SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2008, Seite 11

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen

Die deutsche Bankenaufsicht versagt am laufenden Band

von BENEDICT UGARTE CHACÓN

In Deutschland gibt es zwei Institutionen zur staatlichen Bankenaufsicht: die Deutsche Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Letztere untersteht dem Bundesministerium der Finanzen.
Die Aufgaben der BaFin sind in den §§6—9 des Kreditwesengesetzes festgeschrieben. Demnach soll sie unter anderem „Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen” entgegenwirken, die „die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können” Zudem soll sie Anordnungen treffen, die solche Missstände verhindern oder beseitigen. Gemeinsam mit der Bundesbank führt sie eine „laufende Überwachung” der Banken durch.
Die BaFin soll also verhindern, dass deutsche Banken in krisenhafte Situationen geraten. Dass Privatbanken und Landesbanken dennoch in den Sog der Finanzmarktkrise gerieten, deutet darauf hin, dass die staatliche Bankaufsicht in Deutschland nicht besonders gut zu funktionieren scheint. Und dieser Umstand wiederum zeigt, dass es mit dem aktuell zu vernehmenden Politikergeschwätz von den „verantwortungslosen Bankern” nicht allzu weit her ist, da die Politik für die Fehler der Bankenaufsicht mitverantwortlich ist. Allen voran der in der SPD vormals für unsympathisch befundene und neuerdings als großer Zampano gefeierte Finanzminister Peer Steinbrück. Das Versagen der Bankenaufsicht ist immer auch ein Versagen des Bundesfinanzministeriums.
Und versagt hat die Bankenaufsicht in den letzten Jahren nur allzu oft. So hätte laut Medienberichten die Krise der SachsenLB verhindert werden können. Deren außerbilanziellen Geschäfte mit Zweckgesellschaften in der Steueroase Dublin waren der BaFin seit Jahren bekannt. Die BaFin und ihr Chef Jochen Sanio waren auch bei der Gründung der Bankgesellschaft Berlin mit im Boot. An der komplexen Holdingstruktur des Skandalinstituts hatten sie nichts auszusetzen, auch nicht an deren Schneeballgeschäft mit geschlossenen Immobilienfonds, das 2001 implodierte und im „Berliner Bankenskandal” mündete.
Und bei den Rettungsaktionen für beide Banken, also der Abwälzung von Risiken und Verlusten auf die Allgemeinheit, spielte die BaFin eine wichtige Rolle. In Sachsen drängte Sanio zum schnellen Verkauf, in Berlin verschreckte er die Abgeordneten gar mit dem Szenario, wenn die Bank nicht umgehend von ihren Risiken befreit werde, könne kein Bargeld mehr ausgezahlt werden, die Bundeswehr müsse einmarschieren und Suppenküchen für die Bevölkerung aufbauen. Das gleiche Prinzip bei der IKB: Außerbilanzielle Geschäfte mit faulen US-Immobilienkrediten, eine Maulaffen feilhaltende BaFin und zum Schluss ein Crash.
Sollen Bankenkrisen zukünftig verhindert werden, braucht es eine funktionierende Bankenaufsicht. Der erste Schritt dorthin wäre eine Abkehr von der bisherigen Praxis, so lange ruhig zu halten, bis es kracht. Längst überfällig wäre der Rausschmiss von offensichtlich inkompetentem Personal, allen voran dem BaFin-Chef Sanio, an dem die Politik aus unerfindlichen Gründen immer noch festhält. Selbstverständlich müssen Struktur und Arbeitsweise der Aufsicht so geändert werden, dass sie auch effizient beaufsichtigen und eingreifen kann — und dies rechtzeitig und nicht erst, wenn Hopfen und Malz verloren sind. Dazu sind auch gesetzliche Bestimmungen zu ändern. Dabei wäre noch ein weiteres Problem zu lösen. Denn dass die Bankenaufsicht bislang nicht funktioniert, könnte zum Teil auch damit zusammenhängen, dass im Finanzministerium auch Bankenlobbyisten ihre Schreibtische hatten und teilweise an den Gesetzen über die Bankenaufsicht mitschrieben.
Inwieweit dieser Lobbyismus auch auf das „Rettungspaket” der Bundesregierung für die Banken eingewirkt hat, bleibt eine interessante Frage. Zur Schaffung einer funktionierenden Aufsicht steht jedenfalls nichts im Gesetz — in der wohlinszenierten Eile wurde das wohl vergessen.


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