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Das Hessische Sparkassengesetz, das erst 2007 von der Koch-Regierung verkündet wurde, erfuhr damals eine starke
Ablehnung durch die Bevölkerung, Gewerkschaften, Parteien und Verbände. Die neue Mehrheit im Hessischen Landtag will es jetzt novellieren. In
welche Richtung, das ist noch umstritten.
Das Kochsche Sparkassengesetz ermöglicht es den hessischen Sparkassen,
Stammkapital zu bilden. Dieses kann vollständig oder teilweise veräußert werden. Als Erwerber kommen zwar nur öffentliche
Träger wie Gemeinden oder kommunale Zweckverbände sowie andere Sparkassen mit Sitz in Hessen und die Landesbank Hessen-
Thüringen in Frage.
Doch Kritiker sehen darin einen ersten Schritt zur Privatisierung der hessischen
Sparkassen. Denn wie so oft, wenn es um den sog. Wettbewerb geht, könnte die EU zur Zerschlagung öffentlicher Infrastruktur beitragen. Der
Ausschluss von privaten Investoren als Käufer von Sparkassen-Stammkapital könnte, wenn es hart auf hart kommt, vom Europäischen
Gerichtshof gekippt werden. Es bräuchte bei einem Veräußerungsverfahren nur einen privaten Investor, der sich durch diesen gesetzlichen
Ausschluss diskriminiert fühlt und vor dem Europäischen Gerichtshof klagt.
Der hessische Wirtschaftsminister Alois Riehl wird zwar nicht müde, mit einer
Erklärung des EU-Kommissars Charly McCreevy zu wedeln, in der dieser versichert, die EU-Kommission habe keine Bedenken gegen den Ausschluss
privater Investoren. Riehl verschweigt aber hartnäckig, dass die EU-Kommission gar nicht befugt ist, EU-Recht bindend auszulegen. Das kann nur der
Europäische Gerichtshof.
Doch selbst wenn es nicht zum Einstieg Privater käme, so entspringt die Idee,
Sparkassen handelbares Stammkapital bilden zu lassen, einem marktvulgären Renditedenken, das sich von der Ursprungsidee der Sparkassen
verabschiedet hat: Denn diese sind entstanden als regional gebundene Instrumente zur Versorgung breiter Bevölkerungsschichten mit
Bankdienstleistungen und zu einer gemeinnützigen Gewinnverwendung.
Stammkapital reduziert die Sparkassen auf ein Finanzinvestment, mit dem ein nicht
zwangsläufig aus der Region stammender Käufer — egal ob öffentlich oder privat — eine möglichst hohe Rendite zu
erzielen hofft. Gemeinwohlorientierung und regionale Bindung wären ein für alle mal verloren.
Verständlich also, dass sich die Fraktionen, die von vornherein Gegner des aktuellen
Sparkassengesetzes waren, auf Grund der aktuellen Lage im Hessischen Landtag daran machen, das Gesetz erneut zu novellieren.
Hierzu hat die SPD-Fraktion vor einiger Zeit einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der von
einem umfassenden Änderungsantrag der Grünen-Fraktion und einem knappen Änderungsantrag der LINKE-Fraktion flankiert wird. Alle
drei Parteien sind sich darin einig, die Option zur Bildung von handelbarem Stammkapital ersatzlos aus dem Gesetz zu streichen.
Hiermit wäre die Grundlage für eine Neuausrichtung des hessischen
Sparkassenwesens geschaffen. Nicht nur die Gefahr einer Privatisierung wäre gebannt, auch die Voraussetzung für die regionale Bindung der
Sparkassen würde wieder hergestellt.
Wie allerdings das hessische Sparkassenwesen in Zukunft strukturiert sein soll,
darüber besteht unter den drei Fraktionen keine Einigkeit. Der SPD-Entwurf sieht vor, dass auch der Sparkassenverband Träger von Sparkassen
werden kann.
Der Antrag der LINKEN spricht sich dagegen aus. Mit Recht, denn eine
Trägerschaft durch den Verband wäre der regionalen Bindung der Sparkassen ebensowenig dienlich wie eine Veräußerung von
Stammkapital. Zudem bestünde die Gefahr einer Konzentration des Geschäfts mehrerer Sparkassen unter der Kontrolle des Verbands. Eine
Konzentration hätte Auswirkungen sowohl für die Sparkassenkunden als auch für die Beschäftigten.
Die Grünen wollen eine Sparkassenträgerschaft durch öffentlich-
rechtliche Stiftungen möglich machen. Ihre Vorstellungen ähneln verdächtig einem von der FDP-Fraktion eingebrachten Gesetzesentwurf,
der ebenfalls ein Stiftungsmodell vorsieht.
Gegen ein Stiftungsmodell spricht in erster Linie, dass das Hessische Stiftungsgesetz nur
bis 2012 gilt und dann novelliert werden muss. Wenn also heute eine Sparkasse der Trägerschaft einer öffentlich-rechtlichen Stiftung unterstellt
würde, bedeutet dies zwar im Moment noch keine Privatisierungsoption. Was aber, wenn das Hessische Stiftungsgesetz 2012 entsprechend
geändert wird?
In ihrem Gutachten zum deutschen Finanzsystem vom Juni 2008 empfehlen die sog.
Wirtschaftsweisen ebenfalls ein Stiftungsmodell für die deutschen Sparkassen. Damit würde der politische Einfluss auf die Sparkassen
zurückgedrängt. Doch gerade der politische Einfluss sichert die Sparkassen als sozial- und wirtschaftspolitische Steuerungsinstrumente.
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