SoZ - Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2008, Seite 26

Musiktipp

Helge Lien Trio: Hello Troll (Ozella)

Man nennt sie die Big Five der norwegischen Jazz-Szene: Terje Rypdal, Arild Andersen, John Christensen und vor allem Jan Gabarek und Bobo Stenson. Sie waren es auch, die mir zum ersten Mal die Ohren für den Jazz geöffnet haben. Und noch heute kann ich immer wieder empfehlen, ihre Produktionen aus den 70er und 80er Jahren (noch) einmal zu hören. Das aber 35 Jahre nach dem legendären Album Witchi-tai-to des Bobo Stenson Quartetts mich wieder eine Band um einen norwegischen Jazzpianisten so begeistern würde, hätte ich kaum geglaubt.Es ist dem kleinen aber feinen Ozella-Label aus Schloss Hamborn bei Paderborn zu danken, dass es die Produktion des Helge Lien Trios Hello Troll auf den hiesigen Plattenmarkt gebracht hat. Als Pianist in der Band der Jazzpopmusikerin Silje Neergard wird Helge Liens Klavierspiel in einen voluminösen Klangteppich eingewoben, ja man könnte sagen, es wird oft genug darin eingerollt.
Ganz anders auf Hello Troll. Zusammen mit dem Bassisten Frode Berg und dem Schlagzeuger Knut Aalefjær entwickeln sie in jedem Stück einen Spannungsbogen, der fesselnder kaum sein könnte. Dabei begegnen sich die Instrumente, wie man es in anderen Situationen vergeblich anmahnt: auf Augenhöhe.
Alle drei Musiker sind mit ihren Instrumenten über die CD hinweg klar und präsent, ohne die anderen an die Seite zu drängen. „Perfekt aufeinander eingespielt” heißt es auf der Webseite des Ozella-Labels. Aber, ohne jetzt hier jemanden zu nahetreten zu wollen, perfekt aufeinander eingespielt kann auch eine Schützenfestkapelle oder eine Top-40-Band sein. Was wir hier aber an Klangbildern geboten bekommen, spielt doch in einer anderen Liga. Zwischen klassischer Jazzkomposition und freier Improvisation jonglieren die drei Musiker, immer wissend, wo das eine aufhören und das andere beginnen sollte. Besonders gefällt mir dieser Wechsel bei „Halla troll”, das einem Streitgespräch gleicht, das ausgetragen wird unter Kontrahenten, die eine hohe Ebene der Streitkultur praktizieren. Dann wieder Passagen wie in „Snurt”, bei denen die Musik rockig vorantreibt.
Das es die drei in Norwegen mit dieser Scheibe bis in die Hitparade geschafft haben, ist nicht der Ausdruck einer Anpassung an den Mainstream, sondern eher einem Musikmarkt geschuldet, in dem das Besondere eine Chance hat.
Dies ist ja bereits die dreizehnte CD seit dem Jahr 2000, die unter Liens Namen veröffentlicht wurde, doch sollten spätestens bei Hello Troll auch Leserinnen und Leser aufmerksam werden, die vielleicht nicht schon Jazz-Fans sind. Übrigens, auf der Myspace-Seite von Ozellamusic gibt es Videoaufnahmen von dem Konzert des Trios im A-trane in Berlin vom 20.April dieses Jahres zu sehen.

Thomas Schroedter



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