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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2008, Seite Beilage

Kein Kölsch für Nazis

Die sozialen Probleme anpacken!

Der Erfolg von „Pro Köln” — wie der vieler anderer rechtsextremer Parteien und Bürgerbündnisse — ist primär im Versagen der großen Parteien zu suchen, die sich mit einer Politik der sozialen Kälte vom unteren Drittel unserer Gesellschaft weit entfernt haben.
Arbeitslosigkeit, Hartz, Niedriglöhne, soziale Entrechtung und Existenzängste, einhergehend mit der Globalisierung, aber auch profane Fremdenfeindlichkeit sind die Hauptmotive ihrer Wählerinnen und Wähler. Dieses Frustpotential bedienen die Rechten und treffen dabei auf immer größer Akzeptanz in der Bevölkerung, sodass selbst das gezielte Werben von Jugendlichen im Umfeld von Schulen und Jugendtreffs heute ohne größeren Skandal möglich ist.
Am gefährlichsten ist jedoch die intensive Bürgerarbeit der Rechten, die sie in den Vierteln und Kommunen betreiben, um als „Anwalt der kleinen Leute” zu agieren. So auch die rechtsextreme Organisation „Pro Köln”, die im Kölner Stadtrat heute deshalb Fraktionsstärke hat. Immer wieder inszeniert sie „Bürgerbewegungen” oder greift gezielt in den Vierteln Bürgerproteste auf, um sie zu okkupieren und daraus politisches Kapital zu schlagen. Wo immer sich Protest regt, sind die Mitglieder und Funktionäre dieser „Bürgerbewegung” auch dabei und demonstrieren z.B. gegen Drogeneinrichtungen, Kliniken für psychisch kranke Straftäter, einen Straßenstrich oder gegen den Bau der großen Moschee.
Doch das gilt nicht nur für Köln. Mit Hilfe eines eigens gegründeten Bundesverbands expandiert „Pro Köln”, weitgehend jenseits der öffentlichen und medialen Wahrnehmung, auch in andere Städte wie Dormagen, Gelsenkirchen, Oberhausen und Berlin. So haben die etablierten Parteien im Kölner Rat, aber auch viele Medien und deren Chefredakteure das Problem bislang weitgehend ignoriert — in der Annahme, dass es sich bald von alleine erledigen würde.
"Pro Köln” gibt inzwischen sogar unbehelligt eine Schülerzeitung heraus und versucht damit, an junge Menschen heranzukommen und diese über gezielte Jugendarbeit an sich zu binden.
Der Kölner Sozialarbeiter Franco Clemens sagte dazu: „Gerade in Porz ist ‘Pro Köln‘ besonders aktiv, und versucht mit provokanten Demos und Aktionen in den sozialen Brennpunkten eine Spaltung der Jugendkultur zu forcieren und neue Trends zu setzen. Aufgrund des hohen Ausländeranteils in den sozialen Brennpunkten entsteht daraus jedoch gleichzeitig wieder eine Gegenbewegung, die die Gewaltbereitschaft und gegenseitige Abgrenzung unter den Jugendlichen fördert, was in den Texten der lokalen RAP- und HipHop-Gruppen am deutlichsten zu Ausdruck kommt."
Es scheint also höchste Zeit, dass das bisherige Schweigen der etablierten Parteien zu den Themen von „Pro Köln” gebrochen wird. Denn wenn Migranten ausgegrenzt und zugleich Bürgersorgen demonstrativ aufgegriffen und von einer dahinter stehenden rechten Gruppierung assimiliert werden, drängen sich historische Parallelen zum Nationalsozialismus auf. Professor Jost Dülffer, Historiker an der Kölner Universität, sagte dazu im „Morgenecho” von WDR5:
"In der späten Weimarer Republik gab es gerade bei der Eroberung des platten Landes, des protestantischen in Norddeutschland, Anzeichen, dass die Nationalsozialisten sich um alle bedrohten sozialen Schichten kümmerten. Das gab es aber auch in den Städten, dass Organisationen für Handwerk, für Arbeiterschaft, für alle möglichen sozialen Belange da waren und vor Ort guckten, wie es den Leuten ging oder warum sie sich schlecht fühlten. Subjektiv empfundene Zukunftsängste könnten von rechtsextremen Gruppierungen wie in den 20er Jahren bewusst ausgenutzt werden."
Wenn man versucht, allzu Leichtgläubige von verantwortbarer Politik anstelle dumpfbackiger rechter Polemik zu überzeugen, kann man soziale Defizite wie Arbeitslosigkeit, die Folgen von Hartz und die damit einhergehende steigende Kriminalität und Gewaltbereitschaft unter benachteiligten Jugendlichen nicht einfach wegdiskutieren. Gleichzeitig müssen jedoch alle juristischen Mittel ausgeschöpft und die Verfassung bemüht werden um zu verhindern, dass Bürger mit solchen Problemen ausgerechnet in die Hände von „Pro Köln” geraten, während andere Parteien wie das Bürgerbündnis „Gemeinsam gegen Sozialraub” oder DIE LINKE im Kölner Rat sich diesen Themen glaubwürdig verschrieben haben.

Rudi Rute (Neue Rheinische Zeitung)


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