SoZ - Sozialistische Zeitung |
Geschichte ist auch in der Linken oft eine Abfolge
berühmter Männer und weniger Frauen. In diesen Kreis ist Richard Müller nicht
vorgedrungen. Dabei spielte er als Vorsitzender der Revolutionären Obleute in der
Novemberrevolution eine zentrale Rolle. Für kurze Zeit war er nominell sogar als
Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten Staatsoberhaupt im nachrevolutionären
Deutschland. Doch selbst ausgewiesene Kenner der Geschichte der Arbeiterbewegung wie der
Marburger Politologe Wolfgang Abendroth schrieb über Müller: „Dann verlieren
sich seine Spuren in der Geschichte."
Der Berliner Historiker Ralf
Hoffrogge hat Müller und die Revolutionären Obleute dem Vergessen entrissen. Er hat
Müllers Werdegang beschrieben, angefangen von seinen ersten Aktivitäten als junger
Gewerkschafter, wo er sich im Selbststudium zum Tarifexperten weiterbildete. Mit Beginn des
Ersten Weltkrieges entwickelte er sich zum linken Arbeiteraktivisten und geriet damit in
Opposition zur Führung seiner Metallarbeitergewerkschaft, die sich noch vor der
Mehrheits-SPD auf den Burgfrieden verständigt hatte. Den Prozess der Radikalisierung
beschreibt Hoffrogge sehr detailliert.
Die Revolutionären
Obleute, die in den wichtigsten Berliner Betrieben gut verankert waren, könnte man
ideologisch am ehesten als rätesozialistisch einordnen. Obwohl sie mit der USPD, die zum
Sammelbecken der kriegsgegnerischen Sozialdemokraten geworden war, im engen Kontakt standen
und Müller sogar als deren Reichstagskandidat aufgestellt worden war, betonten die
Obleute ihre Unabhängigkeit. Das galt auch für den Spartakusbund, der am linken Rand
der USPD stand und sich spätestens nach der Oktoberrevolution auf die Bildung einer
kommunistischen Organisation vorbereitete.
Wie im Buch beschrieben wird,
scheinen neben taktischen Differenzen auch persönlichen Animositäten zwischen
Müller und Liebknecht die Zusammenarbeit erschwert zu haben. Das war für die
Entwicklung der jungen revolutionären Bewegung eine Tragödie. Denn durch die
Zusammenarbeit der Mehrheits-SPD mit den gerade gestürzten Mächten und die
Aufstellung der Freikorps wurden alle Kräfte, die die Revolution weiter treiben wollten,
kriminalisiert. Das zeigte sich bei den in der Geschichte noch immer fälschlich als
Spartakusaufstand firmierenden Abwehrkämpfen der Berliner Arbeiter im Januar 1919. Am
Ende waren neben Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auch Tausende namenlose Arbeiter ermordet
worden. Das Wüten der Freikorps ging weiter, wie Hoffrogge darlegt. Im März 1919
wurden sie gegen eine landesweite Streikbewegung eingesetzt und am 13.Februar 1920 richteten
sie ein Blutbad an, als Tausende Arbeiter vor dem Reichstag für eine reale
Arbeitermitbestimmung demonstrierten. Die Soldaten schossen in die unbewaffnete Menge,
töteten 42 Demonstranten und verletzten Hunderte.
Hoffrogge beschreibt
Müllers kurzzeitige Aktivitäten als Gewerkschaftsverantwortlicher der KPD und widmet
sich seinen Schriften über die „reine Rätedemokratie” und die Geschichte
der Novemberrevolution. Das Buch leistet einen wichtigen Beitrag zur Rekonstruktion einer
linken Geschichtsschreibung, was uns nicht nur aus historischen Gründen interessieren
sollte.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |