SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2008, Seite 02

Sieben Fragen

zur Finanzkrise

von ANGELA KLEIN

1Sind die Banker schuld an der derzeitigen Finanzkrise?
Zumindest die Angestellten der Privatbanken bekommen eine Provision für den Verkauf von Wertpapieren. Sie bilden einen Teil ihres Gehalts. Damit wird die Konkurrenz unter den Bankern geschürt; sie stehen unter starkem Erfolgsdruck. Sie haben also schon von daher nicht allein die Interessen der Kunden im Auge.
Wer sein Geld zu einer privaten Bank trägt, muss wissen, dass es ihm nur noch eingeschränkt gehört. Umfassend verantwortlich kann eine Bank nur dann gemacht werden, wenn sie in öffentlichem Eigentum ist. Alle Banken sollten in öffentliches Eigentum überführt werden. Das Kreditwesen ist nicht dazu da, dass Einzelne sich bereichern, es ist dazu da, das Gemeinwohl zu fördern. Es ist ein öffentliches Gut.

2Ist das Geld bei öffentlichen Banken besser untergebracht?
Die Sparkassen rühmen sich dessen, und für viele kleinere öffentlich-rechtliche oder genossenschaftliche Institute gilt das auch. Aber es gibt auch viele öffentliche Banken (vorneweg die Landesbanken), die sich am Karussell der Spekulation mit sog. Derivaten beteiligt haben. Diese Banken haben ihr Geschäftsmodell seit den 90er Jahren geändert; mit Billigung und z.T. Förderung der Politik haben sie ihren öffentlichen Auftrag verletzt.
Es reicht deshalb überhaupt nicht, nur die Verstaatlichung der Banken zu fordern. Die Banken müssen auch — und zwar alle — auf ein Geschäftsmodell festgelegt werden, das sich nicht die kurzfristige Erwirtschaftung hoher Renditen zum Ziel setzt, sondern die Sicherung der Einlagen und ihre Investition in eine sinnvolle Wirtschaftsförderung. Das kann nur der Gesetzgeber.
Vor allem muss die weitere Privatisierung der Sparkassen mit allen Mitteln verhindert werden.

3Ist die Politik die Erfüllungsgehilfin der Banken?
Die Regierung und die Parlamente in Bund und Ländern haben die Gesetze gemacht, die die Verbreitung hochspekulativer Finanzpapiere erst ermöglicht haben. Insofern trifft sie eine Hauptverantwortung. Die Finanzminister sind auch verantwortlich, dass die Finanzaufsicht so lasch gehandhabt wurde. Steinbrück gibt dieser Tage den Helden — dabei müsste man ihn des Amtes entheben.
Die Gesetze über die Deregulierung der Finanzmärkte müssen rückgängig gemacht werden: Wiedereinführung der Kapitalverkehrskontrollen, feste Wechselkurse und die Rückkehr zum Goldstandard, und vor allem das Verbot der Derivate müssen ganz oben auf die Tagesordnung.

4War das Rettungspaket der Bundesregierung richtig?
Weil niemand weiß, wo sich die faulen Kredite überall verstecken, trifft die Kreditkrise „gute” wie „schlechte” Anlagen. Die Panik an den Börsen und die Spekulation auf die Baisse konnte nur durch eine konzertierte politische Aktion gestoppt werden. Insofern war es richtig, dass die Regierungen mit ihren Garantien die weitere Talfahrt gestoppt haben.
Es war im Übrigen auch notwendig, dass die Aktion international abgestimmt wurde. Die Maßnahmen einzelner Nationalstaaten wie Großbritannien oder Island haben nicht ausgereicht. Das Volumen, um das es geht, übersteigt inzwischen das Bruttoinlandsprodukt großer Staaten.
Die Rettungspakete schieben dem schlechten Geld aber nur gutes hinterher. Sie gehen überhaupt nicht an die Ursachen der Finanzkrise — die private Verschuldung —, sie stoppen nicht einmal das Spekulationswesen. Sie bieten den Banken gegen lächerliche Auflagen an, ihre schlechten Kredite zu übernehmen — mit dem Geld der Steuerzahler. Sie verzichten weiter darauf, das Kreditwesen wirksam zu kontrollieren. Sie schieben der enormen privaten Verschuldung nur eine öffentliche hinterher, ohne dass sich an dem Spiel etwas ändert.
Das Spiel muss gestoppt werden, nicht nur einzelne Spieler!

