SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2008, Seite 08

Kündigung bei Kaiser‘s

Solidarität mit Emmely

Zweifelhafte Rolle des Betriebsrats

von GREGOR ZATTLER

Unter dem Vorwand, Pfandbons im Wert von 1,30 Euro bei einem Einkauf in ihrer Filiale eingereicht zu haben, die ihr nicht gehört haben sollen, wurde Kaiser‘s Supermarktkassiererin Emmely nach 31 Jahren Betriebszugehörigkeit fristlos gekündigt. Angeblich bestand Verdacht auf Betrug, sei das Vertrauensverhältnis zerstört.
Als Mitglied bekam Emmely anfänglich Rechtsschutz von Ver.di. Da dieser darauf drängte, den Fall nicht öffentlich zu machen, wechselte Emmely den Anwalt. Das Komitee „Solidarität mit Emmely” bemüht sich seitdem um den Fall und machte den juristischen Skandal der Verdachtskündigung öffentlich. Das gelang anfänglich auch erfreulich erfolgreich.
Ver.di äußerte sich erstmals öffentlich in Form eines Redebeitrags der zuständigen Fachbereichsleiterin, Erika Ritter, auf der bislang letzten Kundgebung des Komitees vor einer Kaiser‘s-Filiale. Erst nachdem der Prozess in der ersten Instanz verloren und der Tarifvertrag unter Dach und Fach war, stellte Ver.di eine Online-Solidaritätserklärung ins Netz und verteilte Soli-Postkarten, mit denen man Kaiser‘s mitteilen kann, dass man nicht mehr bei der Kette einkauft, bis Emmely wieder eingestellt ist.
Ver.di hat sich dem Boykottaufruf des Komitees „Solidarität mit Emmely” angeschlossen. Außerdem erschien ein Artikel in der Mitgliederzeitschrift Publik.
Auf der Ver.di-Webseite, wo für Solidarität mit Emmely geworben wurde, wurde am 1.10. auch eine Stellungnahme des Betriebsrats zu Ver.dis Postkartenaktion veröffentlicht. Hier bauscht der Betriebsrat zunächst vereinzelte und harmlose Soli-Aktionen in Kaiser‘s-Filialen zu Überfällen auf, die die Kolleginnen und Kollegen seit Monaten nicht mehr zur Ruhe kämen ließen.
Der Betriebsrat behauptet weiter, die Kolleginnen nähmen den Boykottaufruf als Angriff auf ihre Arbeitsplätze wahr. Weiter berichtet er über seine Bemühungen im Fall Emmely und stellt zwei Angebote von Kaiser‘s an Emmely als Ergebnis seiner Bemühungen vor. Darum wurde er von Emmely jedoch nie gebeten. Auch verschweigt er, dass die Angebote seine Zustimmung zur Kündigung bzw. zur Rücknahme der Kündigungsschutzklage enthalten. Der Betriebsrat zeigt sich erstaunt darüber, dass die von ihm als „akzeptabler Kompromiss” bewerteten Angebote von der Betroffenen abgelehnt werden.
Der Betriebsrat verwahrt sich gegen die von niemandem erhobene Unterstellung, er habe seinen Laden nicht im Griff und könne die Kolleginnen nicht schützen. Dafür geht er in seiner Stellungnahme so weit, dem Widerspruch des Personalausschusses des Betriebsrats gegen die Kündigung von Emmely zu widersprechen, indem er behauptet, es habe keine Repressalien gegen Streikende gegeben, „das hätten wir gar nicht zugelassen ... die Kündigung von [Emmely] hatte nach unserer Einschätzung nichts mit dem Streik zu tun."
Und weiter: „...haben wir alles, was entlastend wirken könnte, in diesen Widerspruch reingeschrieben. U.a. haben wir auch die Vermutung geäußert, dass ihre Beteiligung am Streik dabei eine Rolle gespielt haben könnte, wohl wissend, dass dem nicht so war."
Der Betriebsrat hat also gelogen: Entweder in seinem Widerspruch gegen die Kündigung oder in der Stellungnahme gegen die Solidaritätsarbeit für Emmely. Wie soll er weiterhin als verlässlicher Vermittler von Interessen auftreten, wenn er sich selbst öffentlich der Lüge bezichtigt?
Am Ende seines Schreibens ruft der Betriebsrat zur Beendigung der Postkartenaktion auf. Er begründet dies damit, der Boykott schade den Beschäftigten mehr als dem Unternehmen.
Über Ursachen und Beweggründe der Stellungnahme kann man nur spekulieren: Vertritt der Betriebsrat hier in erster Linie die Geschäftsinteressen des Betriebs und der von ihm abhängigen Beschäftigten? Wurde der Betriebsrat von der Geschäftsführung zu dieser erstaunlichen Entsolidarisierung gebracht? Oder haben wir es einfach mit einem Machtkampf zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft zu tun, in dem nicht nur die Interessen Emmelys, sondern auch die der Belegschaft keine Rolle spielen?
Emmely geht in Berufung. Das Komitee freut sich über Interesse, Hilfe und Mitarbeit.

Kontakt über: streik@kanalB.org


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