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Auch Peru hat die Segnungen der Agroenergie entdeckt. Sondergesetze rauben den
Bauern Boden und Eigentum.
Im aufmüpfigen Kontinent Lateinamerika
bleibt Peru ein treuer Vasall der USA. Präsident Alan García hat ohne Rückhalt der Betroffenen
einen Handelsvertrag mit den USA unterzeichnet, der den US-amerikanischen Öl- und Wirtschaftsinteressen
den Weg in eine gute Zukunft ebnet — u.a. durch Forcierung von Agroenergie.
In den letzten Winkeln des Regenwalds sind
Emissäre unterwegs, um regionale Politiker und Vertreter der Landwirtschaftsverbände und direkt auch
die Bauern zu bewegen, ihre „Zukunftschance” zu nutzen. Angesichts des miserablen Einkommens der
Bauern zeitigt das einigen Erfolg. Schwerpunktmäßig soll der Anbau von Ölpalmen vorangetrieben
werden, natürlich in Monokulturen. Die verheerenden Langzeitfolgen für Böden und Fruchtbarkeit,
wie sie aus vielen Teilen des Globus bekannt sind, kommen natürlich nicht zur Sprache.
Im zweiten Schritt ebnet die peruanische
Regierung diesen Emissären nun per Dekret und Gesetz den Zugang zu Waldgebieten, in denen Recht und
Gesetz bisher den Bauern und Eingeborenen Schutz ihres Eigentums bot. Das Eigentum der Kommunen, die Reservate
der Eingeborenen und der Besitz von Bauern und Siedlern soll den Interessen der Agroenergie untergeordnet
werden, die Schutzrechte bei Verkäufen gelockert werden. Die chemische Industrie freut sich über die
gesetzlichen Lockerungen für den Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft. Verstöße bei
der Einführung von genveränderten Pflanzen sollen straffrei bleiben.
Die Methode, die in ihrer Existenz betroffenen
Bauern vor vollendete Tatsachen zu stellen, wurde erst in letzter Minute gestoppt.
In einer Provinz, Madre de Dios, im Südosten Perus gelegen, im Dreiländereck mit Brasilien und
Bolivien, regt sich jedoch nun Protest. Die Region rühmt sich in ihrer Tourismuswerbung, hier sei die
größte Artenvielfalt des Regenwalds erhalten worden. Pedro C., Ökobauer, langjähriger
Präsident und jetzt Koordinator des Entwicklungsprojekts „Regenwaldschutz durch ökologischen
Landbau”, das seit 15 Jahren von Deutschland aus unterstützt wird, trug wesentlich dazu bei, dass
eine Alianza de federaciones zustande kam — die Zusammenarbeit der betroffenen Gruppen an der Basis, die
den Widerstand gegen die Regierungsvorhaben tragen. Diese Allianz besteht aus dem Bauernverband, aus Umwelt-
und Ökolandbaugruppen, kirchlichen Gruppen und vor allem aus gut organisierten Gruppen von
Indígenas.
Ihre gemeinsamen Ziele haben sie in einer
„Plattform für den Kampf” formuliert, ihre zentrale Forderung ist die Abschaffung der neuen
Gesetze und Dekrete. Als Kampfmittel haben sie einen dreitägigen Generalstreik beschlossen — im
Zusammenhang mit einem nationalen Streik. Nach bewährter Tradition bedeutet „paro” (Streik)
mehr als die Arbeitsverweigerung von Beschäftigten; er zielt auf die Stilllegung aller Aktivitäten,
auch des Verkehrs — stattdessen gibt es Kundgebungen und Diskussionen.
Tausende Bauern und Indígenas kamen in
ihrer traditionellen Kleidung und mit Pfeil und Bogen bewaffnet in die Stadt. Die Teuerung der Lebensmittel in
jüngster Zeit brachte jedoch auch die Stadtbevölkerung auf die Straßen.
Mächtig, aber friedlich machte sich der
Protest an den beiden ersten Tagen Luft in der Provinzstadt Puerto Maldonado, aber auch in den Marktflecken an
der Durchgangsstraße. Am dritten Tag jedoch — dem Tag des nationalen Streiks — gab es
gewaltsame Exzesse, die u.a. zum völligen Abbrennen des regionalen Regierungsgebäudes mit der
gesamten Infrastruktur führten. Die Brandstifter sind bis heute unbekannt.
Staatsanwaltschaft und Polizei benannten
schnell die Organisatoren des Streiks, d.h. die Köpfe der Basisorganisationen, als die Schuldigen und
nahmen sie fest. Noch in der Nacht wurden „polizeiliche Spezialkräfte” eingeflogen. Deutliche
Hinweise auf Provokateure, die wohl bestellt und bezahlt wurden — blieben bei den Ermittlungen
außer acht.
Jeder weiß, dass die Holzmafia nicht zimperlich ist. Erst Wochen zuvor war ein Dorfbürgermeister,
der sich einem Holzlaster zur Kontrolle in den Weg stellte, einfach abgeknallt worden. Da erlebte man es wie
eine Befreiung, dass wenigstens der Ortsbischof im Gottesdienst am Staatsfeiertag unter Anwesenheit der
politischen Prominenz die Staatsanwaltschaft mahnte, die wirklichen Täter und ihre Hintermänner zu
eruieren, statt unbescholtene und verantwortliche Bürger zu beschuldigen (gar mit dem Vorwurf des
„Terrorismus").
Der mächtige Widerstand der gesamten
Bevölkerung zeigte Wirkung. Protest-E-Mails (auch aus Deutschland) an die verantwortlichen Politiker
begrüßten die Betroffenen als moralische Unterstützung. Die verhafteten Streikführer kamen
frei. Die Alianza wurde wieder arbeitsfähig und hat nach Beratung eine gemeinsame Delegation (aus
Basisorganisationen und Vertretern der Regionalregierung) zu Verhandlungen nach Lima entsandt mit dem Ziel,
zumindest Korrekturen am Gesetz zu erreichen.
Nach den Protesten in Madre de Dios gab es
auch in anderen Regenwaldzonen im Norden von Peru massive Proteste, vor allem bei den Indígenas. Die
Zentralregierung ist gewarnt. Bis dato gibt es noch keine konkreten Ergebnisse der Verhandlungen.
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