SoZ - Sozialistische Zeitung |
1Sind die Banker schuld an der derzeitigen Finanzkrise?
Zumindest die Angestellten der
Privatbanken bekommen eine Provision für den Verkauf von Wertpapieren. Sie bilden einen
Teil ihres Gehalts. Damit wird die Konkurrenz unter den Bankern geschürt; sie stehen
unter starkem Erfolgsdruck. Sie haben also schon von daher nicht allein die Interessen der
Kunden im Auge.
Wer sein Geld zu einer
privaten Bank trägt, muss wissen, dass es ihm nur noch eingeschränkt gehört.
Umfassend verantwortlich kann eine Bank nur dann gemacht werden, wenn sie in öffentlichem
Eigentum ist. Alle Banken sollten in öffentliches Eigentum überführt werden.
Das Kreditwesen ist nicht dazu da, dass Einzelne sich bereichern, es ist dazu da, das
Gemeinwohl zu fördern. Es ist ein öffentliches Gut.
2Ist das Geld bei öffentlichen Banken besser
untergebracht?
Die Sparkassen rühmen
sich dessen, und für viele kleinere öffentlich-rechtliche oder genossenschaftliche
Institute gilt das auch. Aber es gibt auch viele öffentliche Banken (vorneweg die
Landesbanken), die sich am Karussell der Spekulation mit sog. Derivaten beteiligt haben. Diese
Banken haben ihr Geschäftsmodell seit den 90er Jahren geändert; mit Billigung und
z.T. Förderung der Politik haben sie ihren öffentlichen Auftrag verletzt.
Es reicht deshalb
überhaupt nicht, nur die Verstaatlichung der Banken zu fordern. Die Banken müssen
auch — und zwar alle — auf ein Geschäftsmodell festgelegt werden, das sich
nicht die kurzfristige Erwirtschaftung hoher Renditen zum Ziel setzt, sondern die Sicherung
der Einlagen und ihre Investition in eine sinnvolle Wirtschaftsförderung. Das kann nur
der Gesetzgeber.
Vor allem muss die weitere
Privatisierung der Sparkassen mit allen Mitteln verhindert werden.
3Ist die Politik die Erfüllungsgehilfin der Banken?
Die Regierung und die
Parlamente in Bund und Ländern haben die Gesetze gemacht, die die Verbreitung
hochspekulativer Finanzpapiere erst ermöglicht haben. Insofern trifft sie eine
Hauptverantwortung. Die Finanzminister sind auch verantwortlich, dass die Finanzaufsicht so
lasch gehandhabt wurde. Steinbrück gibt dieser Tage den Helden — dabei müsste
man ihn des Amtes entheben.
Die Gesetze über die
Deregulierung der Finanzmärkte müssen rückgängig gemacht werden:
Wiedereinführung der Kapitalverkehrskontrollen, feste Wechselkurse und die Rückkehr
zum Goldstandard, und vor allem das Verbot der Derivate müssen ganz oben auf die
Tagesordnung.
4War das Rettungspaket der Bundesregierung richtig?
Weil niemand weiß, wo
sich die faulen Kredite überall verstecken, trifft die Kreditkrise „gute” wie
„schlechte” Anlagen. Die Panik an den Börsen und die Spekulation auf die
Baisse konnte nur durch eine konzertierte politische Aktion gestoppt werden. Insofern war es
richtig, dass die Regierungen mit ihren Garantien die weitere Talfahrt gestoppt haben.
Es war im Übrigen auch
notwendig, dass die Aktion international abgestimmt wurde. Die Maßnahmen einzelner
Nationalstaaten wie Großbritannien oder Island haben nicht ausgereicht. Das Volumen, um
das es geht, übersteigt inzwischen das Bruttoinlandsprodukt großer Staaten.
Die Rettungspakete schieben
dem schlechten Geld aber nur gutes hinterher. Sie gehen überhaupt nicht an die Ursachen
der Finanzkrise — die private Verschuldung —, sie stoppen nicht einmal das
Spekulationswesen. Sie bieten den Banken gegen lächerliche Auflagen an, ihre schlechten
Kredite zu übernehmen — mit dem Geld der Steuerzahler. Sie verzichten weiter
darauf, das Kreditwesen wirksam zu kontrollieren. Sie schieben der enormen privaten
Verschuldung nur eine öffentliche hinterher, ohne dass sich an dem Spiel etwas
ändert.
