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Wie macht man Geldströme sichtbar, komplexe
Finanztransaktionen ansatzweise begreifbar? „Lassen Sie Ihr Geld für Sie
arbeiten” — dieser Werbespruch einer Bank war für den österreichischen
Dokumentarfilmer Erwin Wagenhofer (viele werden noch seinen Film We feed the world in
Erinnerung haben) der erste Schritt zu dem Film.
Geld wird gleich zu Anfang
sichtbar, Euros werden gedruckt, und Gold, an das einst Währungen gebunden waren, wird in
Afrika gewonnen, von dort wegtransportiert und anschließend in Barren gegossen. Nur 3%
der Wertschöpfung dieses Goldes bleibt in Afrika.
Erwin Wagenhofer und seine
Regiepartnerin Lisa Ganser tauchen in den 107 Filmminuten niemals auf, nicht im Bild, nicht im
Off als Erklärer, der den Zuseher an die Hand nimmt. Zwischentitel strukturieren den
Film, klare, genaue Aufnahmen prägen ihn. Wagenhofer zeigt, dass Geld tatsächlich
nicht „arbeitet”, Menschen, Maschinen und gegebenenfalls Tiere können
arbeiten.
Und sie arbeiten hart in
seinem Film. Im afrikanischen Steinbruch arbeiten Mütter und kleine Kinder, die ganz
Kleinen werden fürsorglich neben der Arbeit umsorgt. Wagenhofer zeigt, er erklärt
nicht. Er zeigt die indischen Kinder, die am Strand schlafen im Dämmerlicht bei der
Morgentoilette. Er sitzt im Auto neben Mirko Kovacs, ein österreichischer Unternehmer in
Indien. Kovacs bewundert, wie sehr hier die Leute selber initiativ sind, wie gut die indische
Demokratie funktioniert, niemand braucht Angst vor Enteignung zu haben. Bei einem Rundgang
durch seine Fabrik — irgendwelche Metallprodukte werden hier erzeugt, genau erfährt
man das nicht (leider) — bespricht Kovacs sich mit dem Leiter seiner Fabrik. Ein
Arbeiter erhält 200 Euro im Monat, mit Steuern und Abgaben kostet er den Unternehmer 250
Euro, ein Ingenieur kostet viel mehr. Bedauern dringt durch, dass nun sogar Indien schon so
teuer ist. „Wir können es uns nicht leisten, großzügig zu sein”,
meint Kovacs, die Wettbewerbsfähigkeit steht auf dem Spiel. Das Wirtschaftswachstum kommt
mitnichten bei den Armen an, auch nicht bei der sog. Mittelschicht.
In Singapur erklärt Mark
Mobius, Fondsmanager, was mit „Emerging Markets” gemeint ist: „Man nannte
sie Entwicklungsländer, die Armen, die dritte Welt, der Süden, etc. Dann hatte
jemand die geniale Idee, sie Emerging Markets zu nennen, was nett klingt. Und
Wachstum verspricht. Und das ist genau das, was passierte.” Ethik ist nicht seine
Aufgabe, seine Aufgabe ist, gut für seine Klienten, die Investoren, zu sorgen. Mobius
fährt in seiner Limousine durch die sterile Hochhauskulisse Singapurs, in seinem
Büro studiert er stapelweise Tabellen, die wie Fieberkurven aussehen — für
Nichteingeweihte unverständlich.
In der Schweiz begleiten wir
Gerhard Schwarz, seit 14 Jahren Leiter der Wirtschaftsredaktion der Neuen Zürcher Zeitung
und Präsident der August-von-Hayek-Gesellschaft auf den Mont Pélerin am Genfer See.
Dort gründete Hayek die Mont-Pélerin-Society, die Wiege des sog. Neoliberalismus.
