SoZ - Sozialistische Zeitung |
Fast möchte man meinen, dass der erste Spielfilm, der seit
mehr als 50 Jahren in Jordanien produziert wurde (der Staat wurde erst 1949 gegründet),
einen internationalen Verleih findet, weil König Abdullah II. sein 10.Kronjubiläum
feiert. Doch der Film hatte schon vor einem Jahr Premiere, im Februar 2008 in Jordanien,
nachdem er beim Sundance International Filmfestival den Publikumspreis gewonnen hat —
und das ist nur einer unter bislang 21 Preisen nebst der Nominierung für den
Auslandsoscar. Die Königsfamilie unterstützte diesen Film trotzdem, ebenso die
lokale Tourismuswerbung. Doch zurück zum Anfang.
"Captain Abu Raed”
ist kein „Captain”, sondern einfache Reinigungskraft am Flughafen von Amman. Er
ist Witwer und wohnt in einem einfachen Viertel Ammans. Die Filmwerbung, „ein
Märchen aus Amman”, lässt Schlimmes befürchten. Der Film ist ein
Rückblick, was man erst am Ende richtig versteht, doch das soll hier tunlichst
verschwiegen werden. Abu Raed wird zum „Captain”, als Abu Raed in einem
Mülleimer am Flughafen die Mütze eines Flugkapitäns findet. An diesem Abend
setzt er sie auf dem Heimweg auf, ein kleiner Junge aus seiner Nachbarschaft beobachtet ihn
dabei, der kleine Tareq, und spricht ihn aufgeregt an: „Bist du Pilot?”
„Nein” Doch tags darauf steht frühmorgens eine Schar Kinder vor seiner
Tür.
Nach und nach fügt er
sich in seine Rolle als „Captain Abu Raed” und erzählt den Kindern
Geschichten von seinen vielen Reisen, davon wie es ist, mit einem so großen Flugzeug in
die Luft zu schweben. Nur ein Junge, schon etwas älter als die anderen, zweifelt daran.
Murad heißt er. Murads Vater ist Kleiderhändler, ohne viel Erfolg. Oft kommt er
abends betrunken nach Hause, meist schlägt er dann seine Frau oder seine Kinder. Der
andere kleine Junge, mit dem Abu Raed sich anfreundet, Tareq, der ihn als erstes als
„Captain” entdeckte, wird von seinem Vater als Keksverkäufer eingesetzt. Abu
Raed kauft ihm die Kekse mehrmals ab, um zu erreichen, dass Tareq in die Schule gehen kann.
Leider erzielt er das Gegenteil damit, Tareq wird mit noch mehr Ware überschüttet,
weil er ja offenbar ein Verkaufstalent hat.
Am Flughafen freundet sich Abu
Raed mit der jungen Pilotin Nour an. Sie wird auf ihn aufmerksam, als sie ihn fließend
französisch sprechen hört. Nour kommt aus dem anderen Ende der Stadt, sie wohnt bei
ihren Eltern in einer weitläufigen Villa mit philippinischem Hausmädchen. Ihr Vater
versucht alles, sie zu verheiraten, doch sie verweigert sich. Mit Anfang 30 sind all ihre
Freundinnen schon verheiratet und haben Kinder. Der „Captain” wird zu ihrer
Vertrauensperson und gemeinsam können sie wahrlich etwas bewegen, was hier jedoch nicht
verraten werden soll.
Genug zum Inhalt. In der
Vorpremiere gab es noch die Originalfassung mit englischen Untertiteln zu sehen. Der Verleih
hat sich jedoch für eine synchronisierte Fassung entschieden, fast schade, es schien ein
wichtiger Teil des Films zu sein, diese so fremde Sprache zu hören. Amin Matalqa, der
Regisseur, bewegt sich wie so viele Jordanier zwischen den Kulturen (nicht zuletzt König
Abdullah II., der bereits als 4-jähriger in ein englisches Internat kam, bevor er eine
amerikanische Schul- und Universitätsbildung genoss). Amin Matalqa wuchs teils in
Jordanien, teils in Ohio auf und besuchte das American Film Institute. Heute lebt er in
Kalifornien. Ebendort traf er seinen Landsmann Laith Al-Majali, Cutter und Produzent in den
USA und im Mittleren Osten. „Durch familiäre Beziehungen” heißt es im
Pressetext, lernte dieser wiederum den etablierten amerikanischen Produzenten David Pritchard
kennen, der wesentlich zum Entstehen des Films beitrug. All das trug gottlob nicht dazu bei,
„Hollywoodware” entstehen zu lassen. Manchmal ist der Film nahe dran (besonders
wenn die Filmmusik von Gabriel Yared, der auch die Musik für Filme wie Der englische
Patient komponiert hat, zu sehr in den Vordergrund rückt), die exzellenten Schauspieler
und die berührende Geschichte haben jedoch einen ganz eigenen Reiz.
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