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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2008, Seite 07

Ausgesummt

Initiative verklagt Bayer wegen Bienensterben

von Philipp Mimkes

Pestizide der Bayer AG gefährden Honig, Obst und andere Nutzpflanzen.
Seit 1991 stellt der Leverkusener Bayer-Konzern das Insektizid Imidacloprid her. Im vergangenen Jahr setzte der Konzern damit 556 Millionen Euro um. Es ist das bestverkaufte Pestizid von Bayer und gehört zu den meist verbreiteten Insektiziden weltweit. Weil der Patentschutz von Imidacloprid in den meisten Ländern abgelaufen ist, brachte Bayer das ähnlich wirkende Nachfolgeprodukt Clothianidin auf den Markt (Umsatz: 237 Millionen Euro).
Dass „Clothianidin für unsere Bienen zu einer großen Gefahr werden wird”, sagte Manfred Hederer schon im Juli 2006 voraus. Der Präsident des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes kritisierte die Zulassung des Pestizids — sie beruhte seiner Ansicht nach auf fragwürdigen Studien über die Bienengefährlichkeit des Wirkstoffs. Die zuständigen Behörden jedoch blieben dabei: Clothianidin sei zwar im Prinzip Gift für Bienen, aber das Saatgut-Beizmittel bleibe ja unter der Erde und komme mit den Tieren nicht direkt in Kontakt.
Es trat ein, was Hederer befürchtet hatte: Unmittelbar nach der Maisaussaat im April setzte ein großes Bienensterben ein, besonders am Oberrhein und in Bayern. Tausende Bienenstöcke verwaisten, die Züchter verloren ein Viertel ihrer Bestände. „Jeden Morgen liegen massenhaft tote Bienen vor den Fluglöchern”, klagte etwa der Imker Christoph Koch. Nach Aussage des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen, das mit der Untersuchung des Bienensterbens betraut wurde, ist „eindeutig davon auszugehen, dass Clothianidin hauptsächlich für den Tod der Bienen vor allem in Teilen Baden-Württembergs verantwortlich ist”
Imidacloprid und Clothianidin werden vornehmlich zur Behandlung von Raps- und Maissaatgut verwendet. Die Saat soll vor Insekten geschützt werden. Der Giftstoff steigt jedoch in die Pflanze auf und ist später in allen Pflanzenteilen zu finden. Schadinsekten sterben, wenn sie von Blättern oder Blüten fressen. Der Wirkstoff wandert aber auch in die Pollen und in den Nektar und kann dort Nutzinsekten wie Bienen schädigen. Wegen der Langlebigkeit des Wirkstoffs können selbst unbehandelte Pflanzen, auf deren Feldern Imidacloprid oder Clothianidin in den Vorjahren eingesetzt wurden, die Giftstoffe im Boden über die Wurzeln aufnehmen und eine für Bienen gefährliche Konzentration enthalten.
Der Beginn der Vermarktung von Pestiziden aus der Substanzklasse der Neonicotinoide fällt mit dem Auftreten großer Bienensterben in vielen Teilen Europas und Nordamerikas zusammen. Allein in Frankreich starben in den 90er Jahren rund 90 Milliarden Bienen. Die Honigproduktion sank dadurch um bis zu 60%. Weil Honigbienen außerdem den größten Teil der Blütenbestäubungen erbringen, gingen auch die Erträge von Äpfeln, Birnen und Raps zurück.
Die französische Regierung hat 1999 den Einsatz von Imidacloprid zur Saatgutbeizung von Sonnenblumen verboten. Die Zulassung im Maisanbau wurde 2004 aufgehoben. Auch das Nachfolgeprodukt Clothianidin erhielt in Frankreich keine Zulassung.
In Deutschland ruht die Zulassung der beiden Wirkstoffe seit Mai, der Bayer-Konzern drängt jedoch auf Wiederzulassung. Nicht etwa das Beizmittel an sich, sondern einige fehlerhaft behandelte Saatgutpartien sowie Trockenheit und starke Winde hätten nach Ansicht des Konzerns zu den „Bienenverlusten” geführt. „Anders als das Ministerium sind wir der Ansicht, dass es eine schnelle technische Lösung geben kann, ohne dass es einer Aussetzung der Zulassung bedurft hätte”, erklärte Bayer-Sprecher Utz Klage.
Im letzten Geschäftsbericht hatte der Konzern noch gejubelt: „Den weltweiten Umsatz von Clothianidin konnten wir nahezu verdoppeln.” Da fällt es leicht, die Portokasse ein wenig zu öffnen und den betroffenen Imkern 2 Millionen Euro für ihre Verluste anzubieten. Umso mehr, als Bayer damit kein Schuldeingeständnis verbunden sehen will. „Die unbürokratische Hilfe erfolgt auf freiwilliger Basis, während die Klärung des Sachverhalts noch andauert”, heißt es in der Pressemitteilung.
Am 12.August reichte die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) Strafanzeige gegen den Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning ein. Betroffene Imker beteiligen sich an der Klage. Harro Schultze, Rechtsanwalt der CBG, fordert: „Die Staatsanwaltschaft muss dringend klären, welche Bemühungen der Bayer-Konzern unternommen hat, um ein drohendes Verbot der von ihm produzierten Pflanzenschutzmittel auf dem deutschen Markt zu verhindern, nachdem in Frankreich der Verkauf längst gestoppt worden war. Es ist davon auszugehen, dass die von Bayer bei den Zulassungsbehörden eingereichten Studien derart angelegt wurden, dass die Bienengefährlichkeit der Wirkstoffe möglichst gering erschien und Pestizid-Rückstände in behandelten Pflanzen verharmlost wurden."

Der Autor ist Mitarbeiter der Coordination gegen Bayer-Gefahren e.V. ( www.CBGnetwork.org)


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