Das Spiel muss gestoppt
werden, nicht nur einzelne Spieler!
5Welche Auflagen hätte die Bundesregierung machen
müssen?
Vor allem die der
öffentlichen Kontrolle der Bücher der Banken. Das Finanzgebaren des Bundes
kontrolliert der Bundesrechnungshof und liefert darüber regelmäßig einen
Bericht ab. Warum soll nicht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit dem
Auftrag ausgestattet werden, das Gebaren aller Kreditinstitute zu kontrollieren und
darüber zu berichten? Sie müsste allerdings unabhängig sein. Dafür
müssen sich die Banken allerdings einer solchen Kontrolle unterwerfen; wo nicht, ist dies
ein Grund, sie in öffentliches Eigentum zu überführen.
Die Finanzkrise zeigt im
übrigen auch, wie untragbar die EU-Verträge von Maastricht bis Lissabon sind.
Artikel 56 des Vertrags von Lissabon verbietet jede Einschränkung des Kapitalverkehrs.
Wir sehen jetzt, wohin das führt. Die Verträge müssen zugunsten von solchen
gekündigt werden, die das Fundament für ein solidarisches Europa legen.
6Die Leute regen sich darüber auf, dass den Banken
geholfen wird, für Arme und Notleidende aber kein Geld da ist.
Die Bundesregierung muss
erklären, warum sie in der Lage ist, mit der Ausgabe neuer Staatsanleihen bis zu 100
Milliarden Euro einen Nebenhaushalt zu schaffen, um die Banken zu schützen, wenn es aber
um Kinderarmut geht, um die Sanierung heruntergekommener Schulen, die Einstellung von Lehrern,
die flächendeckende Versorgung mit Kitas u.a., fällt ihr nur ein: Es ist kein Geld
da. Dafür müssen Staatsanleihen aufgelegt werden.
Als Betroffene in der Wall
Street gegen das Rettungspaket von Paulson demonstrierten, meinte ein hellsichtiger Banker:
„Warum übernimmt Paulson mit den 700 Milliarden Dollar nicht die Hypothekenschulden
der Häuslebauer? Das wäre billiger und brächte mehr.” Jede
Konjunkturspritze, die jetzt vorbereitet wird, muss daran gemessen werden, ob sie den unteren
Einkommensschichten mehr Einkommen verschafft: durch Regelsatzerhöhung, Mindestlohn,
Mindestrente, ausreichende Absicherung gegen Preissteigerungen.
Es darf auch keine Hilfen des
Staates an die Industrie geben, die nicht an die Auflagen geknüpft ist, dass die
Industrie in einen entsprechenden Fonds einzahlt. Damit kann die Binnenkonjunktur angekurbelt
und der Rezession entgegengewirkt werden.
7Ist es nicht richtig, dass die Bundesregierung die
Gehälter der Banker jetzt auf 500000 Euro begrenzt?
Das ist nur eine
Kannvorschrift, und betrifft nur die Banken, die Gelder aus dem neuen Fonds in Anspruch
nehmen. Und es ist immer noch eine Gehaltshöhe, die sich nicht rechtfertigt.
Die Finanzkrise zeigt aber,
dass es ohne staatliche Regulierung nicht geht. Wir müssen nun darüber streiten, was
reguliert werden soll und mit welchem Ziel. Es gibt eine erhöhte Sensibilität
dafür, dass Banken und Unternehmen in der öffentlichen Verantwortung stehen. Die
muss definiert werden.
Zunächst muss für
Einkommen eine Mindestgrenze, aber auch eine Höchstgrenze festgelegt werden. Das
Kreditwesen muss darauf orientiert werden, das überreichlich vorhandene Geld in eine
wirtschaftliche Entwicklung zu investieren, die weg von Kohle und Öl, von der
Rüstung und vom Auto kommt. Und schließlich muss die Entwicklungshilfe angehoben
werden.
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