5Welche Auflagen hätte die Bundesregierung machen müssen?
Vor allem die der öffentlichen Kontrolle der Bücher der Banken. Das Finanzgebaren des Bundes kontrolliert der Bundesrechnungshof und liefert darüber regelmäßig einen Bericht ab. Warum soll nicht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit dem Auftrag ausgestattet werden, das Gebaren aller Kreditinstitute zu kontrollieren und darüber zu berichten? Sie müsste allerdings unabhängig sein. Dafür müssen sich die Banken allerdings einer solchen Kontrolle unterwerfen; wo nicht, ist dies ein Grund, sie in öffentliches Eigentum zu überführen.
Die Finanzkrise zeigt im übrigen auch, wie untragbar die EU-Verträge von Maastricht bis Lissabon sind. Artikel 56 des Vertrags von Lissabon verbietet jede Einschränkung des Kapitalverkehrs. Wir sehen jetzt, wohin das führt. Die Verträge müssen zugunsten von solchen gekündigt werden, die das Fundament für ein solidarisches Europa legen.

6Die Leute regen sich darüber auf, dass den Banken geholfen wird, für Arme und Notleidende aber kein Geld da ist.
Die Bundesregierung muss erklären, warum sie in der Lage ist, mit der Ausgabe neuer Staatsanleihen bis zu 100 Milliarden Euro einen Nebenhaushalt zu schaffen, um die Banken zu schützen, wenn es aber um Kinderarmut geht, um die Sanierung heruntergekommener Schulen, die Einstellung von Lehrern, die flächendeckende Versorgung mit Kitas u.a., fällt ihr nur ein: Es ist kein Geld da. Dafür müssen Staatsanleihen aufgelegt werden.
Als Betroffene in der Wall Street gegen das Rettungspaket von Paulson demonstrierten, meinte ein hellsichtiger Banker: „Warum übernimmt Paulson mit den 700 Milliarden Dollar nicht die Hypothekenschulden der Häuslebauer? Das wäre billiger und brächte mehr.” Jede Konjunkturspritze, die jetzt vorbereitet wird, muss daran gemessen werden, ob sie den unteren Einkommensschichten mehr Einkommen verschafft: durch Regelsatzerhöhung, Mindestlohn, Mindestrente, ausreichende Absicherung gegen Preissteigerungen.
Es darf auch keine Hilfen des Staates an die Industrie geben, die nicht an die Auflagen geknüpft ist, dass die Industrie in einen entsprechenden Fonds einzahlt. Damit kann die Binnenkonjunktur angekurbelt und der Rezession entgegengewirkt werden.

7Ist es nicht richtig, dass die Bundesregierung die Gehälter der Banker jetzt auf 500000 Euro begrenzt?
Das ist nur eine Kannvorschrift, und betrifft nur die Banken, die Gelder aus dem neuen Fonds in Anspruch nehmen. Und es ist immer noch eine Gehaltshöhe, die sich nicht rechtfertigt.
Die Finanzkrise zeigt aber, dass es ohne staatliche Regulierung nicht geht. Wir müssen nun darüber streiten, was reguliert werden soll und mit welchem Ziel. Es gibt eine erhöhte Sensibilität dafür, dass Banken und Unternehmen in der öffentlichen Verantwortung stehen. Die muss definiert werden.
Zunächst muss für Einkommen eine Mindestgrenze, aber auch eine Höchstgrenze festgelegt werden. Das Kreditwesen muss darauf orientiert werden, das überreichlich vorhandene Geld in eine wirtschaftliche Entwicklung zu investieren, die weg von Kohle und Öl, von der Rüstung und vom Auto kommt. Und schließlich muss die Entwicklungshilfe angehoben werden.


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