kindertagesstätten forderte. Die LISA Leipzig hatte bereits im April Christa Müller aufgefordert, sie solle künftig bei ihren Medienauftritten eindeutig klarstellen, dass ihre Vorstellungen vom Familiengehalt ihre persönliche Ansicht und die einer Minderheit in der LINKEN seien. Der saarländische Landesverband der LINKEN will damit allerdings in den Landtagswahlkampf 2009 ziehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die am besten ausgebildete Frauengeneration aller Zeiten zu solchen „Herdprämien” verhält. Die gelebte Realität mit ihren vielfältigen Lebensformen geht ohnehin eigene Wege.


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