SoZ - Sozialistische Zeitung |
Wenn es darum geht, Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen, sind
viele Beteiligte schnell dabei hervorzuheben, wie gut es doch sei, dass Deutschland mit seinem
dreigliedrigen System, das private, öffentliche und Genossenschaftsbanken umfasst, breit
aufgestellt und damit besser gegen Krisen abgesichert sei. Stimmt das?
Die Tatsache, dass viele
Sparer jetzt ihre Einlagen zu den Sparkassen umschichten, spricht zwar dafür, dass sich
diese einen soliden Ruf erhalten haben. Der ist aber zum Teil besser als die Realität.
Tatsächlich haben große Teile des öffentlichen und genossenschaftlichen
Bankensektors beim Monopoly, das die letzten Jahre angesagt war, genau so mitgespielt wie ihre
privatwirtschaftlich verfassten Schwesterinstitute. Sie haben nicht nur ebenfalls
Hausfinanzierungen ihrer Privatkunden munter an Finanzinvestoren weiter verkauft, sondern dies
auch mit vielen ihrer Unternehmenskredite getan. Teilweise ist das Bild, die private Sparkasse
oder Genossenschaftsbank begleite ihren vor Ort angesiedelten mittelständischen Kunden
durch „dick und dünn”, nur noch ein Mythos. Gerade auch viele
Genossenschaftsbanken haben sich ihrer Kredite, die ansatzweise problembehaftet waren, schnell
entledigt.
Anstatt ihre Kunden sorgfältig, neutral und risikoorientiert zu beraten, waren die
Berater der Sparkassen und Volksbanken ähnlich wie die Kollegen bei den Privaten einem
enormen Vertriebsdruck ausgesetzt. Da müssen tägliche Zielwerte vorzugsweise bei
bestimmten, bevorzugten Produkten der Gruppe, zu denen eben auch Lehmann-Zertifikate
gehörten, erzielt werden.
Was den Kunden gepredigt
wurde, galt bei Sparkassen und Volksbanken vielfach auch mit Blick auf die eigene
Liquidität. Wurde diese früher konservativ angelegt, so haben in den letzten Jahren
auch die 2. und die 3.Säule des deutschen Bankensystems Milliarden in zweifelhaften
Anlagen verbrannt.
Nun soll es im großen
System der Raiffeisen- und Genossenschaftsbanken noch solide, traditionelle geführte
Institute geben, die sich auf das klassische Geschäft der Mobilisierung von Einlagen und
das Herauslegen von Konsumkrediten, Häuserfinanzierungen und Kredite für ihre
mittelständischen Kunden in der Region konzentrieren. Diesen Banken geht es — so
hört man — durchweg prächtig. In der Regel erwirtschaften sie für die
Genossenschaftsmitglieder Renditen von 8—10% pro Jahr. Aber das sind heute eher
Ausnahmen.
Auch eine Förderbank wie
die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat sich in und vor der Finanzkrise nicht mit
Ruhm bekleckert. Das ist bis in die Schlagzeilen der Boulevardpresse vorgedrungen. Dabei ist
die Überweisung von 350 Millionen Euro an Lehmann Brothers kurz vor dem Konkurs gar nicht
der Kern des Problems.
Es ist unstrittig, dass der
Staat eine Förderbank braucht, die mittelständischen Unternehmen den Zugang zu
Kredit erleichtert, die Existenzgründungen ebenso fördert wie erneuerbare Energien,
die Kommunen zu günstigen Konditionen Kredite für den Bau von Abwasseranlagen
bereitstellt, die für den Bund Teile der Entwicklungszusammenarbeit abwickelt. Es ist
auch noch nachvollziehbar, dass die KfW — als größtes Institut dieser Art in
Europa — ähnlich auch in anderen Mitgliedsländern der EU agiert.
