SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2008, Seite 10

Ob öffentliche, private oder Genossenschaftsbanken

Alle sangen das gleiche Lied

von BENNO LEHMBROCK

Wenn es darum geht, Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen, sind viele Beteiligte schnell dabei hervorzuheben, wie gut es doch sei, dass Deutschland mit seinem dreigliedrigen System, das private, öffentliche und Genossenschaftsbanken umfasst, breit aufgestellt und damit besser gegen Krisen abgesichert sei. Stimmt das?
Die Tatsache, dass viele Sparer jetzt ihre Einlagen zu den Sparkassen umschichten, spricht zwar dafür, dass sich diese einen soliden Ruf erhalten haben. Der ist aber zum Teil besser als die Realität. Tatsächlich haben große Teile des öffentlichen und genossenschaftlichen Bankensektors beim Monopoly, das die letzten Jahre angesagt war, genau so mitgespielt wie ihre privatwirtschaftlich verfassten Schwesterinstitute. Sie haben nicht nur ebenfalls Hausfinanzierungen ihrer Privatkunden munter an Finanzinvestoren weiter verkauft, sondern dies auch mit vielen ihrer Unternehmenskredite getan. Teilweise ist das Bild, die private Sparkasse oder Genossenschaftsbank begleite ihren vor Ort angesiedelten mittelständischen Kunden durch „dick und dünn”, nur noch ein Mythos. Gerade auch viele Genossenschaftsbanken haben sich ihrer Kredite, die ansatzweise problembehaftet waren, schnell entledigt.

Unter Vertriebsdruck wie die Privaten

Anstatt ihre Kunden sorgfältig, neutral und risikoorientiert zu beraten, waren die Berater der Sparkassen und Volksbanken ähnlich wie die Kollegen bei den Privaten einem enormen Vertriebsdruck ausgesetzt. Da müssen tägliche Zielwerte vorzugsweise bei bestimmten, bevorzugten Produkten der Gruppe, zu denen eben auch Lehmann-Zertifikate gehörten, erzielt werden.
Was den Kunden gepredigt wurde, galt bei Sparkassen und Volksbanken vielfach auch mit Blick auf die eigene Liquidität. Wurde diese früher konservativ angelegt, so haben in den letzten Jahren auch die 2. und die 3.Säule des deutschen Bankensystems Milliarden in zweifelhaften Anlagen verbrannt.
Nun soll es im großen System der Raiffeisen- und Genossenschaftsbanken noch solide, traditionelle geführte Institute geben, die sich auf das klassische Geschäft der Mobilisierung von Einlagen und das Herauslegen von Konsumkrediten, Häuserfinanzierungen und Kredite für ihre mittelständischen Kunden in der Region konzentrieren. Diesen Banken geht es — so hört man — durchweg prächtig. In der Regel erwirtschaften sie für die Genossenschaftsmitglieder Renditen von 8—10% pro Jahr. Aber das sind heute eher Ausnahmen.
Auch eine Förderbank wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat sich in und vor der Finanzkrise nicht mit Ruhm bekleckert. Das ist bis in die Schlagzeilen der Boulevardpresse vorgedrungen. Dabei ist die Überweisung von 350 Millionen Euro an Lehmann Brothers kurz vor dem Konkurs gar nicht der Kern des Problems.
Es ist unstrittig, dass der Staat eine Förderbank braucht, die mittelständischen Unternehmen den Zugang zu Kredit erleichtert, die Existenzgründungen ebenso fördert wie erneuerbare Energien, die Kommunen zu günstigen Konditionen Kredite für den Bau von Abwasseranlagen bereitstellt, die für den Bund Teile der Entwicklungszusammenarbeit abwickelt. Es ist auch noch nachvollziehbar, dass die KfW — als größtes Institut dieser Art in Europa — ähnlich auch in anderen Mitgliedsländern der EU agiert.
Aber ist es Geschäftszweck der KfW, privaten Kreditinstituten inner- und außerhalb Europas große Refinanzierungslinien zur Verfügung zu stellen? Ist es Geschäftszweck der KfW, liquide Mittel in großem Umfang risikobehaftet zu investieren, um so die eigene Rendite zu optimieren? Und macht es Sinn, dass eine staatliche Förderbank intern mit ähnlichen Renditevorgaben auf das Eigenkapital und mit Systemen geführt wird, die denen der privaten Banken gleichen?
Es ist genau das Verwischen der Grenzen zwischen staatlichem Förderauftrag und privatwirtschaftlicher Renditeorientierung, die dazu geführt hat, dass eine grundsolide Bank wie die KfW von der Finanzmarktkrise voll erfasst wurde.

