SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2008, Seite 16

Peru: Die Bauern wehren sich

Der Anbau von Ölpalmenplantagen zerstört den Regenwald

von ARNOLD WILLIBALD

Auch Peru hat die Segnungen der Agroenergie entdeckt. Sondergesetze rauben den Bauern Boden und Eigentum.
Im aufmüpfigen Kontinent Lateinamerika bleibt Peru ein treuer Vasall der USA. Präsident Alan García hat ohne Rückhalt der Betroffenen einen Handelsvertrag mit den USA unterzeichnet, der den US-amerikanischen Öl- und Wirtschaftsinteressen den Weg in eine gute Zukunft ebnet — u.a. durch Forcierung von Agroenergie.
In den letzten Winkeln des Regenwalds sind Emissäre unterwegs, um regionale Politiker und Vertreter der Landwirtschaftsverbände und direkt auch die Bauern zu bewegen, ihre „Zukunftschance” zu nutzen. Angesichts des miserablen Einkommens der Bauern zeitigt das einigen Erfolg. Schwerpunktmäßig soll der Anbau von Ölpalmen vorangetrieben werden, natürlich in Monokulturen. Die verheerenden Langzeitfolgen für Böden und Fruchtbarkeit, wie sie aus vielen Teilen des Globus bekannt sind, kommen natürlich nicht zur Sprache.
Im zweiten Schritt ebnet die peruanische Regierung diesen Emissären nun per Dekret und Gesetz den Zugang zu Waldgebieten, in denen Recht und Gesetz bisher den Bauern und Eingeborenen Schutz ihres Eigentums bot. Das Eigentum der Kommunen, die Reservate der Eingeborenen und der Besitz von Bauern und Siedlern soll den Interessen der Agroenergie untergeordnet werden, die Schutzrechte bei Verkäufen gelockert werden. Die chemische Industrie freut sich über die gesetzlichen Lockerungen für den Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft. Verstöße bei der Einführung von genveränderten Pflanzen sollen straffrei bleiben.
Die Methode, die in ihrer Existenz betroffenen Bauern vor vollendete Tatsachen zu stellen, wurde erst in letzter Minute gestoppt.

Protest

In einer Provinz, Madre de Dios, im Südosten Perus gelegen, im Dreiländereck mit Brasilien und Bolivien, regt sich jedoch nun Protest. Die Region rühmt sich in ihrer Tourismuswerbung, hier sei die größte Artenvielfalt des Regenwalds erhalten worden. Pedro C., Ökobauer, langjähriger Präsident und jetzt Koordinator des Entwicklungsprojekts „Regenwaldschutz durch ökologischen Landbau”, das seit 15 Jahren von Deutschland aus unterstützt wird, trug wesentlich dazu bei, dass eine Alianza de federaciones zustande kam — die Zusammenarbeit der betroffenen Gruppen an der Basis, die den Widerstand gegen die Regierungsvorhaben tragen. Diese Allianz besteht aus dem Bauernverband, aus Umwelt- und Ökolandbaugruppen, kirchlichen Gruppen und vor allem aus gut organisierten Gruppen von Indígenas.
Ihre gemeinsamen Ziele haben sie in einer „Plattform für den Kampf” formuliert, ihre zentrale Forderung ist die Abschaffung der neuen Gesetze und Dekrete. Als Kampfmittel haben sie einen dreitägigen Generalstreik beschlossen — im Zusammenhang mit einem nationalen Streik. Nach bewährter Tradition bedeutet „paro” (Streik) mehr als die Arbeitsverweigerung von Beschäftigten; er zielt auf die Stilllegung aller Aktivitäten, auch des Verkehrs — stattdessen gibt es Kundgebungen und Diskussionen.
Tausende Bauern und Indígenas kamen in ihrer traditionellen Kleidung und mit Pfeil und Bogen bewaffnet in die Stadt. Die Teuerung der Lebensmittel in jüngster Zeit brachte jedoch auch die Stadtbevölkerung auf die Straßen.
Mächtig, aber friedlich machte sich der Protest an den beiden ersten Tagen Luft in der Provinzstadt Puerto Maldonado, aber auch in den Marktflecken an der Durchgangsstraße. Am dritten Tag jedoch — dem Tag des nationalen Streiks — gab es gewaltsame Exzesse, die u.a. zum völligen Abbrennen des regionalen Regierungsgebäudes mit der gesamten Infrastruktur führten. Die Brandstifter sind bis heute unbekannt.
Staatsanwaltschaft und Polizei benannten schnell die Organisatoren des Streiks, d.h. die Köpfe der Basisorganisationen, als die Schuldigen und nahmen sie fest. Noch in der Nacht wurden „polizeiliche Spezialkräfte” eingeflogen. Deutliche Hinweise auf Provokateure, die wohl bestellt und bezahlt wurden — blieben bei den Ermittlungen außer acht.

Widerstand zeigt Wirkung

Jeder weiß, dass die Holzmafia nicht zimperlich ist. Erst Wochen zuvor war ein Dorfbürgermeister, der sich einem Holzlaster zur Kontrolle in den Weg stellte, einfach abgeknallt worden. Da erlebte man es wie eine Befreiung, dass wenigstens der Ortsbischof im Gottesdienst am Staatsfeiertag unter Anwesenheit der politischen Prominenz die Staatsanwaltschaft mahnte, die wirklichen Täter und ihre Hintermänner zu eruieren, statt unbescholtene und verantwortliche Bürger zu beschuldigen (gar mit dem Vorwurf des „Terrorismus").
Der mächtige Widerstand der gesamten Bevölkerung zeigte Wirkung. Protest-E-Mails (auch aus Deutschland) an die verantwortlichen Politiker begrüßten die Betroffenen als moralische Unterstützung. Die verhafteten Streikführer kamen frei. Die Alianza wurde wieder arbeitsfähig und hat nach Beratung eine gemeinsame Delegation (aus Basisorganisationen und Vertretern der Regionalregierung) zu Verhandlungen nach Lima entsandt mit dem Ziel, zumindest Korrekturen am Gesetz zu erreichen.
Nach den Protesten in Madre de Dios gab es auch in anderen Regenwaldzonen im Norden von Peru massive Proteste, vor allem bei den Indígenas. Die Zentralregierung ist gewarnt. Bis dato gibt es noch keine konkreten Ergebnisse der Verhandlungen.

Der Autor ist Vorsitzender der AG-Öko-Landbau/Regenwaldschutz e.V. in Ludwigshafen. Informationen


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