Aber ist es
Geschäftszweck der KfW, privaten Kreditinstituten inner- und außerhalb Europas
große Refinanzierungslinien zur Verfügung zu stellen? Ist es Geschäftszweck der
KfW, liquide Mittel in großem Umfang risikobehaftet zu investieren, um so die eigene
Rendite zu optimieren? Und macht es Sinn, dass eine staatliche Förderbank intern mit
ähnlichen Renditevorgaben auf das Eigenkapital und mit Systemen geführt wird, die
denen der privaten Banken gleichen?
Es ist genau das Verwischen
der Grenzen zwischen staatlichem Förderauftrag und privatwirtschaftlicher
Renditeorientierung, die dazu geführt hat, dass eine grundsolide Bank wie die KfW von der
Finanzmarktkrise voll erfasst wurde.
Bei der Lösung dieser Probleme hilft das Schwarze-Peter-Spiel zwischen staatlichen
Funktionsträgern, Politik und Bankvorständen nicht weiter. Natürlich
müssen Steinbrück und Glos nicht jede einzelne Überweisung überwachen, und
sie müssen auch nicht jedes Gutachten seriöser Wirtschaftsprüfer und
Ratingagenturen in Frage stellen. Aber man wird auch den Vertreter des Finanzministeriums
fragen dürfen, wieso er im Aufsichtsrat der IKB einer Ausweitung des Geschäftes der
Bank auf die Finanzierung amerikanischer Hypothekendarlehen zugestimmt hat.
Der Grund war einfach: Das
solide Mittelstandsgeschäft der IKB brachte nicht die Eigenkapitalrendite, die in die
Nähe der hoch gejazzten Erwartungen an die Eigenkapitalverzinsung kamen, welche die
Deutsche Bank und andere vorgaben. Anstatt sich darüber zu freuen, weil es ein Zeichen
für funktionierenden und intensiven Wettbewerb im Markt deutscher mittelständischer
Kunden war (was dem Förderziel der staatlichen KfW-Bank und ihrer De-facto-Tochter IKB
entsprach), wurden neue „Heilmittel” zur Renditesteigerung gesucht und in den
zuständigen Aufsichtsgremien bewilligt. Da war auch der Staatsekretär aus dem
Finanzministerium dabei.
Alle sangen das gleiche Lied
— private, staatliche wie genossenschaftliche Banken. Und staatliche Organe,
Bankaufsicht, Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfer haben eingestimmt. Es gab ein fast
lückenloses Kartell der Gleichgesinnten.
Wenn es jetzt an die Aufarbeitung der Krise geht, sollte man sich mit Sorgfalt auch der
Frage nach der künftigen Rolle der öffentlichen und genossenschaftlichen Banken
annehmen. Sie werden nur dann eine stabilisierende Rolle im Finanzmarkt der Bundesrepublik
Deutschland spielen können, wenn sie sich in Auftrag und Durchführung klar von den
privaten Banken unterscheiden. Was das heißt, wird auch von Experten zu diskutieren sein,
die nicht Bestandteil des Kartells waren, das die gegenwärtige Krise mitzuverantworten
hat. Vermutlich kann der eine oder andere Ruheständler der alten Schule aus dem Bereich
des öffentlichen und des Genossenschaftsbankenwesens mehr zu dieser Diskussion beitragen
als die vielen Finanzgurus, die in den letzten zwanzig Jahren die Universitäten verlassen
haben.
Das gegenwärtige
Schwarzer-Peter-Spiel hat einen weiteren sehr unangenehmen Nebeneffekt. Fast alle
Entscheidungsträger bei den öffentlichen Banken sind dermaßen verunsichert,
dass sie sich vor lauter Angst, Fehler zu machen, kaum noch trauen, neue Kredite zu bewilligen
oder auszuzahlen. Dabei hat gerade das klassische, traditionelle Kreditgeschäft der
Förderbanken überhaupt keine Probleme bereitet. Dieses Geschäft und seine
Risiken hatte man handwerklich ordentlich im Griff. Die „Angstspirale” kann nun
dazu führen, dass auch die öffentlichen Banken zu allem Überfluss in der Krise
auch noch krisenverstärkend agieren. Womit sich dann erneut die Eingangsfrage stellt,
wofür öffentliche Banken eigentlich gebraucht werden.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |