SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2008, Seite 23

Werner Rügemer: „Heuschrecken” im öffentlichen Raum.

Public Private Partnership — Anatomie eines globalen Finanzinstruments, Bielefeld: Transcript, 2008, 16,80 Euro

Die „Heuschrecken” sind — neben der überarbeiteten Neuauflage des mittlerweile zum privatisierungskritischen Klassiker avancierten Privatisierung in Deutschland — das zweite von Rügemer in diesem Jahr veröffentlichte Buch. Rügemer nimmt sich hier das Instrument der „Public Private Partnership” (PPP) als eine neue Variante der Privatisierung vor.
Es heißt, mit so einer „Partnerschaft” der öffentlichen Hand mit privaten Unternehmen könnten Schulen oder andere öffentliche Einrichtungen gebaut und betrieben werden und im Gegensatz zum rein öffentlichen Betrieb „Effizienzvorteile” zwischen 5 und 25% erbringen. Das klingt verlockend. Ein weiteres Argument lautet, bei einer PPP werde nichts privatisiert. Eigentlich müssten also alle mit PPP zufrieden sein.
Doch der Teufel steckt wie immer im Detail und bei PPP-Projekten handelt es sich zumeist um Täuschungsmanöver, die zu vollen Kassen bei „Beratern” und Unternehmern, aber zu verdeckter Neuverschuldung bei Städten und Gemeinden führen. Das weist Rügemer an Hand zahlreicher PPP-Projekte nach. Seine Darstellung umfasst Unterfangen wie die Kölner Messehallen oder das Projekt Toll Collect, die bundesweit durch Skandale bekannt wurden, aber auch weniger bekannte Projekte wie die Unterstellung aller Schulen des Landkreises Offenbach unter das PPP-Regime.
Rügemer vollzieht das, was die Propheten von Privatisierung und PPP bis heute schuldig geblieben sind: Er rechnet bei einzelnen Projekten konkret nach — und kommt zu dem Ergebnis, dass es mit den versprochenen „Effizienzvorteilen” nicht weit her ist, schlimmer noch: PPP-Projekte belasten die öffentlichen Haushalte über Jahrzehnte hinweg.
Der Autor verzichtet in seiner Darstellung weitgehend auf theoretische Abhandlungen, die sonstige „kritische” Werke zumeist langatmig und praxisuntauglich machen. Hier kann jede und jeder nachvollziehen, wie PPP funktioniert und welche konkreten Auswirkungen es hat — von der verdeckten Verschuldung kommunaler Haushalte über marode Schulgebäude bis zu minderwertigem Krankenhausessen. Auch wie demokratische Grundsätze bei PPP gezielt von „Beratern” und Unternehmen unterlaufen werden und wie willfährige Politiker dies zumeist unter Ausschluss der Öffentlichkeit abnicken. Geheime Vertragswerke bilden hier keine Ausnahme, sie sind die Regel.
Da nun endlich eine vorläufige kritische Bilanz zu PPP vorliegt, die Gewinner und Verlierer beim Namen nennt, kann bei der nächsten Pleite kein Provinzpolitiker mehr sagen, er habe von nichts gewusst.

Thorsten Janusz


Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang