SoZ - Sozialistische Zeitung |
Das V.Europäische Sozialforum, das vom 18. bis 21.September
in Malmö stattfand, war nicht auf der Höhe der Zeit.
Zunächst war die
Beteiligung enttäuschend gering: Mit 20000 Teilnehmenden hatten die Organisatoren
gerechnet, etwa 8000 waren es dann. Die Attraktivität dieser Veranstaltung geht deutlich
zurück.
Die Gewerkschaften:
Anfänglich schien es, als würden vor allem die schwedischen Gewerkschaften die
Gelegenheit wahrnehmen — zumindest wurde damit stark geworben. Doch der LO war nur
schwach vertreten. Die Gewerkschaftsjugend hatte, einer Initiative der IG-Metall-Jugend
folgend, im Rahmen des ESF ein eigenes Zeltlager mit eigenem Programm organisiert und massiv
dafür mobilisiert. Von den angekündigten 2000 Teilnehmenden aus ganz Europa sind
dann aber auch da nur etwas über 500 übrig geblieben.
Dabei wurde so viel wie noch
nie über die realen Probleme gesprochen, die die entfesselte Konkurrenz in den Betrieben
schafft: Produktionsverlagerungen, eine dramatische Zunahme der Arbeitsunfälle, die
Zurückdrängung der gewerkschaftlichen Rechte usw. Allerdings waren die anwesenden
Gewerkschafter nicht imstande, dringende Initiativen wie die nach einem europäischen
Mindestlohn wirklich in europäische Aktionsperspektiven umzusetzen.
Das Netzwerk „Arbeit und
Globalisierung”, das Gewerkschaften und soziale Bewegungen umfasst, arbeitet am
unverbindlichsten von allen. Während es keine Schwierigkeit bereitete, sich im kommenden
Jahr zu europäischen Großaktionen gegen die NATO, den Klimagipfel der UN und die G8
zu verständigen, war es unmöglich, eine breit getragene Initiative für ein
soziales Europa — und schon gar nicht für die endgültige Beerdigung des
Lissabon-Vertrags — zuwege zu bringen.
Ohne die Zustimmung des EGB
hängt die soziale Mobilisierung in der Luft, dieser aber folgt seiner eigenen Logik und
sucht nur sehr eingeschränkt die Zusammenarbeit.
So blieb übrig, dass die
Franzosen am 6.Dezember die Initiative zu einer übernationalen Demonstration gegen die
EU-Arbeitszeitrichtlinie ergreifen.
Die Jugend: Sie war auf dem
Forum nur sehr schwach, dafür stark auf der Demonstration vertreten, die immer im Rahmen
des ESF stattfindet. Die war sowieso ein Highlight: An die 15000 Menschen hatte das Nordische
Organisationskomitee mobilisiert, die Mehrheit davon aus Schweden. Zu diesem Zweck wurde die
Tradition der örtlichen Bildungszirkel wieder belebt, in denen der örtlichen
Bevölkerung Ziel und Zweck des Sozialforums nahe gebracht werden konnten.
Alles was irgendwie links und
oppositionell war, war bei dieser Demonstration auf den Beinen. Der antikapitalistische Block
war sehr stark, aber auch die Umweltorganisationen, die verschiedenen Nationalitäten der
politischen Emigration, Schwulen und Lesben und eben die Jugendlichen. So gibt es
augenscheinlich eine Kluft zwischen einer Radikalisierung in der Bevölkerung und der
begrenzten Fähigkeit des Sozialforums, diese aufzugreifen.
Dies hat einen politischen und
einen organisationspolitischen Grund. Der organisationspolitische Grund hängt mit den
Besonderheiten der skandinavischen politischen Kultur zusammen, die noch stark
sozialdemokratisch, und das heißt: hierarchisch, geprägt ist. Dass es in einem
nationalen Vorbereitungskomitee heftige politische Auseinandersetzungen gibt, ist nicht
ungewöhnlich.
Bislang konnten diese immer
überwunden werden, weil den europäischen Vorbereitungstreffen die Möglichkeit
gegeben wurde zu intervenieren und Auswege zu finden. In Malmö war das nicht der Fall; da
war es nicht möglich, den Konflikt zwischen Attac, der Linkspartei und der
anarchistischen Strömung zu überbrücken. Darunter haben Organisation,
Anziehungskraft und schließlich auch das Programm stark gelitten.
Der politische Grund hat mit
den Skandinaviern nichts zu tun. Er liegt einfach darin, dass die bisherige Stärke des
Sozialforums — seine politische Breite — droht, zu einer Schwäche zu werden
in einer Situation, die zunehmend zugespitzte, klare und aktionsorientierte Antworten
verlangt. In den drei zentralen politischen Fragen, die zum Zeitpunkt des Forums virulent
waren — der Georgienkrieg, das Nein zum EU-Vertrag und die Finanzkrise — war es
nicht möglich, eine gemeinsame Initiative zu lancieren, zu unterschiedlich waren die
Positionen.
Zum Glück hat niemand
versucht, so etwas mit Macht durchzusetzen, daran würde das Sozialforum zerbrechen. Es
ist aber ganz offensichtlich, dass daneben auf europäischer Ebene antikapitalistische
Initiativen erforderlich sind, die weder dem alten Nationalstaat nachtrauern noch die EU zu
einem Superstaat machen wollen, und die das Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht auf
dem Altar der Staatsräson opfern.
Das bedeutet noch nicht, dass
sich das Sozialforum überlebt hätte. Es bleibt im Gegenteil wegen der Schwäche
der Linken bis auf weiteres ohne Alternative und muss weiter entwickelt werden.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |