SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2008, Seite 04

IGM-Tarifrunde

8% müssen her

von UDO BONN

Auf der 19. Vertrauensleutekonferenz der IG Metall war die Debatte des ersten Tages geprägt von der Krise der Finanzmärkte und ihren Auswirkungen auf die Tarifrunde. Am Ende des Tages waren sich der Erste Vorsitzende Berthold Huber und alle Diskutierenden einig: Die Forderung nach 8% mehr Lohn ist berechtigt, nichts muss zurückgenommen werden. Die Nettogewinne in der Metall- und Elektroindustrie sind zwischen 2004 und 2007 um 220% gestiegen (in 2007: 47,7 Milliarden Euro), die Einkommen in diesem Sektor aber lediglich um 10%.
Katinka Poengen, 2.Bevollmächtigte der IG Metall Frankfurt, konterte den Ausspruch des Präsidenten von Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, die IG Metall hätte wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank: „Die Kanne ist voll, die Tassen sind leer, 8% müssen her."
Schockiert war Gesamtmetall nicht nur von der Höhe der Forderung, sondern auch davon, dass die IG Metall einen gerechten Anteil der Beschäftigten an den Gewinnen der Unternehmen will.
Umverteilung darf nicht sein. Kannegiesser hat auch gleich eine schlüssige Erklärung parat: Nur durch eine Erhöhung des Eigenkapitals sei man gewappnet gegen die Unsicherheiten am Kapitalmarkt.
Am liebsten wäre es Gesamtmetall, zur Berechnung der Höhe der Tarifforderung würde nur der Produktivitätszuwachs herangezogen; der Ausgleich der Preissteigerungen ist den Unternehmern seit Jahren schon zu viel. Kannegiesser droht mit Arbeitsplatzabbau, Zerstörung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Tarifflucht — und das ganz unabhängig von den Crashs an den Finanzmärkten.
Die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie argumentieren zurückhaltender mit dem Bankenkrach als die Presse, die ein Almagam aus fallenden Börsenkursen und rückläufiger Automobilproduktion erzeugt, um die IG Metall zu fragen: Ist eine so hohe Tarifforderung nicht schädlich für die Gesamtwirtschaft, muss jetzt nicht zurückgerudert werden, ist dies nicht die Zeit für Schlichter statt für Warnstreiks?
Tatsächlich fällt es in diesem Kuddelmuddel von halbgaren Erklärungsversuchen, rückläufigen Auftragseingängen und dem Ausfall von Produktionsschichten in der Autoindustrie auch Gewerkschaftsmitgliedern nicht ganz leicht, Kurs zu halten. Wenn Berthold Huber in einem langen Spiegel-Interview am 13.10. andeutet, eine längere Laufzeit von zwanzig Monaten sei in Anbetracht der Unwägbarkeiten denkbar, sendet er Signale, die die Kolleginnen und Kollegen verunsichern.
Ist Zurückhaltung doch angebracht?
Lohnzurückhaltung wird die abflauende Konjunktur nicht stoppen, eher wird die Binnennachfrage durch einen mäßigen Abschluss noch weiter geschwächt. Es ist genug Geld da, das anders verteilt gehört. Diese einfache Botschaft muss in den nächsten Wochen verbreitet werden, damit die bundesweite Warnstreikwelle in der ersten Novemberwoche zum vollen Erfolg wird.


Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang