SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2009, Seite 06

"Lebensschützer” wieder unterwegs

von Kirsten Achtelik

Abtreibung wird wieder zum Thema. Selbsternannte Lebensschützer organisierten am 20.9.2008 in Berlin die Aktion „1000 Kreuze Märsche für das Leben”, die am 4.Oktober in München wiederholt wurde. Der „Trauermarsch” in Berlin soll künftig jährlich stattfinden.
Die „Lebensschützer” in der BRD bestehen aus vielen kleinen Organisationen, die ideologisch wie religiös einem breiten Spektrum angehören — von den Christdemokraten für das Leben über papsttreue Katholiken und evangelikale Gruppen bis hin zur extremen Rechten. Viele von ihnen haben sich im Bundesverband für Lebensrecht zusammengeschlossen. Ihre Hauptaktivität besteht in „Beratung” via Internet oder in Beratungsstellen, in Lobbyarbeit zur Verschärfung des §218, in Aktionen gegen Sterbehilfe und Embryonenforschung und eben in den „Trauermärschen für das Leben” Offensive „Beratungen” von Frauen, die abtreiben wollen ("Gehsteigberatung"), sind bisher nur aus München bekannt.
Mit der in diesem Jahr gegründeten Partei AUF (Arbeit, Umwelt, Familie) könnte es zu einer politischen Sammlung der Abtreibungsgegner kommen. Die Partei versteht sich als „Sammlungsbewegung bekennender Christen": Teile der Partei Bibeltreuer Christen (PBC), der Deutschen Zentrumspartei sowie der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) sind zu ihr übergegangen. Sie will sich die Kampagnen- und Öffentlichkeitsarbeit evangelikaler Gruppen in Südamerika, Afrika und den USA zum Vorbild nehmen.
Antisexistischen, antifaschistischen, queeren und feministischen Kräften ist es in diesem Jahr zum ersten Mal gelungen, dagegen ein Bündnis auf die Beine zu stellen. 200 Menschen kamen in Berlin zusammen, kein schlechter Anfang. Doch der unverhältnismäßige Einsatz der Berliner Polizei (fünf teils brutale Festnahmen) überraschte die Organisatoren: „Zwei Leute wurden mit haarsträubenden Begründungen schon vor Beginn der Christen-Kundgebung mitgenommen. Das war krasser als bei vielen Anti-Nazi-Aktionen”, regte sich Heidi Kremer vom Bündnis auf und machte sich auch Sorgen über die Vermittelbarkeit ihres Anliegens: „Wir sind ganz klar pro choice. Unsere Kritik richtet sich vor allem dagegen, das Selbstbestimmungsrecht der Frauen noch weiter einzuschränken."
In München hatten im Vorfeld des „Trauermarschs” die „Freien Nationalisten” ihre Teilnahme angekündigt. Die Veranstalter (EuroProLife) fühlten sich zu keiner Distanzierung veranlasst und freuten sich offensichtlich über die rund 60 Nazis, die rund ein Viertel der Teilnehmer stellten, darunter auch bekannte NPD-Mitglieder. 300 Menschen folgten dem Aufruf des Antisexistischen Aktionsbündnisses. Auch hier ging die Polizei, vor allem das USK, brutal gegen Stör- und Blockadeversuche vor.
In rechtsextremen Postillen hat eine heftige Debatte begonnen, inwieweit die Forderungen der „Lebensschützer” für Rechte anschlussfähig seien. Dem gemeinsamen Ziel, das imaginierte Aussterben des deutschen Volkes zu verhindern, steht die fragliche „Vereinbarkeit des christlichen Glaubens mit der nationalsozialistischen Idee” gegenüber. Außerdem halten nicht wenige Nazis Abtreibung für vertretbar, wenn es um „die Reinhaltung des Volkes” geht.


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