SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2008, Seite 02

Israel drängt auf Krieg —

mit oder ohne USA

von Angela Klein

Die Drohkulisse verdichtet sich: Neben der Diskussion über neue Sanktionen gegen den Iran bewegen sich derzeit zwei Flugzeugträger und ein Amphibienschiff für die Landung in Richtung Persischer Golf, flankiert von einem britischen Carrier und einem französischen Jagd-Atom-U-Boot. Vorausgegangen war die Operation Brimstone, eine Militärübung mit US-amerikanischen, britischen und französischen Kriegsschiffen im Atlantischen Ozean. Ihr Ziel: die Vorbereitung eines militärischen Angriffs gegen den Iran.
Noch gibt es keine legale Grundlage dafür. Der Stand der Erkenntnisse über ein iranisches Atomwaffenprogramm ist weiterhin der, dass laut US-Geheimdienstinformationen aus dem Jahr 2007 die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass der Iran sein Atomwaffenprogramm im Jahr 2003 unterbrochen hat, und die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) den israelischen Behauptungen, der Iran bastele im Geheimen an der Bombe, bis heute widerspricht.
Hochrangige Regierungsbeamte in den USA, darunter Verteidigungsminister Robert Gates und der Vorsitzende der Generalstäbe, Michael Mullen, werden mit Äußerungen zitiert, die besagen, dass jedweder Angriff auf den Iran, komme er von den USA oder von Israel, den US-Interessen sehr schaden würde. Befürchtet wird eine hochgradige Gefährdung der US-Soldaten im Irak, explodierende Ölpreise und eine Ausweitung der Kriegshandlungen im Nahen Osten. Umfragen zufolge lehnen 60% der US-Bevölkerung einen Krieg gegen den Iran ab.
Doch es gibt jemanden, der unablässig am Rädchen dreht, und das ist Israel.
Am 19.Mai 2008 traf sich eine zwölfköpfige Delegation des US-Repräsentantenhauses mit Israels Premierminister Ehud Olmert. Wie Ira Glunts auf ZNet beschreibt, schlug Olmert beim Mittagessen eine Seeblockade gegen den Iran vor, um sein Urananreicherungsprogramm zu stoppen. Zu den Teilnehmern der illustren Runde gehörte der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Repräsentantenhauses, Howard Berman, und zwei Vertreter von AIPAC (Aktionskomitee für Amerikanisch-Israelische Politik), die höchste einflussreiche außenpolitische Lobby US-amerikanischer Juden, zugleich Abgeordnete im US-Kongress. Drei Tage später präsentierte ihr Vertreter Gary Ackerman dem Repräsentantenhaus die Resolution 362.
Die Resolution fordert ein „Exportverbot für alle raffinierten Erdölprodukte in den Iran; und die Durchsetzung einer strikten Kontrolle aller Personen, Fahrzeuge, Schiffe, Flugzeuge, Züge und Lkws nach und aus dem Iran.” Eine militärische Blockade aber ist ein Kriegsakt.
AIPAC, somit Israel, ist der Urheber der Resolution, die den Kongress dazu anstiften will, gegen den Iran Krieg zu führen. Israel hat offen erklärt, dass es eine bewaffnete Auseinandersetzung mit dem Iran sucht, um den Iran daran zu hindern, atomwaffenfähig zu werden. Israel hat in der Bush-Administration starke Befürworter, allen voran Vizepräsident Dick Cheney. Das Magazin Time hat berichtet, auf der Israelreise von Präsident Bush im Mai dieses Jahres habe die US-Delegation den Israelis versichert, Amerika werde den Iran angreifen noch bevor Bushs Amtszeit auslaufe. Das Magazin behauptet auch, die US-Regierung habe dann davon Abstand genommen und ziehe Verhandlungen vor. Was diese Regierung wirklich vorhat, weiß derzeit vielleicht niemand so genau.
