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Der Erfolg von „Pro Köln” — wie der vieler anderer rechtsextremer Parteien und
Bürgerbündnisse — ist primär im Versagen der großen Parteien zu suchen, die sich mit einer Politik der sozialen Kälte
vom unteren Drittel unserer Gesellschaft weit entfernt haben.
Arbeitslosigkeit, Hartz, Niedriglöhne, soziale Entrechtung und Existenzängste,
einhergehend mit der Globalisierung, aber auch profane Fremdenfeindlichkeit sind die Hauptmotive ihrer Wählerinnen und Wähler. Dieses
Frustpotential bedienen die Rechten und treffen dabei auf immer größer Akzeptanz in der Bevölkerung, sodass selbst das gezielte Werben
von Jugendlichen im Umfeld von Schulen und Jugendtreffs heute ohne größeren Skandal möglich ist.
Am gefährlichsten ist jedoch die intensive Bürgerarbeit der Rechten, die sie in
den Vierteln und Kommunen betreiben, um als „Anwalt der kleinen Leute” zu agieren. So auch die rechtsextreme Organisation „Pro
Köln”, die im Kölner Stadtrat heute deshalb Fraktionsstärke hat. Immer wieder inszeniert sie
„Bürgerbewegungen” oder greift gezielt in den Vierteln Bürgerproteste auf, um sie zu okkupieren und daraus politisches Kapital zu
schlagen. Wo immer sich Protest regt, sind die Mitglieder und Funktionäre dieser „Bürgerbewegung” auch dabei und
demonstrieren z.B. gegen Drogeneinrichtungen, Kliniken für psychisch kranke Straftäter, einen Straßenstrich oder gegen den Bau der
großen Moschee.
Doch das gilt nicht nur für Köln. Mit Hilfe eines eigens gegründeten
Bundesverbands expandiert „Pro Köln”, weitgehend jenseits der öffentlichen und medialen Wahrnehmung, auch in andere
Städte wie Dormagen, Gelsenkirchen, Oberhausen und Berlin. So haben die etablierten Parteien im Kölner Rat, aber auch viele Medien und deren
Chefredakteure das Problem bislang weitgehend ignoriert — in der Annahme, dass es sich bald von alleine erledigen würde.
"Pro Köln” gibt inzwischen sogar unbehelligt eine Schülerzeitung
heraus und versucht damit, an junge Menschen heranzukommen und diese über gezielte Jugendarbeit an sich zu binden.
Der Kölner Sozialarbeiter Franco Clemens sagte dazu: „Gerade in Porz ist
Pro Köln besonders aktiv, und versucht mit provokanten Demos und Aktionen in den sozialen Brennpunkten eine Spaltung der
Jugendkultur zu forcieren und neue Trends zu setzen. Aufgrund des hohen Ausländeranteils in den sozialen Brennpunkten entsteht daraus jedoch
gleichzeitig wieder eine Gegenbewegung, die die Gewaltbereitschaft und gegenseitige Abgrenzung unter den Jugendlichen fördert, was in den Texten der
lokalen RAP- und HipHop-Gruppen am deutlichsten zu Ausdruck kommt."
Es scheint also höchste Zeit, dass das bisherige Schweigen der etablierten Parteien zu
den Themen von „Pro Köln” gebrochen wird. Denn wenn Migranten ausgegrenzt und zugleich Bürgersorgen demonstrativ
aufgegriffen und von einer dahinter stehenden rechten Gruppierung assimiliert werden, drängen sich historische Parallelen zum Nationalsozialismus auf.
Professor Jost Dülffer, Historiker an der Kölner Universität, sagte dazu im „Morgenecho” von WDR5:
"In der späten Weimarer Republik gab es gerade bei der Eroberung des platten
Landes, des protestantischen in Norddeutschland, Anzeichen, dass die Nationalsozialisten sich um alle bedrohten sozialen Schichten kümmerten. Das gab
es aber auch in den Städten, dass Organisationen für Handwerk, für Arbeiterschaft, für alle möglichen sozialen Belange da
waren und vor Ort guckten, wie es den Leuten ging oder warum sie sich schlecht fühlten. Subjektiv empfundene Zukunftsängste könnten
von rechtsextremen Gruppierungen wie in den 20er Jahren bewusst ausgenutzt werden."
Wenn man versucht, allzu Leichtgläubige von verantwortbarer Politik anstelle
dumpfbackiger rechter Polemik zu überzeugen, kann man soziale Defizite wie Arbeitslosigkeit, die Folgen von Hartz und die damit einhergehende
steigende Kriminalität und Gewaltbereitschaft unter benachteiligten Jugendlichen nicht einfach wegdiskutieren. Gleichzeitig müssen jedoch alle
juristischen Mittel ausgeschöpft und die Verfassung bemüht werden um zu verhindern, dass Bürger mit solchen Problemen ausgerechnet in
die Hände von „Pro Köln” geraten, während andere Parteien wie das Bürgerbündnis „Gemeinsam gegen
Sozialraub” oder DIE LINKE im Kölner Rat sich diesen Themen glaubwürdig verschrieben haben.
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