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Unter dem Vorwand, Pfandbons im Wert von 1,30 Euro bei einem
Einkauf in ihrer Filiale eingereicht zu haben, die ihr nicht gehört haben sollen, wurde
Kaisers Supermarktkassiererin Emmely nach 31 Jahren Betriebszugehörigkeit fristlos
gekündigt. Angeblich bestand Verdacht auf Betrug, sei das Vertrauensverhältnis
zerstört.
Als Mitglied bekam Emmely
anfänglich Rechtsschutz von Ver.di. Da dieser darauf drängte, den Fall nicht
öffentlich zu machen, wechselte Emmely den Anwalt. Das Komitee „Solidarität
mit Emmely” bemüht sich seitdem um den Fall und machte den juristischen Skandal der
Verdachtskündigung öffentlich. Das gelang anfänglich auch erfreulich
erfolgreich.
Ver.di äußerte sich
erstmals öffentlich in Form eines Redebeitrags der zuständigen Fachbereichsleiterin,
Erika Ritter, auf der bislang letzten Kundgebung des Komitees vor einer Kaisers-Filiale.
Erst nachdem der Prozess in der ersten Instanz verloren und der Tarifvertrag unter Dach und
Fach war, stellte Ver.di eine Online-Solidaritätserklärung ins Netz und verteilte
Soli-Postkarten, mit denen man Kaisers mitteilen kann, dass man nicht mehr bei der Kette
einkauft, bis Emmely wieder eingestellt ist.
Ver.di hat sich dem
Boykottaufruf des Komitees „Solidarität mit Emmely” angeschlossen.
Außerdem erschien ein Artikel in der Mitgliederzeitschrift Publik.
Auf der Ver.di-Webseite, wo
für Solidarität mit Emmely geworben wurde, wurde am 1.10. auch eine Stellungnahme
des Betriebsrats zu Ver.dis Postkartenaktion veröffentlicht. Hier bauscht der Betriebsrat
zunächst vereinzelte und harmlose Soli-Aktionen in Kaisers-Filialen zu
Überfällen auf, die die Kolleginnen und Kollegen seit Monaten nicht mehr zur Ruhe
kämen ließen.
Der Betriebsrat behauptet
weiter, die Kolleginnen nähmen den Boykottaufruf als Angriff auf ihre Arbeitsplätze
wahr. Weiter berichtet er über seine Bemühungen im Fall Emmely und stellt zwei
Angebote von Kaisers an Emmely als Ergebnis seiner Bemühungen vor. Darum wurde er
von Emmely jedoch nie gebeten. Auch verschweigt er, dass die Angebote seine Zustimmung zur
Kündigung bzw. zur Rücknahme der Kündigungsschutzklage enthalten. Der
Betriebsrat zeigt sich erstaunt darüber, dass die von ihm als „akzeptabler
Kompromiss” bewerteten Angebote von der Betroffenen abgelehnt werden.
Der Betriebsrat verwahrt sich
gegen die von niemandem erhobene Unterstellung, er habe seinen Laden nicht im Griff und
könne die Kolleginnen nicht schützen. Dafür geht er in seiner Stellungnahme so
weit, dem Widerspruch des Personalausschusses des Betriebsrats gegen die Kündigung von
Emmely zu widersprechen, indem er behauptet, es habe keine Repressalien gegen Streikende
gegeben, „das hätten wir gar nicht zugelassen ... die Kündigung von [Emmely]
hatte nach unserer Einschätzung nichts mit dem Streik zu tun."
Und weiter: „...haben
wir alles, was entlastend wirken könnte, in diesen Widerspruch reingeschrieben. U.a.
haben wir auch die Vermutung geäußert, dass ihre Beteiligung am Streik dabei eine
Rolle gespielt haben könnte, wohl wissend, dass dem nicht so war."
Der Betriebsrat hat also
gelogen: Entweder in seinem Widerspruch gegen die Kündigung oder in der Stellungnahme
gegen die Solidaritätsarbeit für Emmely. Wie soll er weiterhin als
verlässlicher Vermittler von Interessen auftreten, wenn er sich selbst öffentlich
der Lüge bezichtigt?
Am Ende seines Schreibens ruft
der Betriebsrat zur Beendigung der Postkartenaktion auf. Er begründet dies damit, der
Boykott schade den Beschäftigten mehr als dem Unternehmen.
Über Ursachen und
Beweggründe der Stellungnahme kann man nur spekulieren: Vertritt der Betriebsrat hier in
erster Linie die Geschäftsinteressen des Betriebs und der von ihm abhängigen
Beschäftigten? Wurde der Betriebsrat von der Geschäftsführung zu dieser
erstaunlichen Entsolidarisierung gebracht? Oder haben wir es einfach mit einem Machtkampf
zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft zu tun, in dem nicht nur die Interessen Emmelys, sondern
auch die der Belegschaft keine Rolle spielen?
Emmely geht in Berufung. Das
Komitee freut sich über Interesse, Hilfe und Mitarbeit.
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