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Eisenbahner aus 12 EU-Ländern sammelten sich am 13.November
2008 auf der Place de la Bastille in Paris und demonstrierten für eine öffentliche
Bahn und gegen die laufenden Privatisierung mit allen ihren Folgen: Gefährdung der
Sicherheit der Bahnbeschäftigten wie der Nutzer, Lohndumping,
Arbeitszeitverlängerung, prekäre Beschäftigung.
Beschlossen hatte den
europäischen Aktionstag die Sektion Bahn der Europäischen
Transportarbeiterföderation (ETF). Einige Tage vor dem Demotermin zirkulierte
plötzlich im Internet und in der Bahnöffentlichkeit ein Info-Blatt der Gewerkschaft
Transnet mit der Überschrift: „Schluss mit der Liberalisierung — wir
demonstrieren in Paris” Darin weist die Gewerkschaft von Norbert Hansen, inzwischen
Personalleiter bei der Bahn, wortradikal darauf hin, die Bilanz der Liberalisierungspolitik
bei der Bahn sei negativ, die kollektiven Rechte der Eisenbahner würden ausgehöhlt.
Im Vorfeld der Demonstration
hatte Sud-Rail, die alternative Bahngewerkschaft aus Frankreich, zu Treffen auf
europäischer Ebene eingeladen. Daran nahmen vor allem Basisgewerkschaften aus Italien,
Spanien, dem Baskenland, Belgien und Großbritannien und Betriebskollektive wie die
Eisenbahner der Officina aus Bellinzona/Schweiz und die S-Bahn-Kollegen der Berliner Gruppe
„Transparenz für die Basis” teil. Das Treffen endete mit einem Aufruf und
einem kurzen Manifest sowie einem gemeinsamen Plakat für die Demonstration.
Die großen etablierten
Bahngewerkschaften in Europa tragen, vor allem in Italien, Spanien und in Deutschland, den
Privatisierungsprozess der Bahn mit und unterstützen, wie in Italien, Gesetze, die die
Bewegungsfreiheit der Basisgewerkschaften — z.B. spontane Streikbewegungen im
Transportbereich — einschränken. Dennoch zeigen gerade die Bewegungen in Italien
und Frankreich, wie mobilisierungsfähig die basisorientierten Gewerkschaften sind. Als
sie am 17.Oktober in Italien zu landesweiten Streiks im Nah- und Fernverkehr aufriefen, kam
der Verkehr in Mailand, Rom und anderen großen Städten zum Erliegen. Schüler
und Lehrer schlossen sich der Streikbewegung an.
In der Woche vor dem
13.November streikten in Frankreich die Lokführer gegen die Verlängerung der
Fahrtzeiten, die aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit mit den privaten Anbietern
eingeführt werden sollen. CGT und Sud-Rail riefen gemeinsam dazu auf. Am 23.November
wurde der Streik wieder aufgenommen, aber dieses Mal nicht zeitlich begrenzt, sondern als ein
„grève reconductible”, ein verlängerbarer Streik, über dessen Dauer
die Eisenbahner auf täglichen Vollversammlungen entscheiden, nicht mehr die
Gewerkschaftsführungen. In eben dieser Basisanbindung liegt der Unterschied zwischen den
etablierten Gewerkschaften und denen, die sich am 13.November an der internationalen
Demonstration in Paris beteiligten.
Für die einen ist die
europäische Ebene eine Möglichkeit, die kämpferischen Eisenbahner
zusammenzubringen und sichtbar zu machen, dass es überall in Europa aktive
Basisgewerkschaften gibt, die eine Alternative wollen zur Privatisierung der Bahn. Für
andere ist das eine Show-Veranstaltung, die zur realen Praxis der Gewerkschaften in ihren
jeweiligen Ländern in großem Widerspruch steht. Dort sitzen nämlich dieselben
Vertreter der Bahngewerkschaft in enger Verbundenheit mit den jeweiligen nationalen
Bahnunternehmen in den Vorständen und Aufsichtsräten und unterstützen den
Privatisierungsprozess. Das ist uns aus Deutschland aus der Praxis von Transnet bekannt.
Erfreulich ist jedoch aus
deutscher Sicht, dass Eisenbahner aus der Gruppe Bahn von unten, die bei Transnet organisiert
sind, an der Demonstration teilgenommen haben. Sie kamen auch in den Medien zu Wort, z.B. auf
Arte. Interessant war auch, dass der ETF-Vertreter in seiner Rede die fortschreitende
Gefährdung des Bahnverkehrs durch zunehmende Sparmaßnahmen erwähnte. Vor allem
in Italien gibt es seit mehreren Jahren heftige Auseinandersetzungen um die Sicherheit des
Bahnverkehrs, begleitet durch Entlassungen von Eisenbahnern, die Gefährdungspotenziale im
Bahnverkehr öffentlich sichtbar machten.
Es ist tatsächlich
höchste Zeit, dass zwischen den Eisenbahnern eine direkte Kommunikation zustande kommt.
Dafür hat die Sud-Rail eine Koordinierungsfunktion übernommen. Ein anderer wichtiger
Aktivposten des alternativen Bahnnetzwerks sind die Kollegen der englischen RTM, die im
Gegensatz zu Sud-Rail auch im ETF Mitglied sind. Auf der Demonstration trat auch das
Bündnis Rail for all auf, das sich auf europäischer Ebene der Privatisierung
widersetzt. Das deutsche Netzwerk Bahn für alle ist Mitglied in dem Bündnis, das auf
dem Sozialforum in Malmö gegründet wurde.
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