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[...] der aus meiner Sicht leider bewusst hochgespielte Zwischenfall hat für mich folgende Aspekte:
Die freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht sind demokratische
Grundrechte und universale Menschenrechte. Sie haben grundsätzlich auch für eine — nicht verbotene — Organisation wie Milli
Görüs zu gelten, deren politische Ansichten, insbesondere den großtürkischen Nationalismus, ihr fundamentalistisches Eiferertum und
ihren Antisemitismus ich absolut nicht teile und auch niemand in der LINKEN.
Wir haben uns an der von Milli Görüs durchgeführten Demonstration
gegen den Krieg im Gaza-Streifen nicht beteiligt (und sind übrigens dazu auch zu keiner Zeit aufgefordert worden).
Ich halte es zusammen mit meinen Parteifreundinnen und -freunden für richtig, sich
mit Tendenzen wie Milli Görüs — die auch in Duisburg leider keine unbeträchtliche Unterstützerbasis hat — politisch
auseinanderzusetzen, die vielfach noch vorhandenen und schwerwiegenden Benachteiligungen der Migrantenbevölkerung zu bekämpfen und damit
Strömungen bzw. Organisationen wie Milli Görüs den Nährboden zu entziehen.
Ich teile deshalb nicht Ihre Ansicht bzw. Ihren Appell an die verantwortlichen Entscheider,
wie Sie schreiben, „Großveranstaltungen islamistischer Organisationen, wie z.B. Milli Görüs, (seien) grundsätzlich nicht
genehmigungsfähig” Ich halte es für richtig, keine Märtyrer zu schaffen, sondern dem Märtyrertum politisch den
Nährboden zu entziehen.
Zu einem objektiven Bild gehört auch, dass die Großdemonstration im
Wesentlichen friedlich verlaufen ist. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass sich die Demonstrationsleitung von dem Zwischenfall an der Claubergstraße
distanziert hat. Ich teile auch nicht Ihre Ansicht, bei der Demonstration habe es sich um „Mob”, „brüllende Meute” und
„Sympathisanten radikalislamistischer Terrorgruppen” gehandelt. Auf der Demonstration waren auch viele Kinder und Jugendliche.
Antisemitische Parolen haben offenbar nicht das Bild geprägt, sondern haben sich auf eine kleine Minderheit beschränkt.
Was das Verhalten der Einsatzleitung der Polizei betrifft, so kann man da in der Tat geteilter
Meinung sein. Das Aufbrechen einer Wohnung, um Symbole zu entfernen, die Demonstrationsteilnehmern nicht passen, ist ein gravierender Vorgang. Dennoch
teile ich die Ansicht des GdP-Vorsitzenden NRW, Frank Richter, der sich angesichts der Komplexität des Themas mutig geäußert hat und
dies als eine mögliche Handlungsoption der Polizei sieht, um Schlimmeres zu verhindern. Schlimmeres wäre in diesem Fall gewesen, wenn es zur
Eskalation gekommen wäre, die insbesondere zu Verletzten unter den Beteiligten und Unbeteiligten geführt hätte. Dies wird von vielen
Stellungnahmen abgetan und auch nach Ihrer Ansicht hätte die Polizei besser die Konfrontation riskiert. Ich sehe das vollkommen anders. Das
Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat m.E. im Rahmen der Verhältnismäßigkeit des Mitteleinsatzes der Polizei
klar Vorrang, sogar vor dem Eindringen in eine Wohnung und dem Schutz eines weißen Baumwolltuchs mit blauen Symbolen, auch wenn es eine
Staatsflagge ist. [...]
Was mich zutiefst besorgt und betrübt und was auch Sie aufhorchen lassen sollte, ist
allerdings die Flut von E-Mails und Protesten an die Medien, die Gewaltfreiheit, Meinungsfreiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung offensichtlich nur
vorschieben, um ihrer Islamophobie freien Lauf zu lassen. Sehr viele dieser Stellungnahmen sind nach Geist und Buchstaben überhaupt nicht von
demokratischen und emanzipatorischen Grundsätzen geprägt. Es handelt sich um hasserfüllte Ergüsse, und zwar ganz pauschal gegen
alles, was islamisch ist.
Die Migrantenbevölkerung als solche wird in zahlreichen Mails und Stellungnahmen
auf ganz unflätige und unakzeptable Weise attackiert. Das sollte auch für die DIG ein sehr ernstes Warnsignal sein. Ich möchte Sie bitten,
genau darüber nachzudenken, in welches Lager Sie sich mit Ihrer Stellungnahme begeben.
Die Empörung über die Tausende ziviler Opfer und Zerstörungen und
die Forderung nach einem gerechten Frieden in Palästina sind nach unserer Meinung vollauf berechtigt. [...]
Ich gehe davon aus, dass die Deutsch-Israelische Gesellschaft keine Regierungsinstitution
ist, dass sich in ihr Menschen zusammen gefunden haben, die für die Völkerverständigung arbeiten wollen und dass die 100%ige
Zustimmung zur israelischen Regierungspolitik nicht ihre Arbeitsplattform ist. Leider erwecken Sie in Ihrer Stellungnahme aber genau diesen Eindruck. Sie
finden leider kein einziges Wort der Kritik oder des Bedauerns an dem brutalen Krieg in Gaza. Dieses Motiv will ich allen rd. 10000 Teilnehmern — im
Gegensatz zu Ihrer Stellungnahme — nicht rundweg absprechen. Ihre Stellungnahme ist leider von bedingungsloser Loyalität zur israelischen
Regierungspolitik getragen. [...]
Ich bin davon überzeugt: Das kann keine Zukunft haben, und es müssen
endlich andere Wege beschritten werden, um den Frieden in Israel/Palästina dauerhaft zu erreichen und zu sichern.
Eine Verständigungsarbeit der DIG könnte dafür einen wertvollen
Beitrag liefern. Voraussetzung ist allerdings, dass sie von universalen Menschenrechtsprinzipien getragen ist und nicht von einer zweifelhaften
Staatsräson.
Duisburg, den 14.1.09
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