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In der Berliner Landespolitik wird gerade ein denkwürdiges Stück
aufgeführt. Dabei geht es um Bildung und Erziehung, aber auch um Demokratie, um die Frage, wie viel direkte
Einflussnahme der Bevölkerung in der real existierenden Demokratie erlaubt wird.
Die vollmundigen Erklärungen aller Parteien
über die überragende Bedeutung der Bildung für die Zukunft der Gesellschaft sind Legion. Doch
auch Bildung will finanziert sein; und nicht erst in der Schule, sondern auch schon bei Kleinkindern. Gerade in
dieser Altersphase werden die Grundlagen für die spätere Entwicklung gelegt.
Verschiedene Pisa-Studien weisen darauf hin,
dass hier zu wenig passiert und die soziale Selektion in Deutschland so scharf ist wie sonst nirgends in Europa.
Der Berliner Senat ist auf diesem Gebiet nicht untätig, doch die Haushaltspolitik, die sich
parteiübergreifend dem „Sparen bis es quietscht” (Sarrazin) verschrieben hat, bremst das Tempo
für reale Verbesserungen enorm. Der Senat ist keineswegs mittellos, aber er hat andere Prioritäten.
Dies wollen viele Eltern nun nicht mehr
hinnehmen. Eine Umfrage des Landeselternausschusses im vergangenen Jahr hatte ergeben, dass in 94% der
Einrichtungen Personal fehlt.
Die Folgen sind fatal: Ausflüge werden
gestrichen, Sprachlerntagebücher nicht geführt, sogar das regelmäßige Wechseln der Windeln
ist in 22% der Einrichtungen nicht mehr gewährleistet. „Wir hören auch heute noch immer wieder,
dass 60 Kinder von zwei Erzieherinnen betreut werden”, sagt der Sprecher des Ausschusses, Burkhard Entrup.
Seit einem Jahr gibt es das Berliner
Kitabündnis. Mitbegründer sind unter anderem alle Eigenbetriebe der städtischen Kitas, die
Gewerkschaften und der Dachverband der freien Träger. Zentrale Forderung des Bündnisses ist ein
verbesserter Personalschlüssel bei den Kita-Beschäftigten. Bewegt hat sich bisher jedoch wenig.
Dies zu ändern und die Situation in den
Kitas erkennbar zu verbessern, ist das Ziel eines Volksbegehrens, das der Landeselternausschuss zu Beginn dieses
Jahres angestoßen hat. Mit im Boot sitzt die gesamte parlamentarische Opposition: Grüne, FDP, CDU
— Parteien also, die mit der Logik der Sarrazinschen Haushaltspolitik eigentlich im Reinen sind. Sie
wollen die Schwäche des politischen Gegners nutzen, die jetzt durch die Aktivitäten der organisierten
Elternschaft entstanden ist.
Die Initiative will die Bildungsqualität in
den Kitas durch über 2400 zusätzliche pädagogische Fachkräfte verbessern. Deshalb sollen die
Kitagruppen etwas kleiner werden. Zudem sollen alle deutschsprachigen Kinder ab drei Jahren sieben Stunden
Kitazeit (bisher fünf Stunden) ohne Bedarfsprüfung erhalten.
Für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache
soll dies schon ab zwei Jahren gelten. Der Leiter oder die Leiterin einer Kita soll bereits freigestellt werden,
wenn hundert Kinder in der Kita sind. Das hatte die „rot-rote Landesregierung” erst vor wenigen
Jahren abgeschafft.
Den Antrag auf ein Volksbegehren haben mehr als
dreimal soviel Menschen unterschrieben wie erforderlich ist: 66181. Die Zahl übertrifft auch deutlich die
gesammelten Unterschriften vorhergehender Volksbegehrensinitiativen.
Sie ist um so erstaunlicher, als das Thema
„frühkindliche Erziehung und Bildung” nicht in erster Linie von Wirtschaftsinteressen getrieben
ist, keine wirtschaftlichen Lobbyisten dahinterstehen und die Initiative finanzieren, sondern Eltern, die sich
um die Betreuung und Förderung ihrer Kinder sorgen.
Der „rot-rote” Senat hätte die
Initiative dankbar übernehmen und daraus eine Gesetzesinitiative schneidern können. Doch er hat sich
anders entschieden; er hat das Bürgerbegehren mit einer Begründung abgelehnt, die allen Konservativen
das Herz erwärmt: Die „verfassungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle” sei beim Forderungsvolumen
der Volksinitiative überschritten worden. Es würde die „Budgethoheit des Parlaments”
aushebeln.
Formell liegt diese Schwelle nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei tatsächlich denkwürdigen 0,5% des gesamten
Haushaltsvolumens. Doch nicht einmal das überzeugt. Der Landeselternausschuss kommt nämlich bei seinen
Berechnungen zum Ergebnis, dass das Forderungsvolumen der Initiative mit 0,48% unterhalb der 0,5% liegt.
So steht der „rot-rote” Senat
ziemlich nackt da. Das betrifft nicht nur seinen Einsatz für bildungspolitische Ziele sondern auch seine
Glaubwürdigkeit in Sachen demokratischer Partizipation. SPD und DIE LINKE bekämpfen in Berlin die
Vereinfachung von Volksbegehren nicht, wie aktuell die CDU in Thüringen, mit offenem Visier. Sie sorgen nur
dafür, dass sie im Sande verlaufen, wenn sie wirklich etwas bewegen könnten.
Die Landeselternvertretung ist jedoch nicht
bereit, sich der Logik zu beugen: „Das Volk darf entscheiden — nur nicht über Geld” Sie
will sich weiter engagieren. Unter anderem will sie das Berliner Verfassungsgericht anrufen.
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