SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2008, Seite 09

VAC Hanau

Nach dem Sieg der Belegschaft geht der Kampf weiter

von DIETER WEGNER

Die Belegschaft der Vacuumschmelze Hanau (VAC) hat den Fortbestand des Flächentarifvertrags durchgesetzt.
Nach einer Woche Streik für das Fortgelten des Flächentarifvertrags (FTV) gab die Geschäftsleitung der Vacuumschmelze Hanau (VAC) auf; ihr hatten nicht einmal die Gerichte geholfen. Die Belegschaft hat jedoch nicht gewonnen: Zwar gilt der FTV wieder, die Firma gibt ihre Einsparungsabsichten aber nicht auf. Die Verhandlungen zwischen der Geschäftsleitung und der IG Metall über den Umfang der Einsparungen (im Rahmen des Pforzheimer Abkommens) beginnen erst.
Vor dem Streik bestand Einigkeit zwischen IGM und Betriebsrat, der Geschäftsführung Einbußen für die Belegschaft anzubieten. Das Angebot wurde durch das Ausscheren aus dem Flächentarif hinfällig. Während die Belegschaft mit dem Streik das Ziel verfolgte, den Flächentarifvertrag wieder einzusetzen, wollte die IGM vor allem die Option des Pforzheimer Abkommens erhalten, um im Spiel zu bleiben.
Die Situation für die Belegschaft ist nach dem Streik besser, aber auch schwieriger geworden. Die FAZ vom 20.9.08 berichtet treffsicher: „Die Lage in Hanau ist vertrackt: Mit dem Streik haben IG Metall und Betriebsrat Erwartungen in der Belegschaft geschürt, dass das Opfer nicht zu groß ausfallen wird. Das Management hingegen hat nach der Rückkehr in die Tarifbindung härteste Schnitte wie Personalabbau angekündigt, um sein Einsparziel zu erreichen. Es wird viel Mühe kosten, einen Kompromiss zu finden und ihn der siegestrunkenen Belegschaft schmackhaft zu machen."
VAC war im Juni dieses Jahres aus dem Arbeitgeberverband und damit aus dem Flächentarif ausgestiegen, weil das Unternehmen freie Hand für dauerhafte Lohnsenkung und unentgeltliche Arbeitszeiterhöhung haben wollte. Der Clou daran: das Pforzheimer Abkommen, ein Vertrag zwischen den Metallarbeitgebern und der IG Metall aus dem Jahre 2004, das genau solche Abweichungen von der Tarifnorm vorsieht, sollte dazu nicht herangezogen werden. Das Abkommen besagt, dass Firmen bei schlechter Ertragslage, im Sanierungsfall oder bei wichtigen Investitionen (v.a. für bestimmte Beschäftigtengruppen) Tarifbedingungen nachverhandeln können, um Löhne zu senken und Arbeitszeiten heraufzusetzen.
Die Geschäftsführung schien der Meinung zu sein, dass Sozialabbau ohne Gewerkschaften besser funktioniert. Deutsche Gerichte haben sie eines Besseren belehrt. Seine Ziele hat VAC nach den verlorenen Prozessen beim Arbeitsgericht Hanau und beim LAG Frankfurt jedoch nicht aufgegeben. Wie die FAZ vom 17.9. schreibt, „sollen die Kosten nun anders gespart werden. Die Geschäftsführung sehe sich nunmehr gezwungen, Arbeitsplätze am Standort Hanau abzubauen. Damit entfalle auch die Beschäftigungsgarantie, die im Gegenzug zu flexiblen Arbeitszeiten für den Fall des Abschlusses eines Haustarifvertrags angeboten worden sei. Weiter werde die Auszahlung von Erfolgsbeteiligungen sowie von freiwilligen Zulagen gestrichen."
Was bei dem Arbeitskampf herauskommt, hängt von der Wachheit und dem Engagement der Belegschaft ab — ob sie ihre Sache der IG Metall und deren Verhandlungen überlässt oder ob die Verhandlungen transparent sind und die Belegschaft ständig auf Versammlungen informiert wird.
Arbeitgeberverband, Landrat, Kommunalpolitiker, Gerichte und IG Metall traten in diesem Konflikt miteinander auf. Sie demonstrierten Geschlossenheit gegen einen vermeintlichen Außenseiter, zumindest wenn sie von der streikenden Belegschaft in eine entsprechende Situation gebracht wurden. Aber werden sie der Belegschaft auch dann noch beistehen, wenn diese bei künftigen Verhandlungen darauf besteht, keinen Lohn- und keinen Personalabbau hinzunehmen?
Jetzt feiern erst mal alle zusammen ihren Sieg über die VAC-Geschäftsführung. Die Belegschaft freut sich, ihren Kapitalisten zum Rückzug gezwungen zu haben und sich der Unterstützung der ganzen Region sicher zu sein. Doch die Frage muss erlaubt sein: Was wäre gewesen, wenn die beiden Gerichte den Streik nicht erlaubt hätten (wie beim ersten Prozess gegen die GDL im Bahnstreik vor einem Jahr)?


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