SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2008, Seite 22

Let‘s make money,

Dokumentarfilm, Österreich 2008, Kinostart: 30.Oktober 2008

Wie macht man Geldströme sichtbar, komplexe Finanztransaktionen ansatzweise begreifbar? „Lassen Sie Ihr Geld für Sie arbeiten” — dieser Werbespruch einer Bank war für den österreichischen Dokumentarfilmer Erwin Wagenhofer (viele werden noch seinen Film We feed the world in Erinnerung haben) der erste Schritt zu dem Film.
Geld wird gleich zu Anfang sichtbar, Euros werden gedruckt, und Gold, an das einst Währungen gebunden waren, wird in Afrika gewonnen, von dort wegtransportiert und anschließend in Barren gegossen. Nur 3% der Wertschöpfung dieses Goldes bleibt in Afrika.
Erwin Wagenhofer und seine Regiepartnerin Lisa Ganser tauchen in den 107 Filmminuten niemals auf, nicht im Bild, nicht im Off als Erklärer, der den Zuseher an die Hand nimmt. Zwischentitel strukturieren den Film, klare, genaue Aufnahmen prägen ihn. Wagenhofer zeigt, dass Geld tatsächlich nicht „arbeitet”, Menschen, Maschinen und gegebenenfalls Tiere können arbeiten.
Und sie arbeiten hart in seinem Film. Im afrikanischen Steinbruch arbeiten Mütter und kleine Kinder, die ganz Kleinen werden fürsorglich neben der Arbeit umsorgt. Wagenhofer zeigt, er erklärt nicht. Er zeigt die indischen Kinder, die am Strand schlafen im Dämmerlicht bei der Morgentoilette. Er sitzt im Auto neben Mirko Kovacs, ein österreichischer Unternehmer in Indien. Kovacs bewundert, wie sehr hier die Leute selber initiativ sind, wie gut die indische Demokratie funktioniert, niemand braucht Angst vor Enteignung zu haben. Bei einem Rundgang durch seine Fabrik — irgendwelche Metallprodukte werden hier erzeugt, genau erfährt man das nicht (leider) — bespricht Kovacs sich mit dem Leiter seiner Fabrik. Ein Arbeiter erhält 200 Euro im Monat, mit Steuern und Abgaben kostet er den Unternehmer 250 Euro, ein Ingenieur kostet viel mehr. Bedauern dringt durch, dass nun sogar Indien schon so teuer ist. „Wir können es uns nicht leisten, großzügig zu sein”, meint Kovacs, die Wettbewerbsfähigkeit steht auf dem Spiel. Das Wirtschaftswachstum kommt mitnichten bei den Armen an, auch nicht bei der sog. Mittelschicht.
In Singapur erklärt Mark Mobius, Fondsmanager, was mit „Emerging Markets” gemeint ist: „Man nannte sie Entwicklungsländer, die Armen, die dritte Welt, der Süden, etc. Dann hatte jemand die geniale Idee, sie ‘Emerging Markets‘ zu nennen, was nett klingt. Und Wachstum verspricht. Und das ist genau das, was passierte.” Ethik ist nicht seine Aufgabe, seine Aufgabe ist, gut für seine Klienten, die Investoren, zu sorgen. Mobius fährt in seiner Limousine durch die sterile Hochhauskulisse Singapurs, in seinem Büro studiert er stapelweise Tabellen, die wie Fieberkurven aussehen — für Nichteingeweihte unverständlich.
