SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2009, Seite 12

Die Wahrheit ist konkret —

und diese Intervention nötig

von Sebastian Gerhardt

Seit dem Sommer 2008 ist klar: eine Weltwirtschaftskrise hat begonnen, die auch um den Exportweltmeister Deutschland keinen Bogen macht. So bleibt nur die Frage: Wie können wir Widerstand zustandebringen, damit nach den Lasten des Aufschwungs nicht auch noch die Lasten der Krise von den abhängig Beschäftigten getragen werden? Der Anschluss der DDR und die Exporterfolge des deutschen Kapitals haben das gesellschaftliche Kräfteverhältnis gründlich verschoben. Und Solidarität ist keine Selbstverständlichkeit, denn mit dem Druck von oben wächst die Konkurrenz unter den Betroffenen.
Eine Antwort haben die Sozialproteste gegen die Hartz-Gesetze gegeben: Sie schnüren ein Paket aus einer individuellen Grundsicherung (500 Euro plus Warmmiete), einer radikalen Arbeitszeitverkürzung (30 Wochenstunden) und einem Mindestlohn in Höhe von 10 Euro in der Stunde. Dieses Paket zielt genau auf die gemeinsamen Interessen der lohnabhängigen Klasse; es richtet sich gegen die Ausgrenzung der Erwerbslosen und den zunehmenden Lohndruck.
Bisher ist es nicht gelungen, um diese Ziele eine breite Bewegung zu organisieren. Die Sozialproteste wurden an den Rand gedrängt. Nun steht eine große Krise vor der Tür. Rasch gelang deshalb die Einigung auf zwei bundesweite Demonstrationen am 28.März. Schwieriger war die Verständigung über einen gemeinsamen Aufruf. Anfang Januar entstand zunächst ein Text, der an das genannte Forderungspaket anknüpfte.
Doch dann erhoben die Vertreter der Partei Die LINKE heftigen Widerspruch: Nicht gegen die allgemeine Ankündigung eines „Systemwechsels” im Aufruf, wohl aber gegen die konkrete Festlegung sozialpolitischer Mindestbedingungen. Insbesondere eine Regelsatzerhöhung, die über 435 Euro und damit über die Beschlusslage ihrer Bundestagsfraktion hinausgeht, könnten sie nicht unterschreiben. So entstand ein wohlklingender Formelkompromiss, der tatsächlich noch die bescheidene Forderung von 500 Euro + Warmmiete zu unterbieten gestattet.
Sicher ist der Aufruftext für eine Demonstration nicht das Allerwichtigste. Denn es kommt nicht nur darauf an, was wir fordern wollen, sondern vor allem darauf, welche Kraft wir organisieren können. Doch gerade dazu braucht es nachvollziehbare, konkrete Ziele: Am 29.1. gingen in Frankreich 2 Millionen Menschen auf die Straße; im Mittelpunkt standen „300 Euro mehr — sofort” und die Anhebung des Mindestlohns auf 1600 Euro. Höchste Zeit also, auch hierzulande die öffentliche Debatte über die Inhalte sozialen Protestes neu zu eröffnen: Warum beim Geld zwar manche Freundschaft aufhört, die Solidarität aber erst anfängt.


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