Schwarz umreißt dessen Geschichte und meint: „Alle Liberalen dieser Welt sind der
Meinung, dass Grenzen offen sein sollten für Güter, für Geld und für
Dienstleistungen. Schwieriger wird es bei Menschen. Da muss man sich überlegen, ob man
nicht eine Art Eintrittspreis verlangt. Wer in einen Tennisclub eintritt, muss in der Regel
einen Eintrittspreis zahlen, nicht nur eine monatliche oder jährliche Gebühr wie die
Steuern, sondern er muss einen Eintrittspreis zahlen, weil die Vorgänger, die schon da
sind, das Clubhaus aufgebaut haben, die Plätze aufgebaut haben, und damit ein Neuer von
etwas profitiert, zu dem er nichts beigetragen hat."
Das ist einer der
stärksten Momente des Films, in dem Gerhard Schwarz aus vollster Überzeugung,
absolut ironiefrei und ohne zu zögern eine Ungeheuerlichkeit sagt. Wagenhofers kluges
Vorhaben, sich nicht auf kriminelle Sachen zu stürzen, sondern Dinge unter die Lupe zu
nehmen, die sich im legalen Rahmen abspielen, weil das, wie er in seinem Statement schreibt,
„kriminell genug, aber in Wirklichkeit legal ist”, geht hier voll auf. Die
Nüchternheit und tiefste Überzeugung, mit der Schwarz diese Ungeheuerlichkeit von
sich gibt, bringt Lacher, ist aber zutiefst beklemmend.
Mithilfe der Wiener
Straßenbahn versucht Werner Rügemer von der Uni Köln Cross-Border-Leasing zu
erklären, so ganz gelingt das nicht, was jedoch eher dem äußerst komplexen
Sachverhalt, als dem Regisseur zu verdanken ist.
Im Gedächtnis bleiben die
Bilder des „Beton-Tsunamis” der in den letzten Jahren Spanien überzogen hat
— besonders die Küstenregionen. „Gewinne für wenige, Verluste für
alle”, nennt Wagenhofer dieses Filmkapitel. Irreguläre Einwanderer arbeiten zu
Hungerlöhnen, als Wertanlage bringen die Wohnungen rund 20% im Jahr. Unter anderem tragen
Golfplätze als Teil der monströsen Anlagen zur Wertsteigerung bei, gleichzeitig
verschärfen sie massiv Spaniens Trinkwasserproblem. Rund 3 Millionen dieser Häuser
stehen leer.
Jersey, die kleine Kanalinsel
zwischen Frankreich und England, ist Sinnbild für die abstrakte Natur des Reichtums, hier
liegen rund 500 Milliarden Dollar an Privatvermögen. Dieses Geld, erklärt
Finanzökonom John Christensen, liegt jedoch gar nicht physisch hier, es wird virtuell
durchgeschleust, weiter zu anderen Finanzzentren. Gut kann man auf Jersey Steuern umgehen mit
einem Trust, der eine Firma in Luxemburg besitzt, die wiederum ein Konto auf den Cayman-
Inseln, in der Schweiz oder in London hat. So funktioniert das Steuerhinterziehen reibungslos.
Das Geld selbst bleibt unsichtbar, ebenso was denn nun diese kleine Insel, die früher
für ihre Landwirtschaft, das milde Klima und den Tourismus bekannt war, von all dem hat,
außer indische, deutsche, und sonstige Bankfilialen.
Das, was als Manko des Films
erwähnt wurde, die oftmals allzu knappen Zusatzinformationen, werden durch die
Internetseite und das Buch zum Film ergänzt: Caspar Dohmen, Lets Make Money.
Orange-press 2008, 256 Seiten und 32 Farbseiten mit Fotos aus dem Film.
Die Internetseite gibt gute
Erklärungen zu komplexen Erklärungen zu „Private Equity” etc. sowie
zahlreiche Anregungen für persönliches Engagement.
Eine ausgezeichnete
Gelegenheit, den Film zu sehen, bietet das Bonner Rex Kino (Frongasse 9, Fon 0228/622330) am
5.November um 20.30 Uhr. Für das anschließende Podiumsgespräch steht der
Regisseur zur Verfügung.
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