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Einige Jahre war es still um die Debatte des §218, der seit
1871 im Strafgesetzbuch steht. „Weg mit dem §218” ist aus dem Vokabular der
Frauenbewegungen verschwunden. Man hat sich mit der Dreimonatsfrist mit Pflichtberatung
arrangiert. Johannes Singhammer, Familienpolitiker der CSU, hat die emotional aufgeladene
Diskussion nun neu eröffnet, indem er gemeinsam mit Volker Kauder wenige Wochen vor
Weihnachten einen Gesetzentwurf zu Spätabtreibungen vorlegte.
Im vergangenen Jahr gab es 229
Spätabtreibungen. Als Spätabtreibung gelten Schwangerschaftsabbrüche ab der
23.Woche. Laut §218 StGB gilt ein Abbruch nur unter bestimmten Bedingungen nicht als
Straftat. So reicht eine pränatale Diagnose, die ein voraussichtlich krankes oder
behindertes Kind voraussagt, nicht für eine Spätabtreibung. Der Arzt darf die
medizinische Indikation zur Abtreibung nur stellen, „um Lebensgefahr oder die Gefahr
einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen
Gesundheitszustandes der schwangeren Frau abzuwenden”
Singhammer fordert eine
gesetzlich vorgeschrieben Frist von drei Tagen zwischen Diagnose und Entscheidung und eine
Verpflichtung des behandelnden Arztes, die Schwangere nach der Pränataldiagnostik auf
psychosoziale Beratungsangebote hinzuweisen. Tut er das nicht, muss er 10000 Euro Strafgeld
bezahlen. Besonders problematisch ist die geforderte präzise statistische Erfassung der
einzelnen „Fälle” Datenschutz ist da kaum zu gewährleisten. Bei der
ersten Lesung am 18.Dezember 2008 berief sich Singhammer auf „Ärzte und
Kirchen”, die Handlungsschritte forderten.
Der Bundesverband der
Frauenärzte hat sich ebenso wie der Bundesverband Pro Familia entschieden gegen den
Antrag zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes ausgesprochen. Sie sehen keinen
Änderungsbedarf. Singhammer bezog sich in seiner Rede im Bundestag auch darauf, dass
„menschliches Leben von Gott gegeben” und deshalb zu schützen sei.
Die vorgeschlagenen
Änderungen werden keinen Schwangerschaftsabbruch nach medizinischer Indikation
verhindern. Langjährige Erfahrungen in der Schwangerenberatung zeigen, dass sich keine
Frau die Entscheidung leicht macht. Betroffene Frauen brauchen keine politischen
Übergriffe in ihr Privatleben und keine von Bußgeld bedrohten Ärzte, die nun
auch im späten Stadium einer Schwangerschaft nach staatlicher Vorschrift beraten
müssen. Sie brauchen qualifizierte und freiwillige Beratung, damit sie selbst entscheiden
können.
Vor allem brauchen Menschen
mit Behinderung und ihre Angehörigen mehr Hilfe und gesellschaftliche Akzeptanz. Eine
Mutter sollte nicht Angst davor haben müssen, von ihrer Nachbarin dafür verachtet zu
werden, dass sie ein behindertes Kind ausgetragen hat, das dem Staat möglicherweise
Kosten verursacht. Und deshalb sollten Schwangere darüber aufgeklärt werden, dass
sie auch das Recht haben, zu einer pränatalen Diagnostik „Nein” zu sagen.
Über Singhammers Antrag
gab es keine Einigung mit dem Koalitionspartner SPD. Der hat selbst zwei Anträge zum
Thema vorgelegt. Frauenpolitikerinnen von SPD und Grünen wollen das
Schwangerschaftskonfliktgesetz nicht ändern und lehnen jeden weiteren Zwang ab. So tut es
auch die Linke und fordert in ihrem Antrag zusätzlich eine bessere Behindertenpolitik.
Thilo Hoppe (Grüne) hat Unterschriften von Abgeordneten aus allen Fraktionen für
einen Antrag gesammelt, der eine Pflichtberatung der Schwangeren vorsieht. Andere Grüne
wollen für die zweite Lesung weitere Änderungen vorschlagen. Bevor es so weit ist,
werden sich die zuständigen Ausschüsse mit dem Thema befassen.
Bis dahin ist noch Zeit
für Frauen und Männer, die außerhalb der Parlamente Politik machen, ihre
„Anträge” und Anliegen zu formulieren. Die Angst, dass der Kompromiss von
1995, der für die Frauen aus der DDR eine wesentliche Verschlechterung bedeutete, denn
sie kannten keinen Beratungszwang, nun wieder zurückgedreht werden soll, ist berechtigt.
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