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Am 17.3. verkündete das Landesarbeitsgericht
Düsseldorf: Das Betriebsverfassungsgesetz ist auf das Alfried-Krupp-Krankenhaus
anzuwenden.
Nach über drei Jahren
Rechtsstreit ist damit endlich klar:
— Das renommierte Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen war und ist keine kirchliche
Einrichtung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.
— Der Betriebsrat bestand und besteht fort.
— Die zahlreichen Betriebsvereinbarungen galten und gelten fort.
In einem
Überraschungscoup zum Jahresbeginn 2006 waren die Geschäftsführer des
Krankenhauses aus dem Paritätischen Wohlfahrtsverband in die Diakonie Rheinland
gewechselt. Sie glaubten, indem sie sich zur kirchlichen Einrichtung ausflaggten, könnten
sie das störende Betriebsverfassungsgesetz verlassen.
Die Mitbewerber in anderen
Kliniken beobachteten dabei ungläubig, aber durchaus interessiert, wohin so ein
schlichter Schritt führen könne. Doch weder den damaligen
Geschäftsführern, noch dem Alfried-Krupp-Krankenhaus hat das Abenteuer Glück
und Frieden gebracht.
Am 3.1.2006 teilte die Geschäftsführung dem überrumpelten Betriebsrat seine
Auflösung mit. Im ersten Info an die Belegschaft antwortete dieser: „Wenn aber der
Arbeitgeber versucht, die Interessenvertretung auszuhebeln, dann wehren wir uns” (vgl.
SoZ 2/06).
Am 16.2.2006 witterte der
befasste Arbeitsrichter Oelbermann: Die „Sache sieht ein bisschen nach Flucht aus dem
Betriebsverfassungsgesetz aus.” Die Kontrahenten seien ja gerichtsbekannt, weil der
Betriebsrat hier oft und erfolgreich Verstöße des Arbeitgebers stoppe. Dennoch sah
das Arbeitsgericht keinen Grund, die Manager zu stoppen: „Fliehen ist nicht verboten,
wenn man sich in großer Gefahr befindet."
Am 29.8.2006 hob das
Landesarbeitsgericht Düsseldorf auf die Beschwerde des Betriebsrats hin den Beschluss
auf. Es stellte erstmals fest, dass auf die „Alfried Krupp von Bohlen und Halbach
Krankenhaus gGmbH” in Essen das Betriebsverfassungsgesetz Anwendung findet.
Am 5.12.2007 stimmten die
Bundesarbeitsrichter in Erfurt dieser Entscheidung in weiten Teilen zu. Es stellte auch fest,
zwar seien fast alle Mindestbedingungen, die die Diakonie für sich und ihre Mitglieder
festgelegt hat, nicht erfüllt. Aber das LAG solle nochmal prüfen und entscheiden, ob
nicht doch mit der Umfirmierung auch ein ordnender Einfluss der Kirche auf andere Art sichtbar
und beweisbar geworden sei.
Erst jetzt, mit der wohl
endgültigen Entscheidung des LAG Düsseldorf, kann das Krupp Krankenhaus seine
seltsame Verkleidung als angeblich kirchliche Einrichtung ablegen. Die alten
Geschäftsführer wurden abgelöst, und niemand rechnet damit, dass der
Arbeitgeber noch Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen wird.
Denn auch die heutigen Manager
werden nun aufatmen. Das Tarifchaos in der Kirche, die wilde Konkurrenz zwischen dem
kircheneigenen Ersatztarif (AVR DW EKD) und dem NRW-Ableger BAT-Kirchliche Fassung, hat dem
Betrieb zunehmend geschadet. Und die kirchlichen Sondergerichte können die zunehmenden
Konflikte nicht bearbeiten, geschweige denn lösen.
Der Arbeitgeber und Ver.di
stehen längst in den Startlöchern — mehr als bereit, den „Rücksturz
zur Erde” mit einem Übergang in den TVöD zu besiegeln.
Die Gewerkschaft Ver.di hat
von Beginn an den Betriebsrat in diesem existenziellen Rechtsstreit materiell, mit
Sachkundigen und viel Solidarität unterstützt. Jetzt wird Ver.di endlich mit einem
Tarifvertrag für die Beschäftigten belohnt.
Die Beschäftigten werden
auch belohnt: Sie warten seit 2005 auf eine Entgelterhöhung und verlässliche
Arbeitsbedingungen. Zuerst muss der Betriebsrat aber die Trümmer der vergangenen Jahre
aufräumen.
Noch nicht alle Fragen sind
beantwortet: Das gerade erst im Oktober in „Alfried Krupp Krankenhaus Essen-
Steele” umgetaufte Lutherhaus ist eine 100%ige Tochter des Rüthenscheider
Mutterbetriebs.
Wie lange kann es noch als
angebliche kirchliche Einrichtung außerhalb des Betriebsverfassungsgesetzes gehalten
werden? Und was wird nun aus den Mitarbeitervertretungen in den beiden Betrieben?
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