Die Lobbyarbeit von AIPAC ist sehr effektiv. Über 5000 Aktivisten dieser Organisation begaben sich im Juni auf Capitol Hill, um in 500 Veranstaltungen Abgeordnete und Senatoren von der Dringlichkeit zu überzeugen, die Resolution 362 abzustimmen. 259 Kongressabgeordneten von 535 folgten diesem Ruf. Zeitgleich wird in den USA eine massive Medienkampagne entfaltet, die darauf abzielt, dass die US-Medien sich den israelischen Standpunkt unhinterfragt zu eigen machen und die öffentliche Meinung für die Auffassung gewinnen, dass Ahmadinejad „ein Hitler” ist, dass er „Israel von der Landkarte tilgen” will und dafür fanatisch an der Bombe baut.
Dieses Bild wird ja auch hierzulande von vielen Medien verbreitet. Am 27.April strahlte der Fernsehsender CBS erstmals eine Sendung über die israelische Luftwaffe und ihre Heldentaten im Sechstagekrieg 1967 und jüngst bei der Bombardierung des Gazastreifens aus; die blamablen Niederlagen in den beiden Libanonkriegen wurden peinlich verschwiegen. Interviewt wurden auch israelische Piloten, die den Atomreaktor im irakischen Osirak 1981 bombardiert hatten. Das Gespräch endete mit der Frage: „Werden Israels Entscheidungsträger heute die nuklearen Kapazitäten des Iran beseitigen?” Die Botschaft, die es rüber zu bringen galt, war klar: Israels Luftwaffe kann und wird die iranischen Atomanlagen zerstören.
CBS hat zugegeben, dass es für diese Sendung die „rigorose Zensur” der israelischen Luftwaffe akzeptiert hat. Autorin Ira Glunts kommentiert auf ZNet: „Es ist erschreckend, dass CBS eine Sendung zusammenstellen konnte, die alle Tatsachen, die Tel Avivs Sichtweise nicht unterstützen, ignoriert.” Vor jedem Krieg kommt zuerst der Propagandakrieg. Wie es aussieht, sind wir mitten drin in dieser Phase.
Die Resolution 362 hat die Kriegsgegner in den USA alarmiert. Denn sie ist so gehalten, dass Abgeordnete nicht unbedingt erkennen, dass sie hiermit einer Kriegserklärung zustimmen; Teile der Resolution können gelesen werden als Ermächtigung der Bush-Regierung zu einem Militärschlag. Von Barack Obama ist offenkundig keine Hilfe zu erwarten. Er wurde auf einem Treffen mit demokratischen Abgeordneten am 29.Juli mit den Worten zitiert: „Wenn die Iraner einen Deal jetzt nicht akzeptieren, weil sie glauben, sie könnten mit dem nächsten Präsidenten einen besseren aushandeln, haben sie sich geirrt."
Verdeckte Aktionen begleiten diese Vorbereitungen. Seymour Hersh hat im New Yorker berichtet, eine von Nancy Pelosi, der Sprecherin des Repräsentantenhauses, angeführte Kongressdelegation habe bereits 400 Millionen Dollar für verdeckte Aktionen im Iran bewilligt, mit denen oppositionelle Gruppen bewaffnet und die nuklearen Anlagen sabotiert werden sollen.
Die Antikriegsbewegung in den USA ist deshalb wieder auf den Beinen. Alle erdenklichen Gruppen bombardieren derzeit die Abgeordneten mit der Forderung, diese Resolution abzulehnen. Eine „Stellungnahme der Jüdischen internationalen Opposition gegen einen Angriff auf den Iran” verdient hervorgehoben zu werden (www.TheStruggle.org).
Im Kongress kommt die Resolution 362 nicht richtig vorwärts. Der Vorsitzendes des Auswärtigen Ausschusses, Howard Berman, wird zitiert mit der Position, die Resolution werde den Ausschuss nicht verlassen, solange die Passage über die Blockade nicht entfernt ist. Eine Bestätigung war nicht zu bekommen.


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