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Die Agrarminister aus rund dreißig Ländern haben auf
einem Treffen während der Grünen Woche am 17.Januar in Berlin beschlossen, die
Exportsubventionen in der Landwirtschaft abzuschaffen. Eigentlich eine gute Nachricht. Zu dumm
nur, dass EU-Agrarkommissarin Marianne Fischer-Boel just am Vortag die Wiedereinführung
solcher Subventionen für Milchprodukte angekündigt hatte. Dies ist nur Spitze des
Eisbergs. Auch sonst stehen in der europäischen und deutschen Landwirtschaftspolitik alle
Zeichen auf Export.
Ausfuhren nach Afrika und in
andere Entwicklungsländer sollten ausdrücklich nicht subventioniert werden, hatte
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner während der Grünen Woche noch die
Gemüter beruhigt. Wie sich jetzt herausstellt, war hier offenbar der Wunsch Vater des
Gedankens. Auf der Ausnahmenliste der Kommission stehen zwar die USA, Australien und
Neuseeland; die ärmsten Entwicklungsländer hingegen sucht man vergebens. Laut
Ministerin Aigner hatte die Kommission zugesichert, die Entwicklungsländer zu verschonen.
Die Kommission bestreitet das.
Die Wiedereinführung der
Exporterstattungen kam nicht überraschend. Schon seit Monaten hatten der
Raiffeisenverband, der Milchindustrie-Verband (MIV) und der Deutsche Bauernverband (DBV)
darauf gepocht, weil die Weltmarktpreise seit Mitte 2008 eingebrochen waren. Daran war die EU
jedoch nicht ganz unschuldig: Trotz stagnierender Binnennachfrage hatte sie im Frühjahr
2008 die Milchquote um zwei Prozent erhöht und im November im Rahmen des
„Gesundheitschecks” eine weitere jährliche Erhöhung um je ein Prozent
beschlossen.
Damit hat die EU die
Abwärtsspirale der Milchpreise in der EU und auf dem Weltmarkt angeheizt und zugleich die
Notwendigkeit geschaffen, die überschüssige Milch zu exportieren. Heute stellt die
EU Ausfuhrerstattungen als ein unvermeidliches Übel zur Rettung der europäischen
Milchbauern dar. Doch sie selbst hat die Bauern in die miserable Lage manövriert, die
jetzt Rettungsmaßnahmen erfordert.
Unverdaulich ist dieser
politische Milkshake aus Überschussproduktion, Schleuderpreisen und Exportsubventionen
nicht nur für die Bauern im Süden, sondern auch in Europa. „Die damit
verbundene Weltmarktorientierung bedeutet Erzeugerpreise, zu denen kein europäischer
Milchbauer nachhaltig Milch erzeugen kann”, sagt Romuald Schaber, Vorsitzender des
Bundesverbandes deutscher Milchviehhalter (BDM).
Bedroht ist das Recht auf
Nahrung umso mehr, weil die EU viele Entwicklungsländer zur gleichen Zeit zu einer
radikalen Marktöffnung drängt. Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit
Ländern wie Uganda, Ghana und Zambia waren nur der Auftakt. Neben Mittelamerika und
Südostasien hat die EU nicht zuletzt Indien im Visier, wo weltweit die meisten Hungernden
leben. Auf 90% seiner Importe aus Europa soll Indien die Zölle ganz abschaffen; die
restlichen Zölle sollen auf dem derzeitigen Niveau gedeckelt werden. Für Indiens
Milch- und Geflügelbauern ist dies ein Damoklesschwert. Bisher ist Indien nach der EU der
zweitgrößte Milchproduzent weltweit.
Auch die Bundesregierung sieht
die Zukunft der deutschen Landwirtschaft vor allem im Exportgeschäft. So lancierte das
Landwirtschaftsministerium Ende letzten Jahres ein ambitioniertes Aktionsprogramm zur
Exportförderung insbesondere für Milchprodukte, Schweine- und Hühnerfleisch. Zu
den Zukunftsmärkten für Milchprodukte zählt sie neben Russland und China
ausdrücklich auch Indien und Afrika. Laut Ministerin Ilse Aigner will die Bundesregierung
damit im Ausland als „Türöffner” für die deutsche Agrarwirtschaft
auftreten. Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE)
begrüßte das Programm. In einer Pressemitteilung beschwor sie den
„Schulterschluss von Wirtschaft, Politik und Absatzförderung” zur
„Eroberung neuer internationaler Märkte”
Kein Zweifel: Wie wenige
andere Länder setzt sich Deutschland international für die Anerkennung und
Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung ein. Noch glaubwürdiger wäre sie dabei
allerdings, wenn sie die eigene und die europäische Landwirtschafts- und Handelspolitik
am Recht auf Nahrung ausrichten würde. Der „Gesundheitscheck” der
europäischen Agrarpolitik hat die Probleme eher verschärft. Ein Menschenrechtscheck
tut Not, damit die für 2013 angekündigte Reform ihren Namen verdient.
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