Rendite über alles

Bei der Lösung dieser Probleme hilft das Schwarze-Peter-Spiel zwischen staatlichen Funktionsträgern, Politik und Bankvorständen nicht weiter. Natürlich müssen Steinbrück und Glos nicht jede einzelne Überweisung überwachen, und sie müssen auch nicht jedes Gutachten seriöser Wirtschaftsprüfer und Ratingagenturen in Frage stellen. Aber man wird auch den Vertreter des Finanzministeriums fragen dürfen, wieso er im Aufsichtsrat der IKB einer Ausweitung des Geschäftes der Bank auf die Finanzierung amerikanischer Hypothekendarlehen zugestimmt hat.
Der Grund war einfach: Das solide Mittelstandsgeschäft der IKB brachte nicht die Eigenkapitalrendite, die in die Nähe der hoch gejazzten Erwartungen an die Eigenkapitalverzinsung kamen, welche die Deutsche Bank und andere vorgaben. Anstatt sich darüber zu freuen, weil es ein Zeichen für funktionierenden und intensiven Wettbewerb im Markt deutscher mittelständischer Kunden war (was dem Förderziel der staatlichen KfW-Bank und ihrer De-facto-Tochter IKB entsprach), wurden neue „Heilmittel” zur Renditesteigerung gesucht und in den zuständigen Aufsichtsgremien bewilligt. Da war auch der Staatsekretär aus dem Finanzministerium dabei.
Alle sangen das gleiche Lied — private, staatliche wie genossenschaftliche Banken. Und staatliche Organe, Bankaufsicht, Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfer haben eingestimmt. Es gab ein fast lückenloses Kartell der Gleichgesinnten.

Wozu braucht man öffentliche Banken?

Wenn es jetzt an die Aufarbeitung der Krise geht, sollte man sich mit Sorgfalt auch der Frage nach der künftigen Rolle der öffentlichen und genossenschaftlichen Banken annehmen. Sie werden nur dann eine stabilisierende Rolle im Finanzmarkt der Bundesrepublik Deutschland spielen können, wenn sie sich in Auftrag und Durchführung klar von den privaten Banken unterscheiden. Was das heißt, wird auch von Experten zu diskutieren sein, die nicht Bestandteil des Kartells waren, das die gegenwärtige Krise mitzuverantworten hat. Vermutlich kann der eine oder andere Ruheständler der alten Schule aus dem Bereich des öffentlichen und des Genossenschaftsbankenwesens mehr zu dieser Diskussion beitragen als die vielen Finanzgurus, die in den letzten zwanzig Jahren die Universitäten verlassen haben.
Das gegenwärtige Schwarzer-Peter-Spiel hat einen weiteren sehr unangenehmen Nebeneffekt. Fast alle Entscheidungsträger bei den öffentlichen Banken sind dermaßen verunsichert, dass sie sich vor lauter Angst, Fehler zu machen, kaum noch trauen, neue Kredite zu bewilligen oder auszuzahlen. Dabei hat gerade das klassische, traditionelle Kreditgeschäft der Förderbanken überhaupt keine Probleme bereitet. Dieses Geschäft und seine Risiken hatte man handwerklich ordentlich im Griff. Die „Angstspirale” kann nun dazu führen, dass auch die öffentlichen Banken zu allem Überfluss in der Krise auch noch krisenverstärkend agieren. Womit sich dann erneut die Eingangsfrage stellt, wofür öffentliche Banken eigentlich gebraucht werden.

Der Autor lebt als Finanzanalyst in Frankfurt am Main. Er schrieb den Beitrag für: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, /h5>


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