SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2008, Seite 04

Casino-Kapitalismus

Rien ne va plus

von DIETER BRAEG

Um den Untergang des Kapitals zu verhindern, wird jede Wahrheit geopfert. Die Welt der Witzemacher, der Speichellecker und der Schleimspurgesellen haben keinen, der ihnen das Echo gibt, damit sie hören können, wie sie lügen.
"Die Renten sind sicher”, log Norbert Blüm, und wenn nun die halbe Welt den Bürgerinnen und Bürgern garantiert, die Spareinlagen seien sicher, dann ist dieses Versprechen nicht einmal den Fernsehbildschirm wert, von dem es dem Volk verkündet wird. Ein Ausbeutungskreislauf nähert sich dem Untergang, und alle versuchen sich selbst und andere dumm zu reden, damit das Kapital, verantwortlich für Kriege, menschenunwürdige Lebensverhältnisse und kriminelle Arbeitsplätze überleben kann.
Nicht die Begräbnisfeierlichkeiten werden eingeleitet, nein, man redet das Volk blöd und den, der das Übel verursachte, gesund. „Kollegen, die Kapitalisten sind Schweine”, lehrte mich vor mehr als 50 Jahren ein alter kommunistischer österreichischer Gewerkschafter, als ich meinen ersten gewerkschaftlichen Bildungslehrgang als naiver Jungarbeiter besuchte. Kurz danach tötete eine der Walzen im Baustahlwalzwerk im 10.Bezirk in Wien einen meiner Arbeitskollegen, man hatte Schutzvorrichtungen abmontiert, um den Akkord zu schaffen. Der Tod war und ist ein Meister des Kapitals. Warum schafft man es nicht ab? Warum ist jede fundierte Kritik an den Zuständen, in denen sich diese Welt dem Untergang nähert, nicht gefragt? Atomstrom ist plötzlich billig, wenn er aus Kraftwerken stammt, die eigentlich verschrottet werden sollen, und die Braunkohle ist die Zukunft, für all jene, die solidarisch mit uns ersticken werden. Da tröstet es wenig, dass es fette Renditen gab.
Das Volk sitzt vor dem Fernsehschirm und sieht die ganzen „Achtung-Kontrolle-Sendungen” wo man den kleinen Mann für Straßenverkehrsverstöße, Schwarzarbeit, Pinkeln in der Öffentlichkeit, Bakterien im Kühlregal mit Ordnungsstrafen belegt. Der Kontrolldeutsche beherrscht den kleinen Mann — aber in eine Bank hat er sich nie getraut, um dort zu sagen: „Bücher auf den Tisch” — damit endlich die Zocker, Provisionshaie, die Büttel des Kapitals entlarvt und entmachtet werden. Das Niederträchtige ist, dass man nun predigt: „Ihr habt auf Pump gelebt, was wundert ihr euch, wenn die Banken eingehen?” Das ist die Niedertracht, mit der man fürs eigene Überleben sorgt.
Im Spielkasino Erde stehen sie an den Slotmaschinen, pokern und lassen die Kugel rollen. Irgendwann vor dem Stillstand der Kugel schreit einer: „Nichts geht mehr!” Wenn nichts mehr geht, gewinnt die Bank mit Namen Kapitalismus.


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