SoZ - Sozialistische Zeitung |
DDie jahrelang von Privatbanken bekämpften und von
Politikern geschleiften Sparkassen trotzen der Finanzkrise. Dennoch schreitet ihre
Privatisierung voran.
Öffentlich-rechtliche
Sparkassen seien „historisch überholt” und „nicht mehr
zeitgemäß” tönte der Bundesverband Deutscher Banken in einer
Stellungnahme vom September dieses Jahres. „Wünschenswert” sei vielmehr, eine
„vollständige Veräußerungsoption” zu schaffen. Bei Aufgabe
grundlegender Sparkassenprinzipien sei es sogar möglich, dass eine regionale Sparkasse
zum „Global Player” werden könnte.
Solcherlei Blödsinn
zeigt, dass die Privatbankenlobby auch angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise in
Erkenntnisresistenz verharrt. Etwas weiter sind da schon die marktradikalen Heilspropheten des
Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die aus
irgendwelchen Gründen als „Wirtschaftsweise” firmieren. Ihr Gutachten zum
Landesbanken- und Sparkassenwesen vom Juni 2008 kommt zum Ergebnis, dass sich die Sparkassen
durch ihre Struktur in der aktuellen Krise als „Risiken abschirmend” und
„stabilisierend” erwiesen haben. Zwar sollten sie dennoch privatisiert werden, im
Moment habe das allerdings noch Zeit.
Dass die Sparkassen, ebenso wie die Genossenschaftsbanken, von der aktuellen Krise
vergleichsweise wenig getroffen werden, liegt daran, dass sie sich hauptsächlich aus den
Einlagen ihrer Kunden refinanzieren. Weltumspannende Zockerei haben sie nicht nötig. Und
dass auch mit solch einem Geschäftsmodell erfolgreich gewirtschaftet werden kann,
bestätigt der enorme Zulauf, den sie seit dem Heißlaufen des Finanzmarktes haben.
Doch auch wenn sich die Sparkassen als krisenfest erweisen, geht ihre schleichende
Privatisierung weiter.
Dabei ist es ziemlich egal,
wer gerade regiert. In Berlin formulierte die Koalition von SPD und LINKE 2005 ein
Sparkassengesetz, dass die vollständige Veräußerung der Berliner Sparkasse auch
an einen privaten Käufer möglich macht. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband kam
dem zuvor und bezahlte für die Landesbank samt Sparkasse einen erstaunlich hohen Preis.
In Hessen verabschiedete die
Koch-Regierung 2007 ein Sparkassengesetz, das es den Sparkassen ermöglicht, so genanntes
Stammkapital zu bilden, welches auch gehandelt werden kann. Laut Gesetz sollen als Käufer
nur öffentliche Träger, hessische Sparkassen und die Landesbank Hessen-
Thüringen in Frage kommen. Ob diese Regelung bei einer Veräußerung
tatsächlich Bestand hätte, ist fraglich. Ein privater Investor könnte sich
„diskriminiert” fühlen und vor dem Europäischen Gerichtshof klagen, erst
dann würde sich erweisen, ob eine Sparkassenprivatisierung wirklich ausgeschlossen ist.
Die neue Mehrheit im hessischen Landtag will das Gesetz nun novellieren und die
Möglichkeit zur Stammkapitalbildung ersatzlos streichen.
Die CDU-FDP-Regierung von
Nordrhein-Westfalen brachte im Mai 2008 einen Gesetzentwurf ein, welcher den Trägern der
Sparkassen die Möglichkeit einräumt, Trägerkapital bei ihren Sparkassen
auszuweisen. Gegen dieses Modell spricht ebenso wie beim hessischen Sparkassengesetz, dass
eine schleichende Privatisierung möglicht gemacht würde. Es könnte zu dem Fall
kommen, dass eine Kommune als Trägerin einer Sparkasse tatsächlich
Trägerkapital ausgewiesen hat. Wenn es sich dabei um eine hoch verschuldete Kommune
handeln sollte, kann die Kommunalaufsicht den Verkauf des Trägerkapitals anordnen. Auch
hier bestünde das gleiche Problem wie in Hessen: Der Entwurf sieht zwar vor, dass das
Trägerkapital nicht handelbar sein soll. Dennoch bleibt auch hier die ungeklärte
Frage nach der „Europafestigkeit” dieser Festschreibung.
Auch in Bremen und Rheinland-
Pfalz gibt es ähnliche Möglichkeiten zur Bildung von Stammkapital.
Die Feststellung von Ver.di und den Sparkassenverbänden, bei den Sparkassen handle es
sich prinzipiell um etwas Gutes, genügt vor dem Hintergrund der verschiedenen
Geschäftsmodelle nicht. Vielmehr sind Alternativen zur jetzigen Ausgestaltung der
Sparkassen zu erarbeiten.
Die Eigentumsfrage ist hier
nur die erste aller Fragen, die so beantwortet werden muss, dass Privatisierungsbestrebungen
grundsätzlich abzulehnen sind. Sparkassen und Landesbanken sind soziale und
wirtschaftliche Steuerungsinstrumente, deren Ausrichtung, anders als bei Privatbanken,
gesetzlich festgeschrieben werden kann. Dies heißt, vernünftige Sparkassengesetze in
den Ländern müssen her. Das Mindeste, was diese enthalten sollten, wäre eine
möglichst konkrete Festschreibung der Überschussverwendung, zum Beispiel zur
Finanzierung des Verbraucherschutzes, der Schuldnerberatung und kultureller Angelegenheiten.
Weiterhin ist die Festschreibung eines „Girokontos für alle” — auch
für Arme — gesetzlich festzuschreiben. Die heute übliche Freiwilligkeit
funktioniert nicht, immer mehr verschuldete oder arme Menschen verfügen über keine
Kontoverbindung. Nicht zuletzt müssten die Strukturen der Sparkassen im Sinne einer
weitreichenden Transparenz verändert werden.
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