SoZ - Sozialistische Zeitung |
Neben dem teuren Treibstoff macht den Fischern mehr und mehr auch die
Überfischung zu schaffen ein ganzer Berufsstand wird in Frage gestellt.
Nachdem im Mai die französischen
Fischer gegen die hohen Dieselpreise protestiert hatten, streikten Anfang Juni auch die Fischer in Spanien,
Portugal und Italien. Seit Anfang dieses Jahres ist der Preis für einen Liter Diesel um 30% gestiegen,
in den letzten fünf Jahren sogar um rund 300%. Derzeit kostet ein Liter Treibstoff für die Fischer
etwa 80 Cent. Wie wirkt sich der Dieselpreis konkret aus?
Der größte Fischereihafen Italiens
ist die westsizilianische Stadt Mazara del Vallo mit einer Flotte von rund 300 Schiffen. Um heutzutage mit
einem mittelgroßen Boot auf Fischgang zu gehen also rund 30 Tage auf dem Meer zu bleiben
muss man allein für den Treibstoff 30000 Euro berappen, das sind 60% der Gesamtkosten.
Während sich landesweit in Italien rund
2000 Fischer am Streik beteiligten, nahmen die Fischer von Mazara daran kaum teil, da die meisten Boote
ihrer Flotte auf mehrwöchigem Fischfang, bzw. an ausländische Firmen für den Thunfischfang
„vermietet” waren.
Ende Mai fand in Mazara eine Konferenz der
Fischereiminister Ägyptens, Libyens, Tunesiens und Maltas statt. Veranstalter war der „Distretto
produttivo della pesca”, eine der örtlichen Fischereivereinigungen. Ziel der Tagung war eine
engere Zusammenarbeit über das Mittelmeer hinweg hier lockt natürlich auch eine
mögliche Kooperation hinsichtlich billigeren Treibstoffs mit Ölförderländern wie Libyen.
In Mazara hat diese Kooperation eine Jahrtausende alte Tradition: Tunesien liegt fast näher als
Festlanditalien, die Araber haben deutliche architektonische Spuren in der Stadt hinterlassen, und rund ein
Drittel der 50000 Einwohner sind heute tunesischer Herkunft viele von ihnen sind im Fischereisektor
tätig.
Die Streiks der Fischer haben einen positiven Nebeneffekt: Die Fischbestände erhalten zumindest
kurzzeitig die Möglichkeit sich zu erholen. Viel zu lange, erzählt Gaspare Tumbiolo, ein junger
Reeder aus Mazara, wurden die Warnungen vor zu engmaschigen Netzen und dem daraus resultierenden Mitfischen
von Jungfischen in den Wind geschlagen. Eigentlich wäre ein vollständiger sog. „fermo
biologico” angesagt, d.h. ein totaler Fischereistopp für ein bis zwei Jahre. In diese Richtung
geht auch der gemeinsame Forderungskatalog, den die Minister für Agrikultur- und Fischereiwesen der
Länder Italien, Frankreich, Griechenland, Portugal, Spanien, Slowenien und Malta Mitte Juni in Venedig
aufstellten. Unter anderem fordern sie mehr Geld für den europäischen Fischereifonds und eine
Beteiligung der EU an den sozialen Ausgleichszahlungen, die einen temporären Fischereistopp
ermöglichen würden. Zudem sollen jenen Fischern Anreize geboten werden, die aufhören wollen.
Die bereits spürbar gewordene
Fischknappheit in europäischen Gewässern führt zunehmend dazu, dass in fremden Gewässern
gefischt wird. Während die Japaner Thunfisch aus dem Mittelmeer fischen, streckt die größte
Fischereiflotte Europas, Spanien, ihre Fühler nach Westafrika aus. Die reichen Fischgründe
Westafrikas werden zunehmend leergefischt, den einheimischen Fischern Senegals und Mauretanien dadurch die
Lebensgrundlage entzogen. Allein aus den Gewässern Mauretaniens werden jährlich Shrimps, Hummer,
Thunfisch, Makrelen u.a. im Wert von 600 Mio. Euro gezogen. Im Gegenzug erhält Mauretanien 86 Mio.
Euro, die aber nicht bei den Fischern ankommen, deren Lebensgrundlage somit verloren geht.
Eine der Folgen des zunehmenden Fischmangels ist die vermehrte Fischzucht. Ein Fischer aus Palermo bringt
es auf den Punkt: „Das Meer ist nicht mehr das, was es einmal war, und unser Beruf des Fischers stirbt
gemeinsam mit ihm.” Um den hohen Fischbedarf sicherzustellen, werden nun immer mehr Fischsorten in
hochtechnologisierten Riesenkäfigen herangezogen; was bereits seit langem mit Austern, Karpfen und
Lachs praktiziert wird, geschieht nun auch mit dem Wolfsbarsch und dem Goldbrassen. Diese Fische werden in
riesigen Käfigen vor der Küste automatisch im Idealfall mit biologisch-gesundem
Futter versorgt und dann, wenn sie groß genug sind, „geerntet” Fast hat es den Anschein,
als ob der Fischer aus Palermo Recht hat und einer der ältesten Berufe nach und nach verschwindet. Doch
vorerst sind die Streiks beigelegt, die Fischer warten erst einmal das EU-Ministertreffen am 24.Juni ab.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |