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Unter dem Titel Finanzkapital — Entwaffnet die
Märkte! Spekulation—Krisen—Alternativen befasst sich das Münchner
Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (isw) in seinem neuesten Report
Nr.75 mit den aktuellen Entwicklungen an den Finanzmärkten und deren Hintergründen.
Das Heft stellt einen gelungenen Versuch dar, die Krisenentwicklung seit gut zwanzig Jahren
(auch mit vielen Tabellen und Grafiken) zu dokumentieren und die systemischen
Zusammenhänge herauszuarbeiten. Da sich die (deutsche) Linke bei der Erklärung der
tiefsten Verwerfungen des Kapitalismus seit 80 Jahren bislang nicht mit Ruhm bekleckert hat,
muss man die Kenntnisse, den Fleiß und das Engagement der Autoren hervorheben, die ein
sehr nützliches Arbeitsinstrument für die politische Diskussion in Betrieb und
Gewerkschaft, in der Öffentlichkeit und in Freundeskreisen veröffentlicht haben.In
der bürgerlichen Presse, deren Wirtschaftsredaktionen im Allgemeinen von neoliberalen
Ideologen beherrscht sind, wird die Hypothekenkrise zumeist mit „Dummheit und
Gier” erklärt, die eine tiefgreifende „Vertrauenskrise” ausgelöst
hätten. Wenn das System „an sich” in Ordnung ist, kann das Versagen
natürlich nur bei den „Akteuren” liegen. Massiv wird vor einer Ablehnung
„der Globalisierung” und des Kapitalismus gewarnt. Der isw-Report hält
demgegenüber fest, dass die entscheidende Ursache für die Krise in der
„Überproduktion von Gütern und Dienstleistungen” bzw. der
„Unterkonsumption der Massen” liegt — zwei Seiten derselben Medaille. Der
Kapitalismus sorgt temporär für erweiterten Absatz, indem er das öffentliche
und private Kreditsystem immer weiter aufbläht.
Der Auslöser (aber eben
nicht die Ursache) der Krise war die Schieflage von zwei Hedgefonds der US-Investmentbank Bear
Stearns, die der Reihe nach immer mehr Finanzinstitute in den Strudel riss, so dass binnen
eines Jahres eine tiefgreifende weltweite Finanzkrise entstand, die zunehmend auf die
Realwirtschaft übergreift. Es droht eine weltweite Rezession von ungekannten
Ausmaßen.
Marktfundamentalisten, die
noch vor kurzem die Segnungen des deregulierten und liberalisierten Kapitalmarktes gepriesen
haben, weil sie damit einen gigantischen Reibach machen konnten, allen voran der Chef der
Deutschen Bank, Josef Ackermann, rufen nun lauthals und voller Angst nach der Hilfe des
Staates. Auf Kosten der Steuerzahler soll ein globalisierter Bankenkrach, ja
möglicherweise die Kernschmelze des ganzen Systems, verhindert werden. In den USA wurden
weit über eine Billion Dollar, in Deutschland 600—700 Milliarden Euro mobilisiert,
um das System zu stabilisieren. Doch selbst diese Summe konnte bislang den Crash, den Sturz
ins Bodenlose bei Aktien, Fonds und Immobilien nicht wirklich aufhalten.
Der Report analysiert im
ersten Teil unter Rückgriff auf die entsprechenden Kapitel über das „fiktive
Kapital” in Bd.3 von Marx Kapital die Herausbildung von Finanzblasen, deren
notwendiges Platzen (am Beispiel der Asienkrise 1997/98 u.a.) und deren wirtschaftliche und
soziale Folgen (Armut und Arbeitslosigkeit). Sodann stellt er mit einer Fülle von Daten
und Fakten die Entwicklung des „modernen Finanzkapitals” mit ihrem Sammelsurium
„neuer Anlageformen” als wesentlichen Bestandteil und Motor des
Globalisierungsprozesses dar. In einem dritten Teil werden die (zumeist recht vagen)
Vorschläge von Gewerkschaften und das Attac-"Statement zur Finanzkrise und
demokratische Alternativen” kritisiert und Grundzüge für ein Programm der
Vergesellschaftung des Bankensystems entworfen.
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