In der Schweiz begleiten wir Gerhard Schwarz, seit 14 Jahren Leiter der Wirtschaftsredaktion der Neuen Zürcher Zeitung und Präsident der August-von-Hayek-Gesellschaft auf den Mont Pélerin am Genfer See. Dort gründete Hayek die Mont-Pélerin-Society, die Wiege des sog. Neoliberalismus. Schwarz umreißt dessen Geschichte und meint: „Alle Liberalen dieser Welt sind der Meinung, dass Grenzen offen sein sollten für Güter, für Geld und für Dienstleistungen. Schwieriger wird es bei Menschen. Da muss man sich überlegen, ob man nicht eine Art Eintrittspreis verlangt. Wer in einen Tennisclub eintritt, muss in der Regel einen Eintrittspreis zahlen, nicht nur eine monatliche oder jährliche Gebühr wie die Steuern, sondern er muss einen Eintrittspreis zahlen, weil die Vorgänger, die schon da sind, das Clubhaus aufgebaut haben, die Plätze aufgebaut haben, und damit ein Neuer von etwas profitiert, zu dem er nichts beigetragen hat."
Das ist einer der stärksten Momente des Films, in dem Gerhard Schwarz aus vollster Überzeugung, absolut ironiefrei und ohne zu zögern eine Ungeheuerlichkeit sagt. Wagenhofers kluges Vorhaben, sich nicht auf kriminelle Sachen zu stürzen, sondern Dinge unter die Lupe zu nehmen, die sich im legalen Rahmen abspielen, weil das, wie er in seinem Statement schreibt, „kriminell genug, aber in Wirklichkeit legal ist”, geht hier voll auf. Die Nüchternheit und tiefste Überzeugung, mit der Schwarz diese Ungeheuerlichkeit von sich gibt, bringt Lacher, ist aber zutiefst beklemmend.
Mithilfe der Wiener Straßenbahn versucht Werner Rügemer von der Uni Köln Cross-Border-Leasing zu erklären, so ganz gelingt das nicht, was jedoch eher dem äußerst komplexen Sachverhalt, als dem Regisseur zu verdanken ist.
Im Gedächtnis bleiben die Bilder des „Beton-Tsunamis” der in den letzten Jahren Spanien überzogen hat — besonders die Küstenregionen. „Gewinne für wenige, Verluste für alle”, nennt Wagenhofer dieses Filmkapitel. Irreguläre Einwanderer arbeiten zu Hungerlöhnen, als Wertanlage bringen die Wohnungen rund 20% im Jahr. Unter anderem tragen Golfplätze als Teil der monströsen Anlagen zur Wertsteigerung bei, gleichzeitig verschärfen sie massiv Spaniens Trinkwasserproblem. Rund 3 Millionen dieser Häuser stehen leer.
Jersey, die kleine Kanalinsel zwischen Frankreich und England, ist Sinnbild für die abstrakte Natur des Reichtums, hier liegen rund 500 Milliarden Dollar an Privatvermögen. Dieses Geld, erklärt Finanzökonom John Christensen, liegt jedoch gar nicht physisch hier, es wird virtuell durchgeschleust, weiter zu anderen Finanzzentren. Gut kann man auf Jersey Steuern umgehen mit einem Trust, der eine Firma in Luxemburg besitzt, die wiederum ein Konto auf den Cayman- Inseln, in der Schweiz oder in London hat. So funktioniert das Steuerhinterziehen reibungslos. Das Geld selbst bleibt unsichtbar, ebenso was denn nun diese kleine Insel, die früher für ihre Landwirtschaft, das milde Klima und den Tourismus bekannt war, von all dem hat, außer indische, deutsche, und sonstige Bankfilialen.
Das, was als Manko des Films erwähnt wurde, die oftmals allzu knappen Zusatzinformationen, werden durch die Internetseite und das Buch zum Film ergänzt: Caspar Dohmen, Let‘s Make Money. Orange-press 2008, 256 Seiten und 32 Farbseiten mit Fotos aus dem Film.
Die Internetseite gibt gute Erklärungen zu komplexen Erklärungen zu „Private Equity” etc. sowie zahlreiche Anregungen für persönliches Engagement.
Eine ausgezeichnete Gelegenheit, den Film zu sehen, bietet das Bonner Rex Kino (Frongasse 9, Fon 0228/622330) am 5.November um 20.30 Uhr. Für das anschließende Podiumsgespräch steht der Regisseur zur Verfügung.

Angela Huemer


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