SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2008, Seite 10

Privatisierung der Sparkassen verhindern

Ihre öffentliche Funktion muss ausgeweitet werden

von BENEDICT UGARTE CHACÓN

DDie jahrelang von Privatbanken bekämpften und von Politikern geschleiften Sparkassen trotzen der Finanzkrise. Dennoch schreitet ihre Privatisierung voran.
Öffentlich-rechtliche Sparkassen seien „historisch überholt” und „nicht mehr zeitgemäß” tönte der Bundesverband Deutscher Banken in einer Stellungnahme vom September dieses Jahres. „Wünschenswert” sei vielmehr, eine „vollständige Veräußerungsoption” zu schaffen. Bei Aufgabe grundlegender Sparkassenprinzipien sei es sogar möglich, dass eine regionale Sparkasse zum „Global Player” werden könnte.
Solcherlei Blödsinn zeigt, dass die Privatbankenlobby auch angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise in Erkenntnisresistenz verharrt. Etwas weiter sind da schon die marktradikalen Heilspropheten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die aus irgendwelchen Gründen als „Wirtschaftsweise” firmieren. Ihr Gutachten zum Landesbanken- und Sparkassenwesen vom Juni 2008 kommt zum Ergebnis, dass sich die Sparkassen durch ihre Struktur in der aktuellen Krise als „Risiken abschirmend” und „stabilisierend” erwiesen haben. Zwar sollten sie dennoch privatisiert werden, im Moment habe das allerdings noch Zeit.

Länder voran

Dass die Sparkassen, ebenso wie die Genossenschaftsbanken, von der aktuellen Krise vergleichsweise wenig getroffen werden, liegt daran, dass sie sich hauptsächlich aus den Einlagen ihrer Kunden refinanzieren. Weltumspannende Zockerei haben sie nicht nötig. Und dass auch mit solch einem Geschäftsmodell erfolgreich gewirtschaftet werden kann, bestätigt der enorme Zulauf, den sie seit dem Heißlaufen des Finanzmarktes haben. Doch auch wenn sich die Sparkassen als krisenfest erweisen, geht ihre schleichende Privatisierung weiter.
Dabei ist es ziemlich egal, wer gerade regiert. In Berlin formulierte die Koalition von SPD und LINKE 2005 ein Sparkassengesetz, dass die vollständige Veräußerung der Berliner Sparkasse auch an einen privaten Käufer möglich macht. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband kam dem zuvor und bezahlte für die Landesbank samt Sparkasse einen erstaunlich hohen Preis.
In Hessen verabschiedete die Koch-Regierung 2007 ein Sparkassengesetz, das es den Sparkassen ermöglicht, so genanntes Stammkapital zu bilden, welches auch gehandelt werden kann. Laut Gesetz sollen als Käufer nur öffentliche Träger, hessische Sparkassen und die Landesbank Hessen- Thüringen in Frage kommen. Ob diese Regelung bei einer Veräußerung tatsächlich Bestand hätte, ist fraglich. Ein privater Investor könnte sich „diskriminiert” fühlen und vor dem Europäischen Gerichtshof klagen, erst dann würde sich erweisen, ob eine Sparkassenprivatisierung wirklich ausgeschlossen ist. Die neue Mehrheit im hessischen Landtag will das Gesetz nun novellieren und die Möglichkeit zur Stammkapitalbildung ersatzlos streichen.
Die CDU-FDP-Regierung von Nordrhein-Westfalen brachte im Mai 2008 einen Gesetzentwurf ein, welcher den Trägern der Sparkassen die Möglichkeit einräumt, Trägerkapital bei ihren Sparkassen auszuweisen. Gegen dieses Modell spricht ebenso wie beim hessischen Sparkassengesetz, dass eine schleichende Privatisierung möglicht gemacht würde. Es könnte zu dem Fall kommen, dass eine Kommune als Trägerin einer Sparkasse tatsächlich Trägerkapital ausgewiesen hat. Wenn es sich dabei um eine hoch verschuldete Kommune handeln sollte, kann die Kommunalaufsicht den Verkauf des Trägerkapitals anordnen. Auch hier bestünde das gleiche Problem wie in Hessen: Der Entwurf sieht zwar vor, dass das Trägerkapital nicht handelbar sein soll. Dennoch bleibt auch hier die ungeklärte Frage nach der „Europafestigkeit” dieser Festschreibung.
Auch in Bremen und Rheinland- Pfalz gibt es ähnliche Möglichkeiten zur Bildung von Stammkapital.

Öffentliche Funktion ausweiten

Die Feststellung von Ver.di und den Sparkassenverbänden, bei den Sparkassen handle es sich prinzipiell um etwas Gutes, genügt vor dem Hintergrund der verschiedenen Geschäftsmodelle nicht. Vielmehr sind Alternativen zur jetzigen Ausgestaltung der Sparkassen zu erarbeiten.
Die Eigentumsfrage ist hier nur die erste aller Fragen, die so beantwortet werden muss, dass Privatisierungsbestrebungen grundsätzlich abzulehnen sind. Sparkassen und Landesbanken sind soziale und wirtschaftliche Steuerungsinstrumente, deren Ausrichtung, anders als bei Privatbanken, gesetzlich festgeschrieben werden kann. Dies heißt, vernünftige Sparkassengesetze in den Ländern müssen her. Das Mindeste, was diese enthalten sollten, wäre eine möglichst konkrete Festschreibung der Überschussverwendung, zum Beispiel zur Finanzierung des Verbraucherschutzes, der Schuldnerberatung und kultureller Angelegenheiten. Weiterhin ist die Festschreibung eines „Girokontos für alle” — auch für Arme — gesetzlich festzuschreiben. Die heute übliche Freiwilligkeit funktioniert nicht, immer mehr verschuldete oder arme Menschen verfügen über keine Kontoverbindung. Nicht zuletzt müssten die Strukturen der Sparkassen im Sinne einer weitreichenden Transparenz verändert werden.


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