SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2009, Seite 11

Voraussetzungen einer erfolgreichen

Betriebsbesetzung

von Jochen Gester

Betriebsbesetzungen als wirksame Waffe im gewerkschaftlichen Kampf. Eine Studie aktueller Beispiele, 63 S., 2 Euro.
Die Ende Januar erschienene kleine Broschüre hält, was sie verspricht. Auf 63 Seiten werden in einem wohltuend sachlich-analytischen Stil fünf Fälle aus dem Jahr 2008 untersucht, bei denen es um den Kampf gegen Massenentlassungen und Werksschließungen ging. Vor allem wird der Frage nachgegangen, welche Voraussetzungen und Bedingungen für eine erfolgreiche Betriebsbesetzung notwendig sind.
Die Beispiele sind aus drei Ländern entnommen (Schweiz, Italien, Spanien) und beziehen sich bewusst auf unterschiedliche Situationen. Neben großen Erfolgen werden auch vollständige Niederlagen geschildert.
Der erfolgreiche Kampf der SBB-Werkstätten Officine in Bellinzona eröffnet als „Vorbild” die Untersuchung. Direkt darauf folgt das negative Gegenbeispiel „Borregaard-Attisholz bei Solothurn: kampflos in die Niederlage” Gerade weil die Unterschiede in der Arbeiterbewegung und der Gewerkschaftslandschaft zwischen der Schweiz und Deutschland groß sind, sticht die Parallelität zwischen der Erfahrung aus Solothurn und der kampflosen Abwicklung des Nokia-Handywerks in Bochum im Frühjahr 2008 ins Auge.
Weiter geht es mit dem inzwischen neunmonatigen Kampf der letzten 49 Arbeiter bei der Innse in Mailand (siehe S.10). Im Unterschied zu der Strike-Bike-Kampagne in Deutschland, wo die betriebliche Realität und die öffentliche Darstellung durch Unterstützer doch sehr weit auseinandergingen, wird hier kein „Kult” der Selbstverwaltung betrieben. Vielmehr werden die Probleme einer selbstverwalteten Produktion als Perspektive für eine erfolgreiche Betriebsbesetzung offen angesprochen. „Ein besetzter und selbstverwalteter Betrieb befindet sich in einem ‘rechtsfreien Raum‘, der nie lange andauern wird. Entweder wird das Experiment durch staatliche Unterdrückung beendet oder der selbstverwaltete Betrieb muss sich eine neue Rechtsform geben und wieder in die bürgerliche Gesellschaft einordnen. Bei INNSE wäre dies die Übernahme durch den bisherigen Hauptkunden, die Industriegruppe Ormis aus Brescia."
Einen anderen Aspekt beleuchtet das italienische Bespiel „IVECO in Suzzara: das Strohfeuer der Revolte” Hier kommt es zu einem spontanen Streik mit Besetzung der Werkstore sowie teils militanten Straßen- und Eisenbahnblockaden. Aber genauso schnell wie die Rebellion ohne von außen erkennbare Strukturen auflodert, bricht sie nach wenigen Tagen auch wieder zusammen.
Last but not least wird mit dem spanischen Beispiel von „Holcim Torredonjimeno: Massenmobilisierung oder Betriebsbesetzung?” ein Fall ausgewählt, bei dem es trotz großer Solidarität und heftiger Proteste nicht gelingt, die Spaltung zwischen Festangestellten und Zeitarbeitern in einem gemeinsamen Kampf zu überwinden. Die aus dieser Spaltung hervorgehenden unterschiedlichen gewerkschaftlichen Strategien und Aktionsformen bleiben nebeneinander stehen, was letztlich zur Niederlage des Kampfes beiträgt.
In den „Schlussfolgerungen” werden einige Thesen für zukünftige Kämpfe zu entwickeln. So wird die Notwendigkeit von „kämpferischen Kernen” in den Betrieben ebenso betont wie die Tatsache, dass man den Rahmen der vorgegebenen Legalität überschreiten muss, wenn man Druck aufbauen und Erfolg haben will. Entschieden wenden sich die Autoren gegen eine schematische Gegenüberstellung von Aktionsformen (Streik gegen Betriebsbesetzung) gewandt und betonen zugleich, dass der Zeitfaktor bei der Wahl der Mittel entscheidend ist.

Es gibt ein umfangreiches Quellenverzeichnis mit zahlreichen weiterführenden Links.

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