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Ja, aus unserer Sicht war der 20.9. in Köln wunderbar. Aber
es gab und gibt auch einige Wermutstropfen. Der Reihe nach.
Wir vom Bündnis gegen
„Pro Köln” begannen bereits im März mit der Mobilisierung; der
frühe Beginn war wesentlich für den Erfolg. Eine wichtige Rolle spielte darin das
Bündnis AKKU (Antifa Köln und Umgebung), es bereitete die Sitzungen vor und
entwickelte zusammen mit „Geblockt” das Blockadekonzept vor dem Hintergrund der
Erfahrungen in Heiligendamm.
Bei aller Entschlossenheit, den Aufmarsch der Rechten zu verhindern wussten wir, dass das
nur geht, wenn wir die Bevölkerung jenseits des Antifa-Spektrums und der traditionellen
linken und linksradikalen Strukturen erreichen. Deshalb machten wir klar: Wir wollen
blockieren, verstopfen und die Antiislamkonferenz verhindern, aber wir betonten auch: Es geht
uns dabei um zivilen Ungehorsam, in der Tradition des passiven Widerstands.
Von Anfang an bemühten
wir uns um eine möglichst breite Unterstützung, was hervorragend gelang. Neben den
üblichen Verdächtigen (von moderat antideutschen Antifa-Strukturen über die
Partei DIE LINKE und andere linke Organisationen wie SAV, DKP und IL (Interventionistische
Linke), waren von Anfang an auch Attac, die DGB-Jugend Köln, die Ver.di-Jugend, die
Bezirksschülervertretung, die Schüler gegen Rechts und der Dachverband der Fan-Clubs
des 1.FC Köln dabei.
Den Blockadeaufruf
unterschrieben die gesamte Kölner Kabarettszene von Heinrich Pachl bis zur Stunksitzung,
Lokalpolitiker der Grünen, die Grüne Jugend NRW, Professoren der Hochschulen,
Kulturschaffende usw — insgesamt mehr als hundert Organisationen und sog. Promis.
Zwei Monate nach unserem Start
protestierte der DGB in einem Aufruf an die Öffentlichkeit heftig gegen die
Antiislamkonferenz und kündigte mehrere Aktionen dagegen an: eine Kundgebung vor dem Dom,
Demonstration und Menschenkette um den Heumarkt (Treffpunkt der Antiislamkonferenz) sowie eine
Neuauflage des legendären Arsch-huh-Konzerts der Kölner Rockszene von 1992. Dreimal
trafen wir uns mit dem DGB.
Ergebnis war die Vereinbarung
einer arbeitsteiligen Zusammenarbeit für den 20.9. Arbeitsteilig hieß, der DGB
machte seine Veranstaltungen und wir unsere Blockade. Die Zusammenarbeit bestand in der
personellen Schnittmenge von Unterschriften unter beide Aufrufe. Am Tag selbst fand
zeitversetzt auf ein und demselben Platz unsere Blockadeauftaktveranstaltung und das Arsch-
huh-Konzert statt und es gab die Möglichkeit von Redebeiträgen von unserem
Bündnis auf der DGB-Bühne.
Die Pressearbeit war schwierig. Aber wir schafften es, in alle Medien, vom Kölner
Stadtanzeiger bis zum ZDF. Über die Aktionen wurde dann in der ganzen Welt berichtet.
Nur, nach dem 20.9. wurden die
Blockaden in der örtlichen Presse zwar nicht verschwiegen, aber es überwog die
Berichterstattung über die Aktionen der Gewerkschaften, Arsch huh u.a.
Lokal: Es gab mindestens zwanzig Mobilisierungsveranstaltungen der beteiligten Gruppen,
Parteien und Organisationen. Einige Aktivisten aus dem Roter-Stern-Milieu starteten die
geniale Kampagne „Kein Kölsch für Nazis” und gewannen damit die
Lufthoheit über alternative und altlinke Stammtische. Weit über hundert Kneipen und
zig Musikgruppen unterzeichneten den Aufruf und organisierten eigenständig
Veranstaltungen, die auch für das Gesamtprojekt viel Geld einbrachten.
Regional kam
Unterstützung vor allem von der Antifa KOK aus Düsseldorf und der Antifa Leverkusen;
auch NRW-Gruppen der Grünen Jugend, von Attac, DIE LINKE und der Antifa trugen das Ihre
bei. Bundesweit hatten neben anderen Antifa-Gruppen vor allem die der IL mobilisiert.
Auf internationaler Ebene gab
es einen Bus aus Belgien und einen der LCR aus Frankreich.
Laut Zeitungsberichten nahmen
an den Kölner Protesten zwischen zwischen 20000 und 50000 Menschen teil. Wir können
nur was zu den Blockadepunkten sagen. Da waren etwa 5000—7000 Leute, und das war toll.
Hier gerieten sogar örtliche Journalisten ins Schwärmen, viele, die über die
Logistik berichten wollten, wurden dann von ihren Redaktionskonferenzen ausgebremst.
Bezüglich dieser Logistik gab es viele, zum Teil auch sehr hitzige Diskussionen in der
entsprechenden Arbeitsgruppe. Ein Problem war der Transfer der Planungen in das
Gesamtbündnis. Alle wollten vollständige Transparenz, was aber nicht möglich
war, denn spätestens hier war die staatliche Aufsicht mit dabei. In Zukunft müsste
bei der Planung derartiger Aktionen eine solche Gruppe demokratisch legitimiert werden, um
dann Vertrauen einfordern zu können.
Im konkreten Fall hat die
Choreografiegruppe erfolgreich agiert. Das Konzept mit vorher abgesprochenen
Blockadepunktbesetzungen einerseits und einer Blockadeauftaktveranstaltung andererseits, mit
einem zentralen Organisationsbüro, einem Lotsen- und Meldersystem hat sich bewährt.
Die Blockade hat gehalten, und die Nazis konnten ihre Veranstaltung nicht durchziehen.
Nicht so schön war, dass am Schluss 500 Personen eingekesselt waren. Davon wurden 420
in die Gefangenensammelstelle vor die Tore der Stadt gebracht. Wir hatten dem aktuell nichts
entgegenzusetzen. Unter den 420 waren 74 Jugendliche, die spätestens um 18 Uhr
hätten entlassen werden müssen. Sie durften ab 22 Uhr die Sammelstelle verlassen,
die letzten um 1.30 Uhr.
260 Personen wurden
festgenommen. 120 davon werden laut Polizeibericht angezeigt. So viele Festnahmen gab es in
Köln noch nie. Dagegen werden wir eine Kampagne führen. Dreimal hatten wir damit in
Köln in der Vergangenheit schon Erfolg.
Aber nicht nur die Polizei hat
unsere Aktionsform nicht verstanden, auch einige Leute mit Antifa-Absichten haben nicht
verstanden, dass das eine Aktion des zivilen Ungehorsams sein sollte. Dabei kann man nicht aus
der dritten Reihe Gegenstände auf Polizisten werfen, und dabei zum Teil noch eigene Leute
in der ersten Reihe der Blockade treffen. Da muss noch Überzeugungsarbeit geleistet
werden.
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